Kultur | Umgang mit Krisen

System- und nicht-so-relevant?

Wie gehen wir mit Krisen um? Betroffene – systemrelevant und nicht – erörtern im UFO Social Forum ihre persönlichen Erfahrungen seit Beginn der Covid-19-Krise.
Krisenbewältigung
Foto: (c)Pixabay | Justin Martin

Mitte der Woche lud das UFO Social Forum zu einer Diskussion zur Frage “Wie gehen wir mit Krisen um?”. In der von Markus Lobis moderierten Diskussion rund um Covid-19 erzählen Betroffene über ihre Erfahrungen.

So spricht die Pflegedienstleiterin der Wohn- und Pflegeheime im mittleren Pustertal, Elisabeth Gruber, von den traumatischen Situationen für Angehörige, die hinter verschlossenen Türen auf den Tod ihrer Lieben warteten. Joe Morandell erzählt von seiner eigenen Corona-Erkrankung, die er nach wochenlangem Ringen – wohl auch dank des beim Tauchen erworbenen Atemtrainings – glücklich überstanden hat. Die Intensivmedizinerin Elisabeth Gruber warnt davor, dass eine vorschnelle Einteilung in Risikopatienten und Nicht-Risikopatienten oft gar nicht möglich ist. Und die Kindergärtnerin und Gewerkschafterin Cornelia Brugger spricht über das Wegbrechen von Erziehungspartnern, durch die Schließung von Kindergärten, Schulen und den Türen der Großeltern. Der Beitrag von Andreas Conca, Primar für Jugendpsychiatrie, gibt Grund zu Sorge und sozialem Engagement: Die Pubertät dauert durchschnittlich vier bis fünf Jahre; laut diesem Rahmen verlieren Jugendliche gerade 20 Prozent von der Zeit, in der sie ihre Sexualität, ihre Neugierde und eigenen Interessen entwickeln. Conca spricht von “psychologischer Kastration”, der wir durch die Schaffung von Räumen – nicht durch Inhalte – für einen Austausch zwischen Gleichaltrigen gegensteuern müssen. 

Die Frage, die den Grund für das gewählte Format erläutern sollte, fiel dem Schauspieler Peter Schorn zu. Was denn Schorn, als Schauspieler über die Einteilung in systemrelevante und nicht-systemrelevante Berufe denke? Die Antwort des Schauspielers ist bemerkenswert: 

Der Begriff der Systemrelevanz sei, so Schorn, im Notfall vollkommen nachvollziehbar und auch sinnvoll. Was jedoch infrage gestellt werden müsse, sei das Zeitfenster einer solchen Kategorisierung. Hier zieht Schorn einen Vergleich zwischen der Gesellschaft und dem Heranwachsen eines Säuglings: Kurzfristig brauche ein Säugling vielleicht vor allem Flüssigkeit, Wärme, Nahrung. Langfristig sei aber ein soziales Umfeld für die Entwicklung des Säuglings unumgänglich. Mit der Gesellschaft sei es ähnlich: Kurzfristig könne man auf Kultur verzichten, langfristig aber sei sie essenziell; essenziell dafür, einen Braindrain zu verhindern und ein kreatives und begehrtes Umfeld zu gewährleisten. Kultur werde in Südtirol falsch eingeschätzt: Es geht nicht nur um Überlebenskünstler und Theater. Architektur, Design, Softwaredevelopment, Pädagogik, all dies und noch weitaus mehr gehöre auch zum riesigen Wirtschaftszweig der Kreativ- und Kulturschaffenden dazu. Auf diesem Gedanken aufbauend, rutscht die oben genannte Kategorisierung – systemrelevant und nicht – über einen längeren Zeitraum unumgänglich ins Sinnlose. Beide Kategorien werden schlicht und einfach zu Betroffenen.