Politik | Verkehr

Böses Blut hinterm Brenner

Der deutsche Verkehrsminister sagt für den Brenner-Verkehrsgipfel am 12. Juni ab. Günther Platter wirft den Deutschen “ganz schlechten Stil” und “Überheblichkeit” vor.
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Foto: BMVIT

Der Termin steht schon seit Längerem fest. Auch die Gästeliste war schon fixiert und offiziell kommuniziert worden. Nun sorgt eine gewichtige Absage für Verstimmung im Vorfeld des Brenner Meetings.
So der Titel des Verkehrsgipfels, der am kommenden Dienstag, 12. Juni, in Bozen stattfindet. Es sollte das zweite Gipfeltreffen zur Brennerachse nach jenem von München Anfang Februar werden, mit einer hochkarätig besetzten Teilnehmerliste: Pat Cox, der für den EU-Korridor zwischen Skandinavien und dem Mittelmeer zuständige Koordinator, die Landeshauptleute von Südtirol, Tirol und dem Trentino, Vertreter aus Bayern sowie dem Veneto – und die drei Verkehrsminister von Italien, Danilo Toninelli (M5S), Österreich, Norbert Hofer (FPÖ) und Deutschland, Andreas Scheuer (CSU).

“Im Mittelpunkt stehen Maßnahmen für weniger Verkehr auf der Brennerachse, die die länderübergreifenden Arbeitsgruppen zum Verkehrsmanagement, zum Monitoring, zur Maut und zur Rollenden Landstraße (RoLa) ausgearbeitet haben”, heißt es in der offiziellen Ankündigung des Brenner Meetings. Und erst am Dienstag hatte Landeshauptmann Arno Kompatscher unterstrichen: “Jedes Jahr rollen rund 2,5 Millionen KLW über den Brenner, deshalb ist ein schnelles Eingreifen angezeigt, und zwar mit Maßnahmen für weniger Umweg-Verkehr durch die günstigere Maut, mit Maßnahmen für mehr Warentransport auf der Schiene und auch mit einem Verbot des Schwerverkehr-Transits auf der Staatsstraße.”

Unter den Punkten, die beim zweiten Brenner Meeting behandelt werden sind die Korridormaut mit dem Ziel, die Tarife den anderen alpenquerenden Routen anzugleichen, das Verkehrsmonitoring mit der Möglichkeit, eine Obergrenze für den Schwerverkehr einzuführen, die Förderung der RoLa und des kombinierten Transports ebenso wie die Schaffung eines einheitlichen abgestimmten Systems für den grenzüberschreitenden Bahnverkehr.

 

Scheuers Rückzieher

Wie nun aber am Donnerstag Vormittag bekannt wurde, hat der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer seine Teilnahme am Verkehrsgipfel kommende Woche in Bozen abgesagt. Hintergrund ist der Streit um die Blockabfertigung in Kufstein. Dort dürfen an verkehrsreichen Tagen zeitweise nur 250 LKW pro Stunde die deutsch-österreichische Grenze passieren und nach Tirol einreisen. Wogegen sich vor allem in Bayern und in Scheurers Partei, der CSU, starker Widerstand regt.

“Nach dem Gespräch mit Österreichs Verkehrsminister Norbert Hofer wird klar, dass das Land Tirol an einer kurzfristigen Lösung der Verkehrssituation an der deutsch-österreichischen Grenze nicht interessiert ist und an den Belastungen durch die Blockabfertigung festhält”, teilt das deutsche Verkehrsministerium auf seiner Homepage mit. “Deswegen hat der deutsche Bundesverkehrsminister entschieden, dass eine Teilnahme am Brenner-Gipfel keinen Sinn macht.” Auch wenn Andreas Scheuer am 12. Juni nicht nach Bozen reisen wird, werde die deutsche Seite dennoch vertreten sein, heißt es aus dem Ministerium, das Scheuer wie folgt zitiert: “Wir wollen in Europa Lösungen für den freien Warenverkehr und nicht regionale Engstirnigkeit.”

 

Platter platzt der Kragen

Umgehend reagiert der Tiroler Landeshauptmann auf die Absage aus Deutschland. Er zeige sich “schwer verärgert von der Gesprächsverweigerung des deutschen Verkehrsministers”, lässt sich Günther Platter zitieren. Er findet deutliche Worte: “Das ist ein ganz schlechter Stil des Nachbarn. Damit ist offensichtlich, dass Deutschland keinerlei Lösungsansätze seit unserem letzten Treffen im Februar gesucht hat. Seit Jahren drängen wir auf die Verlagerung auf die Schiene und investieren Milliarden in den Brenner Basistunnel (BBT) und die Zulaufstrecken. In Deutschland wird hingegen nach wie vor herumdiskutiert, obwohl in einer Vereinbarung von 2012 zwischen Deutschland und Österreich klar zum Ausdruck kommt, dass der viergleisige Ausbau der Bahn zeit- und fachgerecht auch in Bayern durchgeführt wird.”

Passiert sei bisher aber “wenig bis gar nichts”, poltert Platter. “Was wir stattdessen hinnehmen müssen, sind 20 Prozent mehr LKW-Verkehr allein in den letzten 17 Monaten. Die deutsche Position lässt nicht nur Überheblichkeit erkennen, sondern zeigt auch, dass für unseren Nachbarn die Verlagerung nicht erwünscht ist und der freie Warenverkehr über allem steht, egal welche schwerwiegenden Konsequenzen für die Tiroler Bevölkerung damit verbunden sind. So geht man miteinander nicht um!”

Ungeachtet dessen kündigt Platter an, dass Tirol weiter an den Blockabfertigungen festhalten wird. “Wir haben im Vergleich zum Rekordjahr 2017 eine Steigerung bei den LKW-Fahrten auf Tirols Autobahnen von weiteren 12 Prozent, das sind allein bis Mai 108.000 LKW mehr”, zählt der Tiroler Landeshauptmann auf. Die Belastungsgrenze für Mensch, Natur und Infrastruktur sei “längst überschritten”. “Deshalb werden wir unsere Blockabfertigungen als Notmaßnahme für die Aufrechterhaltung der Verkehrs- und Versorgungssicherheit unserer Bevölkerung weiter durchführen. Als Landeshauptmann habe ich die Verpflichtung, die Tirolerinnen und Tiroler zu schützen. In dieser Frage gibt es für mich keine halbherzigen Kompromisse”, gibt sich Platter entschlossen.