Wie klingt Jazz 2023?
Es ist ein kleines Gedankenexperiment, auf das wir uns heute einlassen möchten. Zuvor aber eine kleine „Aufgabe“: Wenn der Begriff Jazz fällt, welche vier Instrumente fallen euch ein? Und: Welche Instrumente würde eine vierköpfige Jazzband 2023 spielen?
Das „Jazz Festival Südtirol“ wirbelt grad durch Südtirol. Das gesamte Programm sieht 49 Konzerte von 55 unterschiedlichen Acts vor. Die Veranstalter des Festivals haben sich vorgenommen, junge, neue Musik aus Europa in die Berge zu holen, Musik, die im Moment entsteht, Musik, bei der die Improvisation im Mittelpunkt steht.
Wir haben uns die Liste der Bands und MusikerInnen genauer angesehen, weil wir eine Frage hatten, eine Theorie: Wie klingt der europäische Jazz 2023? Würde man das aus den Instrumenten herauslesen können, die beim diesjährigen Jazzfestival zum Einsatz kommen?
Nun denn: Es sind insgesamt 113 Musikerinnen und Musiker, die heuer das Jazzfestival bespielen. Einige dieser MusikerInnen spielen mit unterschiedlichen Formationen und Projekten und etliche davon spielen mehrere Instrumente.
Wir haben die zum Einsatz kommenden Instrumente gebündelt und gezählt: Wenn wir also eine Jazzband zusammenstellen würden, und dabei die am öftesten zum Einsatz Instrumente als Grundlage nähmen, würde die folgendermaßen aussehen:
- Schlagzeug (27)
- Saxophon (21, all inclusive, also Bariton-, Alt- und Tenor-Sax)
- Bass (19, davon sind 5 E-BassistInnen, 14 KontrabassistInnen)
- Electronics (18, wobei diese Zahl nicht nur Effektgeräte, Sampler und Laptops beinhaltet, sondern auch vier Synthesizer)
Das heißt, der gegenwärtige Jazz ist traditionsbewusst, hat sich aber durch das Einfügen der „Electronics” aus der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit, geupdatet. Geht man davon aus, dass sich die JazzmusikerInnen ihre Ausbildung in der Regel an Musikhochschulen, Konservatorien o.ä. abholen, dann könnte das heißen, dass diese Institutionen nach wie vor den Schwerpunkt auf diese klassischen Instrumente – Saxophon, Kontrabass, Schlagzeug – legen. Die elektronische Komponente holen sich die MusikerInnen deshalb hinzu, weil sie – salopp gesagt – parallel zum Studium auch die Techno-Clubs besuchen und von der dort gespielten Musik geprägt wurden (und werden).
Der gegenwärtige Jazz ist traditionsbewusst, hat sich aber durch das Einfügen der „Electronics” aus der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit, geupdatet.
Ähnlich – d.h. vorwiegend „klassisch“ – sieht es im Mittelfeld aus, wobei es doch überraschend ist, wie „abgeschlagen” die menschliche Stimme ist:
- Gitarre (10)
- Klavier (9)
- Stimme (6)
- Perkussionen (5, darunter Beatbox, Toys, Tabla und Glockenspiel)
- Klarinette (4)
- Tuba (4)
Als klangliche Farbtupfer im Gesamtbild können jene Instrumente gesehen werden, die nur ein bis drei Mal ausgepackt werden: Akkordeon (1), Cello (2), Flöte (3), Flügelhorn (1), Harfe (1), Keyboard (3, eigens angeführt, weil es als Brücke zwischen Klavier und Synthesizer als eigenständiges Instrument gesehen werden kann), Mundharmonika (2), Posaune (1), Trompete (3), Violine (1) und ein Xaphoon, d.h. eine so genannte Bambus Klarinette.
Schließlich seien noch zwei Mal Tanz als fester Bestandteil der Performance und drei DJ’s erwähnt. Letztere kamen innerhalb des Clubbings am Eröffnungstag vergangenen Freitag zum Einsatz.
Das Bild das sich hier ergibt, muss aber unbedingt durch den individuellen Faktor des Musikers/der Musikerin ergänzt werden, denn es kommt letztlich weniger auf das Instrument an, als viel mehr darauf, wie und in welchem Kontext es eingesetzt wird, wie sehr es zum Mittel des Ausdrucks der Vision des Musikers/der Musikerin wird.
Soweit unsere schnelle Analyse.
Um auf den Anfang zurückzukommen: Entspricht das Ergebnis der Antwort auf die eingangs gestellte Frage?
Ihr könnt in den Kommentaren gerne dazu Stellung nehmen, unserer Analyse widersprechen oder eure Analyse mit uns teilen.