Politik | Meran

Katze aus dem Sack

Die SVP und die italienischen Bürgerlisten wollen unbedingt Madeleine Rohrer die Raumordnung entreißen. Jetzt rückt der kommissarische Verwalter immer näher.
Kommissar
Foto: upi
„Drah di net um, oh oh oh
Schau, schau, der Kommissar geht um, oh oh oh
Er hat die Kraft und wir san klein und dumm
Und dieser Frust macht uns stumm“
Falco, Der Kommissar (1982)
 
Meran hat ein neues Lieblingsspiel: Schwarzer Peter.
Seit Wochen wird diese Karte in den Koalitionsverhandlungen so schnell herumgeschoben, dass dem Betrachter schwindlig werden kann. Paul Rösch ist an dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen Schuld und natürlich noch mehr seine Chefverhandlerin Christl Kury. Aber auch die Vertreter der italienischen Bürgerlisten Nerio Zaccaria oder Walter Taranto kriegen ihr Fett ab. Ebenso der Politneuling und neue starke Mann in der Meraner SVP Ernst Fop.
Über allen thront aber der Mann, der von der Villa Marchetti aus, dem Geburtshaus Silvius Magnagos, angeblich alle Fäden in der entscheidenden Phase in der Passerstadt in der Hand hält: Karl Zeller. „Er kann die Niederlage nicht verdauen“, heißt es aus dem Rösch-Lager, „und er will deshalb Meran in Neuwahlen treiben“.
Karl Zeller weist gegenüber Salto.bz diese Unterstellungen von sich: „So ein Blödsinn, ich bin einfaches Parteimitglied und sage in der Meraner SVP meine Meinung, wenn ich gefragt werden, mehr nicht“, meint der SVP-Vizeobmann.
Tatsache ist, dass die Meraner Koalitionsverhandlungen gescheitert sind und die Berufung eines Kommissars so greifbar nahe wie noch nie ist. Das würde dann heißen, dass es im Frühjahr 2021 zu Neuwahlen kommt.
 

Röschs Notregierung

 
Paul Rösch hat beim bisher letzten Treffen der Meraner Parteien am Montagnachmittag einen neuen Vorschlag auf den Tisch gelegt. Es soll am Dienstagabend im Gemeinderat eine Art Übergangs- oder Notregierung gewählt werden. „Ihr sollen die meistgewählten Vertreter und Vertreterinnen der drei Blöcke angehören“, sagt der gewählte Meraner Bürgermeister.
 
 
Der Vorschlag sieht vor, dass neben dem Bürgermeister für die Grünen Madeleine Rohrer und Andrea Rossi in den Stadtrat entsendet werden, Nerio Zaccaria und Dario Dal Medico für die Civiche und Stefan Frötscher für die SVP.
Das Gesetz schreibt vor, dass es noch eine zweite Frau braucht und diese zudem Italienerin sein muss. Diese italienische Fachfrau soll von außen berufen werden.
Der Vorschlag Röschs sieht vor, dass die Übergangsregierung im Amt bleiben soll, solange die Pandemie und deren Folgen es erfordern und sie das Vertrauen des Gemeinderats genießt. „Ist die Krise vorbei, wird der Gemeinderat die Arbeit der Stadtregierung überprüfen, denn er ist das für die Wahl und Kontrolle des Stadtrats zuständige Gremium“, so Rösch.


Die Absagen

 
Die Tinte auf dem Rösch Vorschlag war noch nicht trocken, da hagelte es mittels Presseaussendungen bereite geharnischte Absagen vonseiten der potentiellen Regierungspartner. Enrico Lofoco für „Alleanza per Merano“ und Walter Taranto für „La Civica per Merano“ sprechen in einer Aussendung von einer „reinen Verschleierungstaktik“ und den Versuch die „grüne Stadtregierung“ zu retten. Die italienischen Bürgerlisten wiederholen dabei eine Forderung, die sie seit Wochen erheben und die zumindest merkwürdig scheint: Entweder die SVP bekommt zwei Stadträte oder man würde die Verhandlungen platzen lassen.
 
 
Genau das hat Dario Dal Medico anscheinend längst getan. Der knapp unterlegene italienische Bürgermeisterkandidat, der in den Koalitionsverhandlungen eher ein Mauerblümchen-Dasein führt, hat bereits am Montag per Fernseh-Interviews verkündet, dass er den Kommissar und Neuwahlen für die beste Lösung halte.
 

