Gesellschaft | Anker

“Der einzige Mensch, der das hören mag”

Viel mehr als Freizeit teilen die Teilnehmer am Projekt “Von Mensch zu Mensch” miteinander. Es führt psychisch Erkrankte und Freiwillige zusammen – und sucht Verstärkung.
Begleitung
Foto: Mojor Zhu on Unsplash

Mit P. waren von Beginn an Gespräche über Gespräche möglich und dabei ist es bis heute geblieben. Es hat eine Zeit gegeben, wo wir uns jede Woche sehen konnten. Wir haben uns meist in einem Wald mit vielen Bänken getroffen und sind immer in Gespräche vertieft, von Bank zu Bank spaziert, bis wir wieder auf dem Heimweg gelandet sind. Unser gemeinsames Programm ist vielfältig und bunt und lebendig und für mich sehr, sehr hilfreich…

Der richtige Name tut nichts zur Sache. Nennen wir die Person, die hier ezählt, Anna. Anna hat eine psychische Erkrankung. In der Gesellschaft findet sie oft keinen Platz, da das Thema der psychischen Gesundheit als Tabuthema empfunden und gelebt wird. Doch mit P. hat Anna einen Anker. Die beiden haben über das Projekt “Von Mensch zu Mensch” zusammengefunden. Seit 2017 gibt es dieses Unterstützungsangebot des Verbands Ariadne, der Familien mit psychiatrischer Lebenserfahrung in Südtirol vereint. “Von Mensch zu Mensch” ermöglicht es betroffenen Personen, mithilfe eines Freiwilligen, der sie in der Freizeit begleitet, ein soziales Miteinander zu erfahren.

Wir haben Gespräche über meine Krankheit eingebaut, ebenso wie über mein Leben davor, wir haben Fragen angeschaut, wir haben gemeinsam geeignete Bücher für eine für mich doch wichtige Ernährungsumstellung gesammelt und besprochen, wir haben im Wald mit Farben Bilder und sogar ein Bilderbuch gemalt, wir haben an Regentagen Kaffee miteinander getrunken, wir haben Lebenspläne für mich entworfen, wir haben manch schwierigen Alltag zu gliedern versucht, wir haben miteinander gefeiert im Wald und mit Luftballons. Am meisten jedoch mag ich unsere Gespräche über was mir wichtig ist, weil P. ist der einzige Mensch, der das anhören mag und damit es in mir wachsen kann, braucht es ein Gegenüber in der Welt außen.

“Das Projekt ermöglicht soziale Kontakte und stärkt betroffene Personen, da diese Kontakte außerhalb jeglichen Zwangskontext erfolgen”, erklärt Koordinatorin Elisa Erlacher.

Meine sozialen Kontakte haben durch das Dasein von P. andere Formen angenommen, Formen, wie z. B. mit viel Freude mit Menschen in der Welt zusammen zu sein, wo nicht meine Erkrankung im Vordergrund und entscheidend ist, sondern einfach unsere Begegnungen.

Mittlerweile zählt das Projekt 20 Freiwillige. “Aber da die Nachfrage nach Betreuungen stetig steigt, wird in Kürze ein neuer Lehrgang für Freiwillige stattfinden”, kündigt Erlacher an. Die Freiwilligen werden in einem themenspezifischen Lehrgang auf ihre Tätigkeit vorbereitet, erhalten eine Rückerstattung der während der Begleitung entstandenen Kosten sowie kontinuierliche Weiterbildungsangebote “und das wohl wichtigste: viel Dankbarkeit”, so Erlacher.

Die Freizeitbegleitung hat mir ermöglicht, von einer Patientin wieder zurück zu einem Menschen in der Gesellschaft zu wachsen, zu einem Menschen, der gehört wird, und gesehen und unterstützt wird. Zu einem Menschen, wo das Wissen um meine Erkrankung nicht zu einem Beziehungsabbruch geführt hat.
Dass ich spreche und frage, hat ebenso Platz, wie dass ich zuhöre und erzähle, erkläre und zusammenfasse, male und spazieren gehe und das ermöglicht mir, nicht wieder einsam in meiner Wohnung zu verstummen…
Gleichzeitig hat die Freizeitbegleitung in meinem Leben, mich und meine Familienangehörigen entlastet und mir Begegnungen geschenkt, die nähren und in denen ich wachsen kann, solange es meiner Familie ganz wenig möglich ist.
Die Freizeitbegleitung ermöglicht mir zu trainieren und Sicherheit zu entwickeln im Umgang mit Menschen außerhalb und im Umgang mit mir selbst, trotz meiner Erkrankung.