Die Meraner Alternative(n)
Seit 2006 sitzt David Augscheller für die Rifondazione Comunista im Meraner Gemeinderat. Im Mai wird er in einem gemeinsamen Bündnis der Linken erneut zur Wahl antreten.
Herr Augscheller, wie ist es zur Entscheidung, gekommen, als Ökosoziale Linke in Meran anzutreten?
David Augscheller: Die Idee war, auf Meraner Ebene für die Gemeinderatswahlen linke Parteien, Gruppierungen und Individuen zu einigen um den allgemein bekannten Abspaltungstendenzen der Linken entgegenzuwirken. Es hat Treffen zwischen Rifondazione Comunista, SEL und Einzelpersonen gegeben, um endlich ein gemeinsames Programm anzubieten. Daraus ist dann die Ökosoziale Linke – Sinistra Ecosociale entstanden.
Wen spricht die Ökosoziale Linke an?
Sowohl alternative Wähler aus dem linken Spektrum, aber auch all jene, die sich in den Werten des Projekts – soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Schutz des Gemeinwohls, Antifaschismus, Nachhaltigkeit – wiederfinden. Was ich persönlich interessant finde ist, dass die Pluralität aus verschiedenen politischen Strömungen in einem Projekt geeint wurde.
In Meran steht ein gemeinsames Antreten von PD und Lista Civica im Raum – hat es mit den beiden Parteien auch Gespräche gegeben?
Nein.
Der Movimento 5 Stelle tritt heuer zum ersten Mal bei den Wahlen zum Meraner Gemeinderat an. Haben Sie Angst, dass Ihnen WählerInnen geklaut werden?
Eine Sache ist der M5S auf nationaler Ebene mit der Gallionsfigur Grillo, eine andere hingegen die Bewegung auf lokaler Ebene. Da muss man erst schauen, aber Angst ist sicher das falsche Wort. Das Antreten von M5S bereichert die politische Landschaft in Meran.
Eine Zusammenarbeit zwischen unserer Liste und dem Bündnis um Rösch ist abgelehnt worden bevor überhaupt über Inhalte gesprochen wurde.
Ist die Befürchtung, der M5S könnte im linken Wählerbecken fischen, unbegründet?
Ich persönlich bin nicht der Meinung, dass die Linke durch den M5S Wähler verlieren wird. Der M5S spricht eher zufriedene WählerInnen aus dem Mitte-Rechts-Lager an und Teile des PD. Wir teilen gewisse politische Ziele, und falls wir es beide in den Gemeinderat schaffen, können wir zu bestimmten Thematiken sicher gut zusammenarbeiten.
Am Donnerstag Abend hat es Gespräche über eine eventuelle Unterstützung der Ökosozialen Linken von Paul Rösch beziehungsweise seiner Bürgerliste und den Grünen. Wie sind diese gelaufen?
Wir haben uns mit Paul Rösch und Christina Kury getroffen und unsere Unterstützung in Röschs Bürgermeister-Kandidatur angeboten. Dabei sind wir eigentlich davon ausgegangen, dass dies eine logische Angelegenheit wird.
Weil die Linken vor fünf Jahren Christina Kury als Bürgermeisterkandidatin unterstützt haben?
Auch deshalb, ja. Aber auch, weil ich überzeugt bin, dass es inhaltlich bestimmte Themen in unseren Programmen gibt, bei denen eine Zusammenarbeit naheliegend wäre.
Dem ist aber nicht so?
Wir sind gar nicht so weit gekommen, um über Inhalte zu diskutieren. Eine Zusammenarbeit zwischen den Ökosozialen Linken und dem Bündnis um Rösch ist abgelehnt worden bevor überhaupt über die Programme gesprochen wurde.
Jeder hat ein Recht auf Sicherheit. Aber Meran hat kein abnormales Sicherheitsproblem.
Enttäuscht?
Nein, das kann man nun wirklich nicht sagen. Es ist aber ungewohnt für mich, dass, bevor Sachinhalte diskutiert werden, eine Zusammenarbeit kategorisch ausgeschlossen wird. Es hat mich überrascht, zeigt aber auch, dass die Programme eine immer geringere Rolle spielen und die WählerInnen schlussendlich häufig gar nicht mehr wissen, wen sie wählen.
Was war Ihrer Meinung nach der Grund für die Ablehnung vonseiten Röschs und Kurys? Die Angst, bei einem gemeinsamen Antreten mit den Linken Wähler zu verschrecken?
Es stecken sicher wahlstrategische Überlegungen dahinter. Rösch und sein Bündnis wollen ja versuchen, im SVP-Wählerbecken zu fischen und da war vielleicht schon Angst dabei, jene Wähler abzuschrecken, die eventuell zwischen der SVP und Rösch schwanken.
Was halten Sie persönlich von Paul Rösch?
Persönlich schätze ich ihn sehr und denke, er ist ein sehr guter Bügermeisterkandidat für Meran. Ich kenne ihn als liberalen Menschen, offen und progressiv, der sich für Interethnizität und Multikulturalität einsetzt. Darüber hinaus ist er eine Figur mit Managementerfahrung, der es geschafft hat, das Touriseum zu einem europaweiten Vorzeigeprojekt zu machen. Er bringt also Managementerfahrung mit, was eine Grundvoraussetzung ist für das Amt des Bürgermeisters.
Wir fordern eine neue, von Lobby-Interessen unabhängige Stadtverwaltung.
Falls Rösch Meraner Bürgermeister wird und die Ökosoziale Linke in den Gemeinderat einzieht, wird es dann Unterstützung für Rösch geben?
