Wirtschaft | Steuerhinterziehung

Priorität bleibt die Steuergerechtigkeit

Natürlich kann niemand genau sagen wie hoch die Steuerhinterziehung in Italien ist. Man spricht von fast 8% des BIP, also zwischen 110 und 130 Milliarden an Euro.
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35 davon betreffen die Mehrwertsteuer. Es handelt sich um ein Problem das die Politik bisher nicht in den Griff bekommen hat, obwohl fast jede Regierung ihre eigene Strategie entwickelt hat, um das geschuldete Geld einzutreiben. Es waren aber meist nur kurzfristige Maßnahmen ohne strategischen Hintergrund. Gleichzeitig zu den Aktionen zur Bekämpfung der Steuerflucht gewährte man oftmals gleichzeitig auch großzügige Steueramnestien, was meist den Schlauen zugutekam und sich nebenbei negativ auf die Steuermoral ausgewirkt hat. Dies war auch die Strategie der Regierung Conte 1, die stark auf die sogenannten „condoni“ gesetzt hat. Anderseits betonen wirtschaftsliberale Kräfte, dass eine konsistente Steuerreduzierung ein Anreiz zu mehr Ehrlichkeit wäre. Durch einen Schub für die Wirtschaft könnte man sich zudem mehr Einkommensgerechtigkeit erwarten. Die Beweise allerdings fehlen bisher. In der Wirklichkeit sind derlei Ergebnisse ausgeblieben und die ersparten Steuern kamen meist den Besserbetuchten zugute. Tatsache hingegen ist, dass die Ungleichheiten zwischen arm und reich in Ländern wie den USA explodiert sind. Dies war auch einer der Kritikpunkte bei der vieldiskutierten Flat Tax, die seit Jahren in Italien herumgeistert.

Die Regierung Conte 2 hingegen setzt nun auf die Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Dabei dreht sich die politische Diskussion auch um das Thema Bargeld. Der politische Wille den Bargeldverkehr durch elektronische Zahlungen soweit als möglich zu ersetzen, stößt allerdings nicht nur im Parlament auf Widerstand, sondern auch in der öffentlichen Meinung, obwohl man weniger durch Zwang als vielmehr durch Anreize punkten will, was die Sache noch unverständlicher macht. Dabei stimmt es, dass die Nutzung elektronischer Zahlungen in Italien viel geringer ist als in anderen Ländern. Es handelt es sich nicht nur um ein mentales und kulturelles Problem, sondern ist auch ein Zeichen, dass Italien bei der Digitalisierung der Wirtschaft hinterherhinkt und dass das Vertrauen der Bürger in diese Zahlungsmittel nicht immer gegeben ist. Bancomat und Kreditkarten gibt es in Italien in großer Anzahl, trotzdem ist deren Benützung unterdurchschnittlich. Auch werden Argumente angeführt, die in anderen Ländern kaum ins Gewicht fallen. Die Regierung tut daher gut daran das geringe Vertrauen in diese Zahlungsmittel zu verbessern und besonders die Frage der Kosten in den nächsten Monaten zu lösen. Dies würde auch den Kleinunternehmen, die von hohen Kosten sprechen, viel Wind aus den Segeln nehmen.

Natürlich besteht ein Zusammenhang zwischen der Steuerhinterziehung und der Verwendung von Bargeld, und die von der Renzi-Regierung beschlossene Anhebung der Schwelle für Bargeldzahlungen, von 1.000 auf 3.000 Euro, war ein falsches Zeichen.
Dies löst aber nicht die Kontroverse unter Fachleuten, ob nun für die Bekämpfung der Hinterziehung die Begrenzung des Bargeldes besonders wirksam ist. Zweifelsfrei erschwert sie die Geldwäsche und die Korruption, was an und für sich bereits ein positives Ergebnis wäre. Bei der Steuerflucht kann diese Maßnahme hingegen leicht umgangen werden. Durch einen Rabatt seitens der Verkäufer, der höher ist als die Steuererleichterung, wären die Verbraucher weiterhin ermutigt in bar zu bezahlen. Auch erfolgt der überwiegende Teil der Hinterziehung vor allem durch die Manipulation von Konten und Bilanzen und nicht durch den Endverbraucher.

