Gesellschaft | Gesundheit: Interview

Seine dritte Chance

Kilian Bedin ist Nierenpatient. Nach fünfeinhalb Jahren Dialyse wurde ihm vorige Woche eine Spenderniere transplantiert.

Für viele Menschen bedeutet eine Transplantation von Organen die letzte Chance. In Südtirol warten zur Zeit etwa 40 bis 45 Menschen auf ein geeignetes Spenderorgan. Die Wartezeit beträgt in der Regel etwa vier Jahre. Eine lange Zeit voller Ängste, Schmerzen und Hoffnungen für die Patienten und Patientinnen. Für Kilian Bedin ging diese Zeit nun nach fünfeinhalb Jahren zu Ende. Vergangenen Montag erhielt der zweifache Familienvater und frisch gewählte Präsident der Südtiroler A.I.D.O. (Associazione Italiana per la Donazione di Organi), schon zum zweiten Mal eine Spenderniere. Bereits im Oktober 2002 musste sich Bedin zum ersten Mal dieser lebenswichtigen Operation unterziehen. Damals meldete sich, bereits nach kurzer Zeit, seine Mutter für eine Lebendspende. Der sportliche Familienvater konnte daraufhin fast vollkommen in den normalen Alltag zurückkehren. Nach nur acht Jahren allerdings erneut die ernüchternde Diagnose: Auch die Niere seine Mutter arbeitet nicht mehr gut. Zur Blutreinigung musste Kilian wieder zur Dialyse. Weitere Jahre voller Bangen und Hoffen vergingen, bis Kilian Benin vorigen Sonntag den erlösenden Anruf erhielt. Während dieser Zeit schriebt der Nierenpatient sein Buch „Meine dritte Chance“, in dem er seine Geschichte mit all den Ängsten und Schmerzen, aber auch Hoffnungen und Glücksmomenten erzählt, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Es erschien im Jahr 2015.

Salto.bz hat mit dem Familienvater knapp eine Woche nach der Operation über seine Vergangenheit und Zukunft sowie seinen Wünschen und Ängsten gesprochen:

Herr Bedin, Sie haben am vergangen Montag zum zweiten Mal eine neue Niere transplantiert bekommen. Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie nach der OP aufgewacht sind und wie geht es Ihnen knapp eine Woche danach?
Kilian Bedin: „Die ersten Gedanken waren ob denn alles gut gegangen ist. Natürlich waren sie auch von Dankbarkeit geprägt. Jetzt nach einer Woche geht es mir jeden Tag besser und es läuft derzeit alles nach Plan.“

Ihre inneren Gedanken haben Sie auch vor einem Jahr in ihrem Buch „Meine dritte Chance“ veröffentlicht. Was hat Sie dazu bewegt Ihre Geschichte zu erzählen?
„Ich hatte das Gefühl, dass das Thema Organspende, in der Bevölkerung und deren Gesprächen nicht so präsent ist. Mein Ziel war das Thema salonfähiger zu machen. Die Leute zu informieren und zu sensibilisieren. In der Zwischenzeit hat sich zum Glück einiges getan.“

Zum Beispiel?
„Durch die Informationskampagnen des Sanitätsassessorates, die freiwillige Arbeit von AIDO und durch bessere Angebote für Abgabe der Willenserklärung (Gemeinden)ist das Thema nun häufiger präsent. Doch potentielle Spender braucht es immer, daher gilt es weiterzumachen.“

Hat Ihnen das Niederschreiben ihrer persönlichen Geschichte, in irgendeiner Weise auch selbst Mut gegeben beziehungsweise Ihnen geholfen, die Wartezeit auf ein neues Spenderorgan zu überstehen?
„Das Niederschreiben war für mich auch eine Art der Aufarbeitung meines Lebens. Die Wartezeit überbrückte ich indem ich versucht habe, trotz Einschränkung, soweit wie möglich ein normales Leben zu führen. Ich wusste früher oder später kommt der Anruf.“

Wie reagierten Sie nach über fünf Jahren Wartezeit auf den Anruf?
„Ich war mit Freunden auf der Geburtstagsfeier meiner kleinen Tochter. Überraschenderweise war ich sehr gefasst, habe den Anweisungen des Arztes zugehört und dann ging es Richtung Innsbruck.“

Ihre erste Spenderniere erhielten Sie von Ihrer Mutter, die zweite von einer Ihnen fremden Person. Machte dies für Sie einen Unterschied aus?
„Natürlich ist die Verbindung mit der Mutter familienbedingt eine andere, aber die Dankbarkeit, die schwer in Worten zu fassen ist, ist identisch. In beiden Fällen handelt es sich um ein Akt der Nächstenliebe und Großzügigkeit und ermöglichte mir ein neues Leben.“

