Eppaner Gastfreundschaft
Einmalige Rast
Während in Eppan nachweislich und im Verhältnis zu anderen Ortschaften viele Bewohnerinnen und Bewohner das hohe Alter von 80, 90 Jahren erreichten, verstarb im März 1883 – nach nur dreitägigem Krankenlager und in einem für Eppaner Verhältnisse jungen Alter von 59 Jahren – Kurortpionier und Gemeindearzt Jakob Benoni. Er hinterließ die „trauernde Witwe“ Anna von Wohlgemuth, die ein Jahr später den Weinhändler und Rößlwirtsohn Franz Mayr, den wohl wichtigsten Förderer des Tourismus in Eppan, ehelichte. Das Paar heiratete feierlich im „schönen Wallfahrtskirchlein auf der Rast“, das wenige Jahre zuvor eingeweiht worden war.
Lange war es in Eppan Tradition gewesen, einmal im Jahr eine Wallfahrt geradewegs über den Berg nach Unsere Liebe Frau im Walde zu unternehmen. Nun hatte man, inmitten der idyllischen Wiesen zwischen St. Michael und Girlan, das eigene Wallfahrtskirchlein endlich vor der Haustür. Die Pilger und Pilgerinnen kamen – mal mehr, mal weniger – und es entstand in Bezug auf den Fremdenverkehr sogar die kleine Nische des Pilgertourismus. Nach einer Umgestaltung des Kirchleins in späteren Jahren, bei der sämtliche nach Maria Rast gebrachten Votivtafeln entfernt wurden, entwickelte sich das kleine Gotteshaus – dem Vorbild von Franz und Anna folgend – zu einer gefragten Hochzeitskirche, die eine große Schar an Paaren anlockte. Apropos Locken. Nach dem Tod des für seine filzigen Dreadlocks bekannten Reggae-Heiligen Bob Marley im Jahr 1981 wurde Maria Rast – vor allem von den lokalen Jugendlichen und Insidern – gerne auch liebevoll Maria Rasta genannt. Für einen Reggae-Pilgertourismus hat die flapsige Bezeichnung bisher allerdings nicht gesorgt.
Überetscher Zeitfahrer
„Trotzdem gestern ein weiterer Regentag sicher zu erwarten war, ließen sich die wetterharten Mitglieder des Bozner Radfahrervereins nicht abhalten, das projektierte Fest durchzuführen“, lautete eine Sportmeldung Anfang Mai 1894. In der Schilderung zu einem Radrennen in Eppan mit Siegerehrung und Fest im Eppanerhof lässt sich die Streckenführung einigermaßen genau nachzeichnen: Start war am Pillhof bei Frangart, dann ging es an Schloss Warth vorbei und nach insgesamt 3 Kilometern wartete die Ziellinie am Dorfeingang von St. Michael. Schnellster dieses historischen Zeitfahrens an einem späten und regnerischen Samstagnachmittag war Carl Dallago, Sohn einer Bozner Kaufmannsfamilie – wenige Jahre, bevor er sich als freier Schriftsteller und Philosoph einen Namen machen würde. Nach exakt 11 Minuten fuhr Dallago mit der besten Zeit ins Ziel und ließ den Zweitplatzierten 20 Sekunden hinter sich. Anschließend wurde der Sieger im Eppanerhof für seine Leistung prämiert und erntete viel Applaus. Es hatte sich nämlich ein „zahlreiches Publikum eingefunden, zu dessen Unterhaltung die wohlgeschulte Paulsner Musik wesentlich beitrug“.
Über ein Jahrhundert nach Dallagos Triumph führte 2003 im Rahmen des Giro d’Italia, als die Etappe Meran – Bozen auf dem Programm stand, ein Zeitradfahren über St. Pauls und dann ebenfalls an Schloss Warth vorbei – bei weitaus glücklicheren Wetterverhältnissen. Die Strecke machte einen kleinen, eigentlich unspektakulären Umweg über das Überetscher Weindorf, der allerdings einem beliebten Radsportler zum Verhängnis wurde. Beim Anstieg nach St. Pauls riss die Fahrradkette von Marco Pantanis Rennrad, der bekannte „Pirat“ fiel um viele Sekunden zurück und konnte den durch das Malheur angewachsenen Zeitverlust nicht mehr wettmachen, auch nicht bei der rasanten Abfahrt durch die Paulsner Höhle Richtung Bozen. Wenige Monate später verstarb das Idol vieler junger Radfahrer in einem Hotelzimmer in Rimini.