Darüber ist es noch zu früh, zu reden. Das wird dann von Fall zu Fall entschieden werden. Vor allem wird man sehen müssen, mit wem Rösch eventuell koaliert. Eine Ein-Parteien-Regierung ist in Meran nicht möglich, daher wird sich zeigen müssen, wen er sich im Falle eines Sieges mit ins Boot holt.
Schickt die Ökosoziale Linke nun einen eigenen Kandidaten ins Rennen um den Bürgermeistersessel?
Das ist noch nicht entschieden, wir sind dabei zu sondieren, ob wir einen eigenen Kandidaten bzw. eine eigene Kandidatin aufstellen oder einen anderen Kandidaten unterstützen.
Im Programm der Liste wird eine neue, von Lobby-Interessen unabhängige Stadtverwaltung gefordert. Wie ist das zu verstehen?
In zweierlei Hinsicht. Erstens muss man davon ausgehen, dass Meran nicht nur aus Kaufleuten und Hoteliers besteht, sondern aus einer Vielfalt von BürgerInnen mit verschiedensten Interessen und auch Bedürfnissen, auf die eingegangen werden muss. Zweitens sind es auch die peripheren Gebiete, die ein Recht auf Infrastruktur, Parkanlagen, Spielplätze, Kinderbetreuungseinrichtungen und Straßen haben.
Der Tourismussektor spielt aber doch eine gewichtige Rolle in der Kurstadt?
Ohne Zweifel. Aber die Stadtverwaltung muss ihr politisches Interesse auf die BürgerInnen richten, nicht nur auf die Tourismusindustrie.
Eine bunt gemischte Gruppe steht hinter der Ökosozialen Linken. Und so wird auch unsere Liste für die Wahlen sein.
Es muss also Platz für alle sein?
Sicher. Auch für jene, deren Präsenz von der jetzigen Stadtregierung immer wieder versucht worden ist, zu delegitimieren.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel die Alternative Kultur. Die Stadtverwaltung muss sich ihrer annehmen und nicht versuchen, sie an den Rand zu drängen. Die Präsenz eines Ost-West-Club etwa ist ernst zu nehmen und von großer Wichtigkeit im Sinne einer pluralistischen Gesellschaft. Wir sind die einzigen, die im Gemeinderat stets für die Akzeptanz des Ost-West-Clubs Stellung bezogen haben.
SVP-Bürgermeisterkandidat Gerhard Gruber hat sich das Thema der Sicherheit groß auf die (Wahl-)Fahnen geschrieben. Welche Maßnahmen braucht Meran?
Es ist unbestritten, dass jeder das Recht auf Sicherheit hat. Aber dass die Sicherheitslage zum Politikum gemacht wird, ist problematisch. Meran hat kein abnormales Sicherheitsproblem. Ja, es gibt Gewalt, Einbrüche und Kleinkriminalität, aber eben kein abnormales Problem damit. Jenseits von Überwachungskameras – die meist sowieso nicht die gewünschte Wirkung erzielen, sondern die Gewalt nur verlagern – ist es wichtig, die Stadt zu beleben. Wo viele Leute sind, ist der Sicherheitsfaktor höher und es kommt zu weniger Gewaltübergriffen.
Die Linke hat es endlich geschafft, ein gemeinsames Programm anzubieten.
Was kann darüber hinaus noch gemacht werden?
Zum Beispiel für eine gute Beleuchtung von Straßen und Parks sorgen. Was mich stört – auch an der Berichterstattung in den Medien – ist die xenophobe, ausländerfeindliche Konnotation der Sicherheitsdebatte. Immigration wird mit Gewalt gleichgesetzt. Gewalt an Frauen etwa wird dabei fast vergessen. In Meran steigt die Zahl an Vergewaltigungen in Parks, von einheimischen Männern begangen. Ich würde mir wünschen, dass aus der Sicherheitsdebatte keine gesellschaftliche Paranoia gemacht würde, sondern die Diskussion auf der Sachebene beibehalten.
Auch aus dem Roma- und Sinti-Lager in Untermais hört man immer wieder von Zwischenfällen. Letztlich hat es einige unschöne Bilder und Reaktionen auf einen Brand dort gegeben.
Die Situation dort ist unerträglich. Und das ist ein riesiges Manko der auslaufenden Stadtregierung. Immer wieder wurde versprochen, eine Lösung zu finden, aber der Sache überhaupt keine Priorität gegeben. Es geht darum, eine vernünftige Lösung zu finden und endlich geeignete und würdige Siedlungsplätze für die Sinti und Roma zu schaffen. Denn wird nichts getan, fördert dies nur die Spannungen.
Wer tritt bei den Gemeinderatswahlen nun für die Ökosoziale Linke an?
Wir sind noch beim Sondieren, die Liste befindet sich noch in Ausarbeitung. Sicher antreten werde ich für Rifondazione Comunista, Alexandra Holzer für SEL und Leo Albertoni, der mit 22 Jahren zu den Jüngsten in unserer Gruppe gehört. Die übrigens bunt gemischt ist: Frauen und Männer, jung und alt, deutsch-, italienisch- und mehrsprachig. Und so wird auch Liste sein.
David Augscheller hat Recht.
David Augscheller hat Recht. Er war der Einzige, der uns als ost west club damals immer(!) unterstützt hat. Die anderen Parteien haben sich erst für uns interessiert, als das Projekt stetig gewachsen ist und man alleine schon aufgrund der hohen Mitgliederzahlen nicht mehr an uns vorbei konnte. Vorher hat sich kein Mensch für uns eingesetzt. Sollte man in Wahlkampfzeiten nicht vergessen!