Politik | Impfung

„Unerklärliche Irrationalität“

Julia Unterberger über ihre Nein im Senat zur Aufschiebung der Impfstrafen, die Wichtigkeit der Impfpflicht und die Haltung der SVP.
Julia Unterberger
Foto: Suedtirol Foto/Othmar Seehauser
Salto.bz: Frau Senatorin Unterberger, Sie haben in Rom als eine der wenigen gegen ein Aufschieben der Sanktionen gegen Impfverweigerer gestimmt. Warum?
 
Julia Unterberger: In der Diskussion im Senat ist es nicht mehr um die Aufschiebung gegangen, sondern um das Für und Wider der Impfpflicht allgemein. Die Befürworter der Impfpflicht im Senat waren der Meinung, dass die Aufschiebung nur der erste Schritt zur Aufhebung der Impfpflicht sei.
 
Ihre Parteiobmann Philipp Achammer spricht sich im Landtagswahl-Kampf für ein Aufschieben der Sanktionen aus?
 

Das stimmt und damit war ich in der absurden Situation, dass meine Partei zwar die Aufschiebung aus sinnvollen Gründen will, sie in Rom aber nur als Vorwand verwendet wird, um Zeit zu gewinnen. Als Präsidentin der Autonomie-Gruppe, in der ein breiter Konsens für die Impfpflicht herrscht, wollte ich ein Zeichen setzen. Auch wenn ich durchaus Verständnis dafür habe, wenn man die drastischen Sanktionen noch hinauszögern will, um sich darauf einstellen zu können. Ich befürchte aber, dass es in Italien nicht darum geht, sondern um eine Hintertür, damit die Impfpflicht doch wieder abgeschafft werden kann.
„Ich in der absurden Situation, dass meine Partei zwar die Aufschiebung aus sinnvollen Gründen will, sie in Rom aber nur als Vorwand verwendet wird, um Zeit zu gewinnen.“
In Italien gibt es im Vergleich zu anderen EU-Staaten wie Österreich und Deutschland eine verschärfte Impfpflicht. Wie ist die Lage in Südtirol?
 
Wir haben die niedrigste Impfrate in ganz Italien. Während andere Regionen Raten von bis zu 94 Prozent haben, liegt sie in Südtirol bei 85 Prozent. Damit sind wir leider italienweit das Schlusslicht.
 
Vor ungefähr einem Jahr wurde in Rom beschlossen, dass nur mehr Kinder mit Pflichtimpfung den Kindergarten und in Kindertagesstätten besuchen dürfen. Eltern müssen in der Schule den Impfstatus ihrer Kinder vorlegen. Wer nicht geimpft ist, muss Strafe zahlen. Wurde ein Teil dieser Verordnungen in Südtirol bereits umgesetzt?
 
Nein, es wurden noch keine Sanktionen eingeführt. Südtirol hat eine Ausnahme-Regelung beantragt und diese auch bekommen. Jetzt hat das Parlament in Rom ebenfalls eine Ausnahme-Regelung beschlossen, sodass das Gesetz gegen Impf-Verweigerer erst in einem Jahr in Kraft tritt.
Es gibt viele Menschen, die immer noch pseudowissenschaftlichen Theorien nachhängen und mit der Impfung völlig falsche Sachen in Verbindung bringen.
Was sind die Beweggründe für diese Aufschiebung?
 
Während es sich in Südtirol wirklich um eine Ausnahme handelt, damit sich die Bevölkerung auf die Sanktionen einstellen kann, vermute ich, dass es sich in Rom um eine Ausrede handelt, um das Gesetz komplett abzuschaffen. Denn Gesundheitsministerin Giulia Grillo ist offen gegen die Impfpflicht.
 
Der Südtiroler Sanitätsbetrieb und das Gesundheits- und Bildungsressort hat diese Nachricht mit Freude aufgenommen. Die BürgerUnion will das Gesetz jetzt komplett zum Kippen bringen. Woher rührt diese Skepsis?
 
Das ist mir selber ein Rätsel. Normalerweise sind die Südtiroler bei solchen Dingen vernünftiger als der Rest Italiens. Bei der Impfung gibt es aber eine unerklärliche Irrationalität und Forschungs-Skepsis. Schließlich sagen alle Ärzte, dass Impfungen nur positive Effekte haben und eine hohe Impf-Rate die Kinder schützt, vor allem Kinder mit Immunschwächen und anderen Krankheiten. Die Ratio und die Forschung sprechen alle für die Impfung, trotzdem gibt es viele Menschen, die immer noch pseudowissenschaftlichen Theorien nachhängen und mit der Impfung völlig falsche Sachen in Verbindung bringen. Scheinbar ist diese Bewegung in Südtirol sehr stark.
 
Andreas Pöder von der BürgerUnion meint, dass Impfempfehlungen und Pflicht-Impfgespräche ausreichen?
 
An der niederen Impfrate erkennt man, dass dem eben nicht so ist. Auch die Verantwortung komplett dem Bürger anzuvertrauen halte ich für den falschen Weg, denn die Freiheit des Einzelnen hört da auf, wo man dem Anderen schadet. Ministerin Grillo hat vorgeschlagen, Kinder mit Immunschwäche auf Klassen mit einer hohen Impfrate zu verteilen. Doch auch das ist absurd, denn es gibt schließlich unzählige weitere Möglichkeiten, wo immunschwache Kinder mit nicht-geimpften zusammenkommen können.