Die schillernde Figur der internationalen Radgeschichte teilt aber immerhin mit dem berühmtesten Südtiroler Philosophen einige Fahrradkilometer im beschaulichen Warthtal. Sollten sich die Wege von Pantani und Dallago im Himmel siegreicher Radrennfahrer kreuzen, so kann Dallago in aller Ausführlichkeit über die Themen Glück und Unglück sowie über den Sinn des Lebens (mit und ohne Fahrrad) ohne Zeitdruck philosophieren. Und natürlich über gutes und schlechtes Wetter im Überetsch.
Esperanto im Gasthaus
In der Bozner Zeitung wurde Anfang März 1906 eine Pressemitteilung der Esperantisten-Gruppe Eppan veröffentlicht. Diese hatte sich nämlich im Gasthaus Zum Rößl getroffen, um dort ihre monatliche Sitzung abzuhalten. „Aus dem Tätigkeitsberichte heben wir hervor, dass der Sprachkurs von 25 Teilnehmern besucht wird. Täglich laufen aus allen Teilen Tirols und Vorarlbergs Anfragen und warme Anerkennungsschreiben ein, vielfach sogar schon in der neuen Esperantosprache“, berichtete der Obmann, der schottische Schriftsteller und Sprachforscher Robert Auerbach, der das nur wenige Jahre zuvor erworbene Schloss Paschbach bewohnte.
Ich habe Esperanto letztes Jahr während einer Reise nach London kennengelernt und nach meiner Rückkehr nach Eppan habe ich begonnen, mein Geschäft voranzutreiben. Die ersten Schritte waren sehr schwierig, denn die Tiroler waren sehr konservativ.
Innsbrucker Nachrichten 1. März, 1906
Esperanto hatte in diesen Jahren das Ansehen einer modernen Weltsprache und fand insbesondere in touristischen Gegenden viel Zuspruch, da sich die internationalen Gäste am Ferienort in der erdachten Plansprache verständigen konnten. Das knapp zwanzig Jahre zuvor von Ludwik Lejzer Zamenhof erfundene Esperanto war inzwischen auch für Wissenschaft und Handel immer wichtiger geworden, im kleinen Neutral-Moresnet – einem kleinen Landstrich zwischen Belgien, den Niederlanden und Deutschland –, wurde ab August 1908 für kurze Zeit sogar der unabhängige Esperantostaat Amikejo gegründet.
Durch den Einsatz des bemühten Robert Auerbach zählte die Esperantisten-Gruppe in Eppan zu den aktivsten Gruppen in Tirol und pflegte Verbindungen zu internationalen Gleichgesinnten in Berlin, Braunschweig, Breslau, Brünn, Frankfurt, Hamburg-Altona, Jena, Karlsruhe, Leipzig, Magdeburg, Stuttgart, Ulm und Wien. Auerbach brachte seinen sprachbegeisterten Gruppenmitgliedern in Eppan aber nicht nur die neue Plansprache bei, er inserierte auch in diversen Esperanto-Reisezeitungen, warb für Eppan als attraktiven Fremdenverkehrsort und brachte Informationen zu diversen Unterkünften im Überetsch in Umlauf – natürlich in Esperanto. Ungeachtet der revolutionären Sprachverbreitungspläne gab es vonseiten der Eppaner Bevölkerung gegen den Vorzeige-Esperantisten auch Beanstandungen, so wurde beispielsweise über „das ärgerliche Kostüm des Protestanten Auerbach“ gelästert, der nach einem Badetag in Montiggl „fast im Schwimmkostüm mit Frauenspersonen durchs Dorf marschiert“. Das war freilich nicht die feine englische Art. Der Traum des Schotten, mit Esperanto irgendwann Englisch als Weltsprache abzulösen, ging nicht Erfüllung. That’s life.
Un libro che consiglierò a
Un libro che consiglierò a molti amiche, amici e colleghe\i, convinto come sono che una pubblicazione come questa possa raccontare Fragmente suditirolesi molto meglio di molti presunti e immaginari storici o scrittori locali.
Buonissimo viaggio al tuo libro, Martin!