In Ihrer Geschichte, erzählen Sie den Verlauf Ihrer Krankheit von Anfang an. Welche direkten Auswirkungen hatte die Krankheit und die damit einhergehende Dialyse auf ihr alltägliches Leben?
„Dialyse bedeutet drei mal wöchentlich vier Stunden an der Maschine zur Blutreinigung zu hängen. Der Körper wird geschwächt. Zeitlich bestand mein Jahr in der Summe aus nur elf Monaten. Ein Urlaub war nicht unmöglich, musste aber schon weit im Voraus geplant werden, da ich alle Termine mit der Dialysestation am Ferienort abgleichen musste. Auch das Familienleben wurde durch die Dialyse belastet, da ich oft einfach nicht da war. Aber mit der Unterstützung von meiner Frau, meiner Familie und meinen Freunden ging es einigermaßen.“

Hatten Sie zu Beginn Angst Ihnen davon zu erzählen? Wie reagierten Freunde, Arbeitskollegen und Familie auf Ihre Krankheit?
„Eigentlich habe ich aus meiner Krankheit nie einen Hehl gemacht. Ich habe immer reines Wasser eingeschenkt. Das hat sicherlich dazu beigetragen, dass ich und meine Familie ein "fast normales“ Leben führen konnten.“

In Ihrem Buch beschreiben Sie sich als einen sehr sportbegeisterten Menschen. Welche körperlichen Einschränkungen gingen mit der Krankheit und der Dialyse einher?
„Es fehlt vor allem die Kraft und die Ausdauer, doch auch während der Zeit in der ich zur Dialyse musste, habe ich immer versucht fit zu bleiben. Das war sowohl für den Körper als auch für den Geist immens wichtig.“

Stichwort „Geist“: hat sich Ihre Haltung zum Leben im Verlauf der Krankheit verändert? Gab es irgendwelche Tiefpunkte oder Momente der Freude, welche Ihnen im Gedächtnis geblieben sind?
„Das gesamte Leben ist eine Freude. Die Haltung hat sich sicherlich geändert. Man lebt bewusster und genießt jeden auch noch so kleinen Moment. Außerdem muss man lernen Prioritäten zu setzen, alles geht nicht. Highlights waren sicher die Geburten meiner beiden Töchter während der ersten Niere meiner Mamma. Tiefschläge und Rückschläge gibt es immer wieder. Aber die gilt es wegzustecken. Weiter gehts!“

Wenn Sie heute in die Zukunft sehen: Was glauben Sie – wie wird es weitergehen mit Ihnen und ihrer Krankheit? Welche Aufgaben und Herausforderungen sehen Sie auf sich zukommen?
„Ich werde nicht nicht viel ändern. Was die Krankheit betrifft, wird man sehen wie sich die Geschichte entwickelt. Natürlich hoffe ich, dass die Niere so lange wie möglich gut in mir funktioniert, leider kann man das nie so genau sagen. Meine Aufgabe und Herausforderung wird jetzt sein, meinen Lebensstil in Einklang mit dem Schutz der neue Niere und des neuen Lebens zu bringen.“

Was ist für Sie nun das Wichtigste?
„Unterstreichen möchte ich nochmals meine immense Dankbarkeit gegenüber der Spenderin/ dem Spender für das neue Leben und all jenen, die diesen Akt der Nächstenliebe und Großzügigkeit machen. Natürlich gilt ein großes Dankeschön auch meiner Frau, den Kindern, dem Rest der Familie und all meinen Freunden für die Unterstützung in den letzten Jahren, Tagen und auch schon in Bezug auf die Zukunft. Gesellschaftspolitisch ist mir wichtig, dass über das Thema Organspende in der Familie gesprochen wird, dass sich die Bürger informieren, eventuelle Zweifel ausräumen und sich dann für ein 'Ja' oder 'Nein' zur Organspende entscheiden. Man nimmt seinen Angehörigen damit die Verantwortung einer Entscheidung, wenn etwas passieren sollte. Was gibt es Nachhaltigeres als die Organspende? Eine Organspende schenkt Leben!“

 

Kilian Bedin wurde am 28. Oktober 1969 geboren, lebt in Bozen, verheiratet, Vater von zwei Kindern, seit Mai 2016 Präsident der Südtiroler A.I.D.O.

Sein Buch finden Sie unter dem Titel "Meine dritte Chance. Warten auf ein Spenderorgan", erschienen 2015 im Athesia Verlag, Preis 14,9 €.