Vincenzo Visco, ex Finanzminister und in diesem Bereich ein ausgewiesener Experte, meint sogar, dass es grundsätzlich eine Wirtschaft ohne Bargeld geben könnte in der man die Steuern weiterhin hinterziehen kann. Seiner Meinung nach liegt die Lösung in der Rückverfolgbarkeit von Zahlungen und den wirtschaftlichen Aktivitäten. Daher sollten die elektronischen Rechnungen verstärkt auf alle Steuerzahler ausgedehnt werden, einschließlich jener mit einer Pauschalbesteuerung, gepaart mit der Einführung angemessener Sanktionen für diejenigen, die keine Rechnungen senden. Bei Unstimmigkeiten zwischen den erhaltenen und den übermittelten Informationen sollte eine automatische Überprüfung erfolgen.

Anscheinend will die neue Regierung versuchen langsam diesen Weg zu gehen, besonders bei den angedrohten Strafen. Als Gewerkschaft fordern wir zusätzlich eine eigene Struktur, die sich nur mit Steuerhinterziehung und Datenanalyse befasst. Hier könnten dann alle Daten zusammenfließen um mit elektronischen Mitteln die schwarzen Schafe herauszufiltern. Daten gibt es bereits heute in großer Anzahl, deren Verwendung scheitert aber oftmals an den Regeln zum Schutz der Privatsphäre, die zwar wichtig ist, aber nicht um unredlichen Machenschaften zu decken.

Eine Überarbeitung des Steuerrechts ist ebenfalls unumgänglich. Die Komplexität führt zu mangelnder Rechtssicherheit und eröffnet immer neuer Möglichkeiten für gewiefte Steuerzahler die Normen zu umgehen. Auch fehlen zumeist angemessenes Sanktionen für die Steuersünder. Eine Strafverfolgung für bestimmte Steuervergehen ist sicherlich gerechtfertigt, es braucht aber auch die Gewissheit, dass man die Strafe auch effektiv absitzen muss, wie es z.B. in Deutschland der Fall ist. Nicht zuletzt wäre ein Interessenskonflikt zwischen Dienstleister und Kunden mit der Möglichkeit für Steuerabzüge bei bestimmten Leistungen eine gute Gelegenheit die Familien zu motivieren, auf die Ausstellung einer Rechnung zu pochen. Man würde anfangs vielleicht teilweise weniger Steuern kassieren, längerfristig würde sich die Rechnung aber lohnen.

Natürlich muss man in Zukunft auch die großen globalen Unternehmen zur Kasse bitten. Google und c/o praktizieren seit jeher die legale Steuerflucht, die aufgrund der unterschiedlichen Steuergesetzgebung möglich ist, was weltweit ein großes Thema ist  und das nur zögerlich in den Focus vieler Staaten gelangt ist. So wie letzthin in verschiedenen Kreisen diskutiert wird, darf dies aber kein Grund sein, um nicht die bereits herrschende Steuerflucht zu bekämpfen. Natürlich ist die Gewerkschaft mit einer Webtax voll einverstanden! Abschließend sollte besonders die Steuergerechtigkeit in den Vordergrund stehen. Heute lastet auf ArbeitnehmerInnen und RentnerInnen eine untragbare Steuerlast, nicht zuletzt, weil immer weniger Steuerzahler für die Staatseinnahmen aufkommen müssen. Das Ziel alle zur Kasse zu bitten, um hier einen gerechten Ausgleich zu erzielen ist nicht nur ein wirtschaftliches Problem - Steuerflucht verzerrt die Konkurrenz gegenüber den korrekten Unternehmen -  sondern auch eine Frage der Einkommensgerechtigkeit.

Alfred Ebner