Gesellschaft | (Noch mehr?) Freiheit für Süd-Tirol?

Jetzt aber los... bloß: Wohin?

Ja, ich ärgere mich, und ich finde das unfair. Die Süd-Tiroler - mit Bindestrich, der wohl die Unrechts-Trennung verdeutlichen soll -, schreibt man bei Süd-Tiroler Freiheit, können nun endlich, Süd-Tiroler Freiheit sei Dank, selbst bestimmen (!), ob sie lieber bei der „angeblich weltbesten“ Autonomie = bei Italien bleiben wollen oder… ja, was denn eigentlich?
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Foto: Screenshot

Ich möchte vorausschicken: Ich mag die Frau Klotz, ich finde, sie ist eine Politikerin „come si deve“: Sie hat (ihre) Ideale, und für die kämpft sie, wie es sich gehört. Una donna verticale. Schade nur, dass sie – meine bescheidene Meinung – über diesen ihren Idealen scheint’s übersieht, dass sich das „richtige“ Leben, da draußen, außerhalb ihres sehr persönlichen Kosmos,  ein bisschen an ihr und ihren Idealen vorbei entwickelt hat. Schade, das.

Also wie gesagt, um die Abschaffung der „angeblich weltbesten Autonomie“ soll es gehen, bei dieser gestern und mit viel Getöse lancierten Abstimmung. „Angeblich“ ist schon mal nicht ganz fair, denn: Bloß, weil hin und wieder der Eindruck oder auch mehr als der Eindruck entsteht, dort unten im tiefen Rom wolle man unserer Autonomie grundsätzlich an den Kragen, ändert das noch lange nichts daran, dass wir tatsächlich und unbestritten als völlig Andere unter völlig Anderen ziemlich unbehelligt unser völlig eigenes Ding machen können. Besseres unter ähnlichen Umständen dürfte schwerlich zu finden sein - wer also sagt, die unsere sei nur „angeblich“ die weltbeste Autonomie, die muss die noch bessere schon gleich mitliefern, nicht wahr.

Als nächstes wundert mich die Fragestellung: Es soll darüber befunden werden, ob Süd-Tirol „das Selbstbestimmungsrecht ausüben soll, um eine freie und von Italien unabhängige Zukunft anzustreben“. Aber hallo – allein die Formulierung! Wenn ich diesen Kaubonbon-Satz richtig verstehe, dann sollen wir also bei Südtiroler Freiheit selbst darüber bestimmen dürfen, dass (!) wir lieber weg wollen von Italien. So weit, so gut, vielleicht und möglicherweise, bloß: Wenn wir das denn mehrheitlich bestimmt haben sollten - was dann?

Diese Antwort – und ich glaube doch sehr, dass es um sie geht, also nicht um die Frage „Wollt ihr weg?“, sondern vielmehr um die Antwort auf „Wo wollt ihr hin?“ – diese Antwort bleibt Frau Klotz uns schuldig. Wenn ich mich recht erinnere, war ihr mal der (Wieder-?)Anschluss an Österreich ein Herzensanliegen – in dieser Sache aber musste sie wohl einsehen, dass das außer ihr nur noch sehr wenige sonst wollen. Wenn also Frau Klotz am Brenner Schilder aufstellt, auf denen laut die Warnung prangt, dass „Südtirol ist nicht Italien“, dann müsste gleich daneben ein Schild stehen mit „Aber Österreich auch nicht“, und dann noch eins mit "Aber was ist es dann?" Eben: Südtirol ist mittendrin, und einzigartig mit dieser ihm und nur ihm eigenen trilingualen und trikulturellen Identität. So, würde ich persönlich mir wünschen, soll es auch bleiben und sich weiter entwickeln, mit Schwerpunkt auf „Zukunft“ und nicht länger – uffa – auf dieser unendlichen (und wie schwermütigen!) Vergangenheit.

Ah ja - bliebe: Die Utopie, wie Frau Klotz ja selbst sie nennt, der Eigenstaatlichkeit, der Sezession, der Abspaltung. Die nun wiederum ist, so wie die Dinge stehen, keine Option und wird das auch in naher und ferner Zukunft zu 99,99 Prozent nicht sein. Aber auch falls sie es je sein oder werden sollte, bliebe immer noch die Frage: Wie würden sich die etwa 30 Prozent italienisch- und ladinischsprachiger Südtiroler wohl entscheiden? Würden sie „mit gehen (!)“ wollen, mit diesem deutschsprachigen Willen nach deutschsprachiger Eigenständigkeit? Und die 70 Prozent „deutschsprachiger“ Südtiroler – werden sie alle, oder besser: Wird auch nur die Hälfte dieser „deutschsprachigen“ Südtiroler dasselbe wollen wie unsere Frau Klotz? Wohl kaum.

Die Chancen also, dass der Traum der Frau Klotz sich je verwirklichen sollte, gehen gen Null. Das wiederum sollte die Bevölkerung auch wissen – es ist nicht fair, dass ihr wahlkampftaktisch vorgegaukelt wird, es gäbe Alternativen zur weltbesten Autonomie. Denn die gibt es nicht - oder jedenfalls gibt es keine, die mehr wären als nur die Träume ein paar Weniger.

Und wer jetzt sagt, dass fast immer ein Traum stand am Anfang einer Veränderung, sei die nun groß oder klein, die hat damit noch längst nicht die Frage nach dem „Wozu?“ beantwortet.