Gesellschaft | Gedenksteinlegung

Faschistisches KZ in Blumau

Fast in Vergessenheit geraten: Kriegsgefangene wurden für Zwangsarbeit am Virgltunnel eingesetzt.
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Foto: Archiv Rauch
Mussolini-Magnete in Touristenshops an der Adria, „i campi di concentramento erano una faccenda dei tedeschi“... Die Aufbereitung der faschistischen Vergangenheit in Italien lässt bisweilen zu wünschen übrig. Und auch in Südtirol sieht man sich oft lieber als Opfer der Geschichte, als genau hinzuschauen, was hier verbrochen worden ist. Manches gerät dadurch beinahe in Vergessenheit.
 
Dass es auch anders geht, zeigen jetzt der Südtiroler Heimatbund, der Heimatpflegeverein Karneid, und die Südtiroler Schützenkompanien Gummer, Karneid und Steinegg, in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Karneid: Sie setzen am 8. September in Blumau einen Gedenkstein, um an das italienische Konzentrationslager „Campo Isarco“ zu erinnern und stellen die Dokumentation „Italiens vergessenes Konzentrationslager ‚Campo d’Isarco‘ bei Bozen (1941-1943)“ des Buchautors Günther Rauch vor.
 

Bis zu 400 Gefangene aus den Kriegsgebieten

Günther Rauch hat akribisch recherchiert und so die Belege für die Existenz dieses Lagers erst zusammengetragen. Es entstand wenige Monate nach der Option und der italienisch-faschistischen Militäraktion gegen die Balkanstaaten im Auftrag von Benito Mussolini auf dem zwölf Hektar großen Wirtschaftskomplex der ehemaligen Brauerei Blumau-Vilpian.
In den bisher verborgen geblieben amtlichen Depeschen und Dokumenten des italienischen Innenministeriums und der Präfektur von Bozen wurde dieses Lager ausdrücklich als KZ – „Campo di concentramento di Prato Isarco“ – bezeichnet. Bis zu 400 in Nordafrika festgenommene englische, australische, indische, neuseeländische Soldaten der Alliierten waren in dem Lager eingesperrt.
 
Nach dem italienischen Russlandfeldzug wurden hier auch Angehörige der Sowjetarmee interniert, außerdem Zivilisten aus den besetzten Balkangebieten, darunter zahlreiche Minderjährige und alte Leute. Hier gefangene serbische Regimegegner wurden unter anderem für Schwerarbeiten beim Bau des Virgltunnels eingesetzt.
 
Für die Freilassung der Kriegsgefangenen und Zwangsinternierten im KZ „Prato Isarco“ hatten sich im Besonderen der Vatikan mit Papst Pius XII. an der Spitze, dessen Emissäre und das Internationale Rote Kreuz eingesetzt.
Die Enthüllung und Einweihung des Gedenksteines und die Buchvorstellung werden am 8. September um 17.00 Uhr in Blumau stattfinden. Das genauere Programm geben die Veranstalter noch bekannt.
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Martin B. Mo., 06.08.2018 - 22:07

Gute Initiative, von diesem Lager wusste ich nichts, wohl wegen "den bisher verborgen geblieben amtlichen Depeschen und Dokumenten". Vor allem wäre interessant ob auch Augenzeugenberichte von Lagerinsassen vorhanden sind und aufgearbeitet wurden. Ich hoffe zumindest Auszüge werden auch vor Ort bzw. in der Gemeinde öffentlich festgehalten und einsehbar.

Mo., 06.08.2018 - 22:07 Permalink