Wirtschaft | Kommentar

Unsere Hühner sind nachhaltig

Nachdenken im Auto über das solare Zeitalter. Ich war bei den Toblacher Gesprächen - die Gedanken kreisen. Wo stehen wir? Wo stehe ich?

Nachhaltig leben ist ganz schön anstrengend. Denk ich mir, als ich vom Eröffnungsvortrag der Toblacher Gespräche nach Hause fahr. Mit dem Auto, da ich den Zug verpasst habe.

Stephan Kohler, Präsident der Deutschen Energieagentur, hat es gut ausgedrückt: „Das solare Zeitalter beginnt bei den Menschen.“ Bei uns allen eben, bei mir selbst, im Kleinen. Nachhaltigkeit hinterlässt manchmal ein schlechtes Gewissen - finde ich. Nicht ausreichend zu tun, sich nicht genügend informiert zu haben, zu wenig nachgedacht und langsam gehandelt zu haben. Hätte ich mich besser organisiert, wäre ich mit dem Zug gefahren, hätte ich nicht in letzter Minute...na ja. Solche Gedanken eben.

Lokal handeln, global denken
„Das Solare Zeitalter steht für langsamer, weniger, besser, schöner. Das sind die vier Leitbegriffe“, sagt Kohler und er fügt hinzu: „Ihr lebt hier in den schönen Südtiroler Bergen, aber weltweit gilt leider immer noch schneller, mehr, schlechter, hässlicher.“ China und Japan steigen nicht aus der Atomkraft aus, radioaktiver Müll lagert in der Antarktis, der Aral See ist ausgetrocknet, Gletscher schrumpfen, der Amazonas wird weiter abgeholzt, und wir Europäer leben auf großem ökologischen Fuß  - auf  Kosten anderer.

Hobelspäne und Hühner
Manchmal gelingt sie, die Nachhaltigkeit. Unser Haus, das wir vor einem knappen Jahr bezogen haben, haben wir mit einem Gemisch aus Hobelspänen und Kalk gedämmt. Ein Experiment mit Risiko, Erfahrungswerte gibt es noch so gut wie keine. Wird es funktionieren? Intelligente Geräte, die energieeffizient im Haus arbeiten, und die Kohler in seinem Vortrag erwähnt, haben wir nicht. Dafür scharren seit drei Jahren Hühner im Garten. Jeden Tag ein frisches Ei, die Essensreste werden wiederverwertet. Apfelbäumchen wachsen im Garten, geerntet wurden im Sommer Tomaten und Gurken. Selbermachen im Kleinen - so gut es geht. Es könnte doch noch besser gehen, oder?

Spendere meno, spendere meglio
„Effizienz allein reicht nicht aus, es muss eine Suffizienz geben. Wir können nicht so weiterleben wie bisher.“ Kohler hat recht, wir können energieeffizient bauen, wir können biologische Lebensmittel einkaufen (mit der Frage im Hinterkopf, wie fair die wirklich sind), doch wir müssen reduzieren. Was brauchen wir wirklich? Wie viel Energie brauchen wir? Was ist überflüssig?
Wir wollen keinen Strommast vor dem Haus, wir wollen nicht überflogen werden von Seilbahnen, wir wollen bequem und schön weiterleben. „Aber über die Umweltkatastrophen in Afrika und Südamerika regen wir uns auf“, sagt Kohler. Wir wollen nicht, dass die Meere überfischt werden, aber was sind wir bereit  in unserem Leben wirklich zu verändern?

Wer weiß was und gibt es weiter?
„Ich komme ja aus Berlin“, erzählt Kohler, „und was auf der TU Berlin gelehrt wird und was auf die Ingenieure da draußen zukommt, das ist eine enorme Diskrepanz. Wir brauchen Innovation, wir brauchen Systemwissen. Es reicht nicht, dass die Bundesrepublik Deutschland 20 Milliarden Euro für regenerative Stromgewinnung ausgibt. Und die Co2 Ausstöße trotzdem steigen.“ Was wird unseren Kindern gelehrt in den Schulen, Fachschulen, Universitäten? Sind sie vorbereitet auf das, was kommt? Wissen und Handeln - es muss irgendwann zusammengehen - bislang wissen wir, handeln aber nicht.
73% der CO2 Reduktion kommt aus der Energieeffizienz, rechnet Kohler vor. „Bislang haben wir in Deutschland versäumt, dieses Wissen den Menschen zu vermitteln. 18 Millionen Gebäudebesitzer müssen überzeugt werden, ihre Häuser intelligent zu sanieren. Es geht nicht darum einen riesigen Windpark in Schleswig Holstein hochzuziehen, um den Strom dann zu exportieren. Es geht um Energieeinsparung. Das ist wirklich wichtig, wenn wir vom solaren Zeitalter sprechen.“

Viel - viel zu viel
Ja, ich gestehe, den Fummel vom H&M kaufe ich auch, doch ist die hochpreisige Jeans von Gee-Star nachhaltiger? Leider nicht. Kindersachen sind bei uns zu Hause fast ausschließlich weitergereichte Stücke, nicht mehr verwendete Spielsachen gebe ich weiter. Ja, ich versuche den Konsum herunterzufahren, es auch den Kindern klar zu machen. Dass weniger mehr ist. Und trotzdem: Es ist immer noch viel zu viel. Aber unsere Hühner stimmen mich zuversichtlich. Jeden Tag ein Ei. Mehr geht eben nicht.

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Nord licht -r Sa., 04.10.2014 - 17:55

schöne gedanken...ich denke g-star betreibt mit ihrem testimonial Pharrell Williams schon wichtige bewusstseinsbildung (http://www.artsymagazine.com/pharrell-williams-g-stars-raw-for-the-ocea…)
bei h&m gibts neuerdings recycling boxen, aus altem fummel neuen fummel. Inwieweit das nun werbegags und reinwaschereien des dreckigen stecken sind, weiß ich nicht. weniger ist sicher mehr. was brauch ich die nespresso maschine und wozu den apfelspaltenschneider?

ich finde für zukünftige forschung und konsum das cradle to cradle prinzip interessant ( z.b. http://www.cradletocradle.at)
in diesem sinne: vielleicht wird die selbstwachsende kleidung ja irgendwann mal wirklichkeit!
(https://www.ted.com/talks/suzanne_lee_grow_your_own_clothes)

Sa., 04.10.2014 - 17:55 Permalink