Mehr Demokratie wagen
Simone Wasserer neben Martha Stocker: " Wir wissen auch, dass Reformen gemacht werden müssen und sind auch bereit, sie mitzutragen. Allerdings sollten diese Reformen dann gemeinsam diskutiert und dann angenommen werden, um sie mittragen zu können!
Wir leben in einer durchaus spannenden Zeit. Und damit meine ich nicht nur die Ereignisse auf der internationalen Bühne, wie die Regenschirm-Revolution in Hongkong, die Abstimmung Schottlands über eine mögliche Unabhängigkeit oder die katalanischen Bestrebungen.
Auch bei uns scheint dieser Weltgeist angekommen: In Mals, Brixen und Meransen haben wir erlebt, dass die Bevölkerung nun auch bereit ist, mitzubestimmen. Es ist eine neue Ära angebrochen: Wir alle müssen lernen, uns in diesem neuen Zeitabschnitt achtsam und behutsam zu bewegen. Zu lange mussten wir darauf warten, endlich auch als aktive, sich selbst einbringende und mündige BürgerInnen am politischen Prozess direkt zu beteiligen!
Doch Bürgernähe, Selbstverantwortung, Transparenz, das sind alles GROSSE Worte! Darin hat viel Platz, viele sind mit diesen Begriffen - zu recht - überfordert. Sich an diese Grundwerte zu halten, danach zu leben und damit Vorbild für unsere Kinder zu sein, kostet nicht nur viel Kraft und Energie, sondern vor allem Zeit, viel Zeit. Diskutieren, Kompromisse finden und sie noch mal durchdiskutieren. Oft kommt dabei der kleinste gemeinsame Nenner heraus, der für manche zu viel, für manche nicht hinreichend ausreichend ist, für manche aber durchaus OK scheint. Ist das nicht die höchste Form und das höchste Gut der Demokratie?
Ich erlebe Südtirol ganz neu und bin sehr stolz darauf. Ich denke; viele von uns haben sich diese Art der neuen Politik herbeigewünscht: offen, transparent, mitentscheidend! Frei nach Stéphane Hessels Aufruf: „Empört Euch“! Und folgerichtig: „Engagiert Euch!“ Es ist sicher ein langer Prozess, denn im Moment leiden verschiedene Sparten unter dieser neuen Art von Politik, da sie, wie gesagt, neu und ungewohnt ist. Doch ich bin sicher, dass sich bald auch die Wirtschaft den neuen Spielregeln anpassen wird und das Volk von gewissen volkswirtschaftlichen Maßnahmen überzeugen kann.
Diskutieren, Kompromisse finden und sie noch mal durchdiskutieren. Oft kommt dabei der kleinste gemeinsame Nenner heraus, der für manche zu viel, für manche nicht hinreichend ausreichend ist, für manche aber durchaus OK scheint. Ist das nicht die höchste Form und das höchste Gut der Demokratie?
Denn wir alle sind schlussendlich auch davon abhängig. Großprojekte und große Reformen müssen von den BürgerInnen mitgetragen werden und sie tun es auch, wenn wir informiert (objektiv und transparent) werden! Es geht eben um das Miteinander. Es wird immer Befürworter und Gegner geben, schon klar. Doch diskutieren auf Augenhöhe - und was damit zusammenhängt - darum geht es!
Genau für diese neue Ausrichtung und die genannten Aspekte haben sich bestimmt viele bei den vergangenen Landtagswahlen auch für eine Person entschieden, die als Garant für diese neue Art von Politik zu stehen schien. Zugegeben, auch ich!
Viele Reformen werden nun tatsächlich angegangen. Ich höre oft, auch in der öffentlichen Verwaltung: Alles wird auf den Kopf gestellt, vieles wird versucht neu anzudenken, neue Ausrichtungen bzw. sinnvolle Zusammenführungen zu machen.
Doch passieren auch wieder wundersame Dinge.
In der Krankenhausdebatte bin ich nun plötzlich mittendrin, gefragt auch unter anderem als neo-zuständige Gemeindereferentin in Innichen. Und wundersame Dinge passieren tatsächlich, die mir als Gegenstück zu dem angekündigten neuen Stil/Werten zu stehen scheinen.
