Kultur | Salto Afternoon

Elefantengang

Eigentlich wollte ich sehen wie ein Elefant durch Bozen spaziert, sah ihn aber fast nicht. Stattdessen habe ich ihm Beine gemacht und hatte eine ganz eigene Perspektive.
FLUX Lungomare
Foto: Lungomare

Rund drei Kilometer sind es von der Galerie Lungomare über die Talferwiesen, vorbei am Bozner Gefängnis und schließlich über die Loretobrücke, wo unweit vom Park der Religionen das Soundfestival für den Elefanten stattfand. Für diese Strecke brauchte der Elefant am Freitagabend in vier große Teile und die Ohren geteilt - sein Rüssel reiste separat an - fast zwei Stunden. Die Aktion war Teil des Flux-Projekts, welches sich mit den Bozner Flusssystemen befasst, näheres zum Projekt lesen Sie hier.

Zugegeben, ein echter Elefant, wie Soliman einer war, hätte die Strecke schneller geschafft, hätte aber auch noch keine Talferwiesen vorgefunden und generell ein gänzlich anderes Fluss- und Stadtbild. Was sich da die Talfer flussabwärts auf den Weg machte, war jedoch eine Gruppe von Freiwilligen im Gänsemarsch – Pardon: im Elefantengang - mit großen, geometrischen Formen aus leichtem Stoff und Holz.

Da es jeder Hand bedurfte und ich zudem neugierig war, ließ ich mich dazu breitschlagen, den Elefanten mit auf den Weg zu bringen. Anders als für die Freiwilligen vom Kollektiv Ultralto, welche für zwei Wochen den Körper gestaltet hatten, war der Elefant für mich anfänglich kein Elefant. Auch die Erklärung von Projekt-Ideatorin Amy Franceschini der Elefant sei „eine Einladung sich einen neuen Weg durch Raum und Zeit vorzustellen“, ließ im ersten Moment eher an nichteuklidische Geometrie denken als an einen grauen Dickhäuter. Dieser war zu Beginn eine Ansammlung zu groß geratener Teile, welche es irgendwie durch den Rafensteinerweg, dann über die Kreuzung bei der St. Antonbrücke (vorbei an ungläubigen Autofahrer:innen) und weiter auf die Talferufer-Promenade auf Grieser Seite zu transportieren galt. Die Dimensionen der Bauteile waren dabei - wie ich am Ziel erfahren sollte - abgestimmt auf die schmalsten Engstellen der Route, wo es zu kippen oder möglichst tief zu tragen galt. 

 

Festival for the Elephant, Procession
Festival for the Elephant, Procession: Das Hinterteil des Elefanten hatte durch seine, in Marschrichtung an eine Strandmuschel erinnernde Form, am meisten mit dem Wind zu kämpfen. Ich trug ein Teil weiter vorne den Bauch des Elefanten mit. | Foto: Elisa Capellari

 

Dem gelb gekleideten Ultralto Team - Futurefarmerin Amy Franceschini erklärte mir später auf Nachfrage, dass die Symbolfarbe für die Sonne als Symbol für selbstloses Geben stehe - war es, nach Überwindung der ersten Engstellen nach Späßen zumute. Es wurde gelacht und getrötet, die Stimmung war gut, als man sich gemeinsam erstmals Seitenwind zu stellen hatte. Da man im Grunde genommen Segel den Fluss hinab trug, waren Wind und finstere Wolken am Horizont durchaus Sorgenfaktoren. 

Sehr bald dachte man aber, auch wenn sich die Arme auf der Höhe des Festplatzes an der Talfer, wo der Fluss überquert wurde, so langsam bemerkbar machten, auch daran nicht mehr. Bei der eigenen Tätigkeit hatte man mehr und mehr Publikum und während man hauptsächlich darauf achtete, nirgends auf der Wiese in ein Loch oder Hundekot zu treten, so bekam man doch die Reaktionen von Passant:innen mit. Die Talferwiesen sind, besonders von der Talferbrücke abwärts ein multikultureller Raum, den viele neue Bozner Mitbürger:innen nutzen. Beim Tragen bemerkte man immer wieder neue und alte Bozner Mitbürger, die lächelten oder winkten. Ein, zwei Kinder begleiteten den Elefanten ein Wegstück mitlaufend und lediglich einige Hunde fühlten sich durch das „Tier“ bedroht. 

Unerwartet auch der Applaus, den die Prozession aus den Fenstern des Bozner Gefängnisses erhielt. Man hielt einen Moment inne und winkte zurück. Beim Gehen verstand ich, dass die auf den ersten Moment sinnfreie Tätigkeit Material, das für Außenstehende wahrscheinlich nicht als Elefant zu erkennen war, von A nach B zu tragen, statt dieses anders zu transportieren, sehr wohl einen Sinn entwickelte: Man baute dabei in irgendeiner Weise Vorurteile ab. 

 

Festival for the Elephant, Procession
Festival for the Elephant, Procession: Der Elefant auf der Zielgeraden, beim Überschreiten der Loretobrücke. Einmal über den Fluss waren die vier Abschnitte des Körpers weniger „loosy-goosy“ und wurden „more of an elephant“, um es in den Worten von Amy Franceschini zu sagen, welche den Elefant am Rad begleitete. | Foto: Elisa Capellari

 

Weiter ging es zur schwierigsten Engstelle unterhalb der Drususbrücke, von wo eine Rampe zum Zusammenfluss der Talfer mit dem Eisack führt. An dieser Stelle beschleunigte das Soundfestival, das von der anderen Seite des Flusses herüberklang, noch einmal den gemeinsamen Schritt.

Auch wenn auf der für den Verkehr gesperrten Loretobrücke der Wind noch einmal mit aller Kraft am Elefanten zerrte, so war er nicht mehr zu stoppen: Er, und damit wir, waren am Ziel.

Am ersten von drei Soundfestival-Abenden gab es dort Bier und Samosas, welche nach verrichteter körperlicher Arbeit besonders gut schmeckten. Auch wurde am Fluss gejammt und Menschen von außerhalb spielten gemeinsam mit gelbgekleideten Ultraltos auf Metallrohren, sowie Treibholz und Steinen mit Kontaktmikrophonen. Der Elefant, der seine vereinenden Qualitäten unter Beweis gestellt hatte, machte vorerst einmal nichts. Vielleicht hatte ihn der Weg auch etwas ermüdet.

 

Festival for the Elephant, Procession
Festival for the Elephant, Procession: ​​​​​​​Am Eisackufer ruhte sich der müde Elefant größtenteils unbeschadet und rasch repariert aus. Im weiteren Verlauf des Festivals sollten ihn Guillermo Galindo und Ellis Blauw mit Klangkunst wecken. | Foto: Elisa Capellari