Die Offenbarung

 
Rösch versucht mit der Angst der Bevölkerung vor der COVID-Pandemie zu spielen, um die eigenen Machtansprüche durchzusetzen“, reagiert die Meraner SVP auf den letzten Vorschlag des gewählten Meraner Bürgermeisters.
SVP-Stadtobmann Ernst Fop überhäuft das Duo Rösch/Kury in einer Presseaussendung mit Schuldzuweisungen und spricht von „unwürdiger Hinhaltetaktik“. Dann lanciert die Meraner Volkspartei einen neuen Vorschlag:
In der SVP-Aussendung heißt es:
 
„Stadtrat gebildet aus BM Rösch, 2 Assessoren/innen vom Team Rösch/Grüne (z.B. Francesca Schir und Andrea Rossi, 2 Assessoren der SVP (davon eine Frau, die von außen berufen wird) und 2 Vertreter der italienischen Bürgerlisten. Madeleine Rohrer wird als delegierte Gemeinderätin die Agenden der Mobilität übernehmen und kann so an den Sitzungen des Stadtrats teilnehmen.“
 
 
Dieser Vorschlag macht deutlich, wie orientierungslos die Meraner SVP in Wirklichkeit ist. Seit Wochen wehrt man sich gegen die von Paul Rösch vorgeschlagene Miteinbeziehung des Team K und der Ökosozialen Linken in die Regierungskoalition. Und jetzt schlägt die SVP plötzlich Team K-Gemeinderätin Francesca Schir als Stadträtin vor. Weil es den Machen in ihrem Spiel zu pass kommt.
Die Kehrtwende hat einen einfachen Grund. Nachdem die SVP großspurig verkündet hat, dass man Madeleine Rohrer in der Stadtregierung „dulden“ wird, hat man jetzt wieder zwei Schritte zurückgemacht. Rohrer darf nach diesem Vorschlag nicht mehr Teil der Stadtregierung sein. Sie soll von außen den Bereich Mobilität gestalten.
Genau in diesem Punkt wird klar, um was es in diesem Schattengefecht wirklich geht
 

Abgrenzung des Ortskerns

 
Denn jetzt lässt man die Katze damit aber aus dem Sack. Madeleine Rohrer darf auf keinen Fall mehr die Urbanistik bekommen.
Der Hintergrund: Auch aufgrund des neuen Raumordnungsgesetzes stehen in den nächsten Jahren weitreichende Entscheidungen in der Raumplanung an. So zum Beispiel die Abgrenzung des Ortskerns. Auch ein Laie weiß, dass die Verschiebung dieser Abgrenzung auf dem Bauleitplan auch nur um Millimeter darüber entscheidet, wo in Zukunft gebaut werden darf und wo nicht. Es ist eine Entscheidung in der es auch um viele Millionen Euro geht. Vor allem für die bestens vernetzte deutsch-italienische Immobilienseilschaft in der Passerstadt auch eine Frage der Gewinnmaximierung.
 
 
 
Die Entscheidung will man aber auf keinen Fall in die Hände einer grünen und durchaus kompetenten Stadträtin legen. Das ist der Hauptgrund warum SVP und die italienischen Bürgerlisten wie ein Block gegen jeden Vorschlag vonseiten des Bürgermeisters vorgehen.
SVP und Civiche haben für diese Aufgabe auch längst eine Fachfrau in Hinterhand. Beatrice Callgione, Maklerin, Partnerin des ehemaligen SVP-Bürgermeisterkandidaten Gerhard Gruber und bei den Gemeinderatswahlen auf der Liste „La Civica per Merano“ auf den fünften Platz gelandet. Man kann davon ausgehen, dass man Calligone im allerletzten Moment vor der Abstimmung am Dienstagabend im Meraner Gemeinderat noch ins Spiel bringen wird.
Sollte dieses Ass nicht stechen, wird es in Meran zu Neuwahlen kommen. Denn die Geschäftemacher wissen: Für sie sind ein Kommissar und eine Stadt im Wahlkampf allemal vorteilhafter, als eine Frau an der Spitze der Raumordnung, die weiß, was sie tut.