Kultur | Salto Afternoon
„Durch Körperlichkeit Bezug entwickeln“

Foto: Samuel Jöchler
Zum 4. Mal wurde der Residenzplatz an der Cité International des Arts in Paris ausgeschrieben. Philipp Putzer - Jahrgang 1994 - folgt auf Judith Neunhäuserer, Linda Jasmin Mayer und Jasmine Deporta. Die von einer Stiftung getragene Cité International des Arts ermöglicht in 326 Studios Künstlern aus aller Welt Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten. Putzers Aufenthalt, der am 3. Juli begann, dauert noch bis zum 27. September. 2023 werden die Früchte des internationalen Austauschs Gegenstand einer Einzelausstellung in der Galerie Prisma sein.
salto.bz: Herr Putzer, Sie haben in Ihrem Motivationsschreiben erklärt, dass Sie sich auf den Pariser Märkten nach Objekten umsehen werden, die Sie verändern und neu anordnen wollen um Installationen zu schaffen. Wissen Sie vorab wonach Sie suchen, oder ist diese Suche intuitiv?
Philipp Putzer: Es ist so, dass ich in meiner künstlerischen Tätigkeit bestimmte Bereiche habe, die mich interessieren, gewisse Objekte die mich faszinieren. Ich werde natürlich in diesen Bereichen suchen, aber ich weiß es nie mit Sicherheit. Zum Beispiel habe ich mich viel mit Motorrad-Helmen und Protektoren beschäftigt und mit Prothesen, Dingen, die den menschlichen Körper besser machen als er ist, die ihn schützen oder verändern.
Ein anderer großer Teil sind Möbel, Objekte die uns umgeben und an unseren Körper angepasst sind, in einem Größenverhältnis zu uns stehen. Diese habe ich zum Teil verändert, oder aus ihnen Negativ-Formen gebaut und das mit anderen Materialien abgeformt.
Wenn Sie davon sprechen, dass dieser Prozess viel mit dem Körper zu tun hat, gehen Sie da von Ihrem eigenen Körper aus, oder stellen Sie sich auch die Körper von Anderen vor?
Ich denke, ich fange schon oft bei mir an, bin die Ausgangssituation. Das habe ich schon mit Performances untersucht, um das für mich selbst herauszufinden. Logischerweise hoffe ich, dass sich auch die Betrachter in meinen Skulpturen und Objekten wiederfinden und durch die Körperlichkeit einen bestimmten Bezug dazu entwickeln. Das ist in der Skulptur oft so, dass man vor einem Objekt steht und sich selbst im Verhältnis zu diesem Objekt auf eine gewisse Weise fühlt. Das ist, denke ich, anders als etwa in der Malerei.
Sie haben bereits recht viel Auslandserfahrung gesammelt, was können Ihnen da Frankreich und Paris bieten, das Ihnen in anderen Ländern noch gefehlt hat?
Ich habe viel im französischsprachigen Westafrika gelebt, etwa in Dakar, im Senegal, oder in Abidjan. Von daher ist es für mich jetzt angenehm die französische Sprache nochmal besser zu lernen. Außerdem ist Westafrika stark durch die französische Kolonialgeschichte stark beeinflusst und da ist es auch gut, gewisse Einflüsse auch vom Ursprung aus zu sehen. Paris ist einfach auch eine große Metropole mit so vielen auch anderen Einflüssen, dass diese definitiv auch für mich interessant sind.
Es ist so, dass die Auseinandersetzung mit Kolonialgeschichte und Post-Koloniale Kunst derzeit hoch im Kurs stehen. Wollen Sie solche Ansätze verfolgen?
Ich bin mir solcher Themen bewusst, lese viel darüber und stehe im Austausch mit Leuten, die sich damit beschäftigen. Ich muss aber auch sagen, dass es von meiner Geschichte her nicht ein Thema ist, das mich selbst besonders betrifft. Deswegen habe ich nicht das Bedürfnis es für mich zu einem Hauptthema zu machen, aber dieses Thema wird sicher in den nächsten Jahren viel in der Kunst verändern.
Zum historischen Stadtbild von Paris gehören auch die verschwindenden „Bouquinisten“, also die Buchhändler an der Seine. Werden Sie diesen bei Ihren Marktrecherchen auch einen Besuch abstatten?
Das kann gut sein, das habe ich mit Künstlerkollegen gestern beredet und diese haben mir das empfohlen, mir diese kleinen Läden am Fluss anzusehen, aber was genau alles in meine Arbeit einfließen wird, weiß ich noch nicht genau.
Wie beginnt Ihre Recherche, welches sind die ersten Schritte, nun da Sie in Paris sind?
Ich bin erst seit zweieinhalb Tagen hier, deswegen ging es erstmal darum, mich einzuleben und den Ort kennenzulernen. Jetzt werde ich die nächste Zeit planen, wie ich meine Zeit am besten einteilen kann. Ich denke mit der Stadt, werde mir verschiedene Märkte anschauen und verschiedene Viertel kennen lernen und versuchen daraus etwas entstehen zu lassen.
Ihre künstlerische Tätigkeit könnte man demnach marktorientiert nennen. Sind Sie Befürworter oder Kritiker des Kapitalismus?
Sicher ein Kritiker. Was aber witzig ist, weil man es als Künstler grundsätzlich ziemlich stark kritisiert. Künstler leben aber in einem 100-prozentig kapitalistischem System und reden unter sich viel über Geld und den Verkauf. Ich denke, als Künstler kann man dem nicht wirklich entkommen.
Hilft die Residency als ein Mittel zumindest einen Teil dieses Drucks wegzunehmen?
Ich denke schon. Große Institutionen, Residencies und auch Vereine, die gerade junge Künstler fördern können viel kapitalistischen Druck und der Öffentlichkeit eine gewisse Wertschätzung vermitteln, die man als Künstler allein nie schaffen würde. Das ist ausgesprochen wichtig.
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