„Ich bin allergisch gegen Alpinbarock“
Vor 25 Jahren war er zum ersten Mal Referent bei den Toblacher Gesprächen. Damals wurde seine Gemeinde als erste Österreichs mit dem Umweltsiegel ausgezeichnet. Nun ist er wiederkommen. Klaus Kessler, ein Hotelier mit viel Herzblut für die Natur. Zusammen mit seiner Gattin Sieglinde betreibt er das Naturhotel „Chesa Valisa“ im Vorarlberger Kleinwalsertal. Gäste, die per Bahn anreisen, werden mit einem Stück Bergkäse beschenkt, Lehmwände sorgen für einen optimalen Feuchtigkeitsaustausch, im Pool ist kein Chlor, die Wärme kommt aus dem Biomasse-Kraftwerk und die Produkte von den örtlichen Biobauern. Und das Überraschendste: Es rechnet sich. Das „Chesa Valisa“ zählt zu den rentabelsten Naturhotels Österreichs. Mit einer durchschnittlichen Jahresauslastung von 94 Prozent. Salto.bz hat Klaus Kessler zum Interview getroffen und ihn danach gefragt, wie ihm der Sprung geglückt ist, vom anfänglichen Spinner zum heutigen Visionär.
Herr Kessler, Sie haben vor 30 Jahren ein Statement gesetzt. Mit dem ersten Biohotel Vorarlbergs. Sie setzten auf Bioprodukte und boten bereits damals Yoga-Kurse an. Wie haben damals Ihre Nachbarn und Kollegen darauf reagiert?
Zu Beginn wurden wir als Spinner abgetan und ernteten auch viel Spott. Heute bin ich überzeugt, dass man mit jeder Idee erstmal in Vorleistung gehen muss. Die Ernte kommt dann ganz von selbst. Wenn auch nicht sofort.
Gleich mehrere Kollegen haben es Ihnen in der Zwischenzeit nachgemacht und das Kleinwalsertal profiliert sich mit Ihrer nachhaltigen Tourismusidee. Womit haben Sie ihre anfänglichen Neider überzeugt?
Als wir unser Naturhotel eröffneten, gab es nur einen Biolandwirt in der Region. Heute sind von den 25 landwirtschaftlichen Betrieben ganze 14 auf Bio umgestiegen. Allein mit unserem Hotel können wir 60 Prozent ihrer Produkte abnehmen. Das ist natürlich schön. Gleichzeitig gibt es viele Trittbrettfahrer, die nur den Trend und die guten Umsätze sehen. Sie sind aber nicht mit Herz bei der Sache.
Schaden diese Trittbrettfahrer der Biobranche?
Mit Sicherheit. Ich ärgere mich so oft, wenn bestimmte Kollegen mit ganzen Mannschaften anrücken, um unser Konzept zu kopieren. Dabei geht es nicht ums Kopieren sondern ums Kapieren. Man muss nachhaltigen Tourismus leben und fühlen. Viele wollen einfach „einen auf Bio machen". Das kann nicht funktionieren, da fällt man ganz schnell auf die Schnauze. Ich vergleiche das immer mit einer Schwangerschaft: Entweder man ist schwanger oder man ist es nicht. Denn der Gast merkt sofort, ob jemand ein Biohotel authentisch führt oder ob jemand nur einem Trend hinterher hastet.
Rund ums Haus eine intakte Natur, gesundes Wohnen, bewusste Ernährung und viel Bewegung. Auf diesen Säulen basiert Ihr Naturhotel. Doch damit stehen Sie nicht alleine da, auch Wellness-Tempel werben mittlerweile mit diesen Slogans. Was machen Sie also anders?
Man muss auf sehr viele Details achten, ein sehr sauberes Konzept haben und dieses konsequent durchziehen. Das beginnt bei der Baubiologie und Architektur und endet bei der Vernetzung in der Region. Das Hotel muss bewusst anders als ein All-Inclusive-Hotel in der Türkei geführt werden. Das heißt, man muss in der Region einen Nutzen stiften, auf biologische, regionale und faire Produkte setzen. Vor allem aber muss man das eigene Gesicht bewahren.
Bio sah über viele Jahre einfach nur nach Bio aus. Automatisch dachte man an Jutetaschen und Jesuslatschen. Ist Bio heute nicht mehr nur etwas für Ökofreaks?
Nein, überhaupt nicht. Es verhält sich wie in der Politik. Über Jahre gab es die grünen Fundis, jetzt sind die Realos an der Reihe, die Realpolitik betreiben. Bei uns ist es dasselbe, heute muss niemand mehr in Sandalen rumlaufen, um zu zeigen, dass er auf Bio steht.
Heißt das aber auch, dass Biohotels heute nur dann Erfolg haben, wenn sie sich modern, cool und trendig verkaufen?
Ich war vor vielen Jahren mal beruflich bei Walt Disney. Auf einer Westerntür stand dort geschrieben: „And now you are on stage“. Jetzt bist Du auf der Bühne, vergiss, wer Du bist, ab sofort darfst Du Dich in Mickey Maus oder Goofy verwandeln. Doch genau das möchte ich nicht, ich möchte nicht on stage sein. Ich möchte einfach nur ich selbst sein. Die Architektur etwa muss zu mir passen.
Ihr Hotel hat neben dem historischen Stammhaus einen puristischen Zubau. Auch ein Statement, dass man gesundes Wohnen sehr wohl mit moderner Architektur verbinden kann?
Ich bin allergisch gegen den Alpinbarock. Die Architektur ist meine dritte Haut. Wenn sie nur eine Bühne ist, dann bin ich als Hotelier fehl am Platz.
Auch in Südtirol hat man die vergangenen Jahrzehnte massiv auf den von ihnen benannten Alpinbarock gesetzt. Haben Sie aus Ihrem Hotel also jeden Schnörkel verbannt?
Die Stuben in unserem Hotel sind 500 Jahre alt, sie sind ganz einfach und schlicht. Sie dominieren nicht, sondern sind einfach nur da. Sie haben Bestand, sie sind keine Kulisse, die man einfach so austauscht. Da braucht es dann auch kein Hirschgeweih mehr. Ich finde es schön, dass die neue Vorarlberger Holzbaulinie genau diesen Grundgedanken aufnimmt.
Die Preise pro Person und Nacht gehen in Ihrem Hotel ab 100 Euro, es sind Mittelklassepreise. Muss Bio also nicht zwangsläufig teuer sein?
Nein, wir wollen auch nicht nur wohlhabende Kunden ansprechen. Sondern Kunden, die bereit sind etwas ausgeben, weil sie sicher sein wollen, dass die Qualität passt. Am Ende geht es auch beim Preis nur um die Ehrlichkeit.
Sie haben bereits vor 25 Jahren bei den Toblacher Gesprächen referiert. Durften Sie auch Hans Glauber kennenlernen?
Ja, er war ein großer Visionär. Er hat Südtirol touristisch sicher sehr geprägt.