Darf von einer neuen Politikkultur der Transparenz gesprochen werden, wenn eine öffentliche Studie des Landes im Internet präsentiert wird, dann aber nach einigen Stunden in abgewandelter Form wieder auftaucht? Dazu gibt es auch keinerlei Stellungnahme und es scheint auch niemandem peinlich zu sein. Ist so. Punkt. Bitte wie?
Darf von einen neuen Politikkultur der Transparenz gesprochen werden, wenn eine öffentliche Studie des Landes im Internet präsentiert wird, dann aber nach einigen Stunden in abgewandelter Form wieder auftaucht?
Und wenn wir dann als gesetzliche VertreterInnen der am (meisten und) härtesten betroffenen Gemeinden der Sanitätsreform nach den seriösen Zahlen der gesamten/geplanten Neuausrichtung fragen, um endlich zu verstehen und um Alternativpläne zu erarbeiten, wir als Antwort erhalten, es sei noch zu früh uns diese zu geben oder noch zu früh uns mitzuteilen, was die neue Landesregierung unter Grundversorgung versteht.
Bitte wie? Zu früh? In dieser alles entscheidenden Phase der Reform? Wann werden diese Dokumente der Öffentlichkeit transparent zur Verfügung gestellt? Wir, die VertreterInnen der Randgemeinden (ALLE: Innichen wie Sterzing, wie Schlanders mit den jeweiligen Einzugsgebieten) sind bereit für eine offene und v.a. ergebnisoffene, lösungsorientierte Diskussion! Wir würden uns gerne den Zahlen stellen, wenn wir sie als VertreterInnen des Volkes erhalten würden. Wir wissen auch, dass Reformen gemacht werden müssen und sind auch bereit, sie mitzutragen. Allerdings sollten diese Reformen dann gemeinsam diskutiert und dann angenommen werden, um sie mittragen zu können! Nicht einfach präsentiert. Und die Definition von Grund -Basisversorgung geht uns alle an.
Allerdings sollten diese Reformen dann gemeinsam diskutiert und dann angenommen werden, um sie mittragen zu können! Nicht einfach präsentiert.
Auch hier wollen wir neue Denkanstöße, neue Auswege! Nicht alte Reformvorschläge erneut durchdiskutieren. Es gibt immer Alternativen, davon mehrere. Wir sind es dann, die diese Reformen den Menschen jeden Tag erklären müssen. Eine Politik, die von oben nach unten diktiert, funktioniert in diesen Zeiten nicht mehr.
Selbstverständlich braucht es Entscheidungen, doch auch die brauchen einen breiten Konsens, wenn sie so weitreichend sind. Im Wahlkampf 2013 versprach man uns Veränderungen durch Mitbestimmung und man versprach das Gute zu bewahren. Diesen Worten sollten jetzt Taten folgen. Die Chance mitreden zu können und in jenen Bereichen, die unmittelbar das Gemeindeleben in sozialer aber auch wirtschaftlicher Hinsicht betreffen, auch mit zu entscheiden, sollten keine leeren Versprechungen bleiben. Auch wir tragen Verantwortung und wollen Verantwortung tragen! Stärken wir die Peripherie.
Demokratie ist nicht einfach und sie braucht Zeit! Doch wir sind SüdtirolerInnen, wir haben immer schon für unser Land und für unsere Leute vieles erreicht: im Geiste und mit unseren jeweiligen Fähigkeiten, unermüdlich. Die Generation unserer Großmütter und Großväter hat sich für die Freiheit stark gemacht, jene unserer Mütter und Väter für einen demokratischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau, für die Bewahrung unserer Kultur, den Wohlstand engagiert und unsere Generation sollte sich nun in diesem Geiste für mehr Demokratie und Eigenverantwortung einsetzen – dass unsere Kinder und Kindeskinder in einem Land leben, das wir vorfinden durften, vielleicht stückweit noch besser und demokratischer. Das erscheint mir logisch und erstrebenswert: Mehr Demokratie wagen eben!