Politik | Sanitätsreform

Herumdoktern an der Sanitätsreform

Wie sind die Berechnungen zur Sanitätsreform zustande gekommen, fragt Primar Albrecht Giuliani im salto.bz Interview. Am 9. Oktober ist LR Stocker in Sterzing.

Herr Giuliani, diesen Donnerstag, 9. Oktober wird Landesrätin Martha Stocker und ihre Sparpläne im Sterzinger Krankenhaus erwartet, was wird auf sie zukommen?

Albrecht Giuliani, Primar Geburtshilfe und Gynäkologie Sterzing: Wir haben ein Treffen mit der Landesrätin am Donnerstag abend um 20 Uhr und ich sowie meine Kollegen von den anderen Abteilungen werden selbstverständlich dort sein; ich werde sicher auch etwas sagen und nachfragen, aufgrund welcher Berechnungen die Landesrätin ihre Einsparungsmodelle gemacht hat. Denn dafür fehlt uns noch immer jede Grundlage.

Es wurden Ihnen bzw. der Ärzteschaft in Sterzing nie irgendwelche Berechnungen vorgelegt, wie effizient oder ineffizient Sie arbeiten?

Nein, wir kennen die Fakten bzw. Meinungen auch nur aus der Presse, genauso wie die übrige Öffentlichkeit. Es gab ein Treffen mit dem Sterzinger Gemeinderat vorige Woche, wo die Ärzte teilnahmen und ein Abschlusspapier verfasst wurde. Bei der ganzen aktuellen Sanitätsreform fehlt mir eine differenzierte, auch vergleichende Debatte um Kosteneffizienz und Einsparungen, und zwar nicht nur auf Ärzte/Patientenzahlen aufgerechnet. Die einzige Zahl die wir bisher gehört haben, aufgrund derer auch unsere Geburtenabteilung nicht gut genug arbeiten würde, ist jene der 500 Geburten pro Jahr. Aber man muss wissen, dass dies eine auf nationaler Ebene zustandegkommen Maßzahl ist, die vor allem jenen kleineren Krankenhäusern zu verdanken ist, die zu 90 Prozent Kaiserschnittgeburten machen. Und wir in Sterzing haben eine Kaiserschnittrate von 20%.

Sie sagen also, die hohe Kaiserschnitt-Rate der kleineren Krankenhäuser treibt die Vorgabenzahlen in die Höhe, vor allem im übrigen italienischen Raum?

So ist es, besonders im süditalienischen Raum möchte ich betonen. Dort wird massiv mit Kaiserschnitt-Geburten geworben. Eine Kaiserschnitt-Geburt dauert, wenn alles gut geht, höchstens eine Stunde und dann ist es vorbei. Diese Termine kann man natürlich auch gut auf den ganzen Tag verteilen, und so dafür sorgen, dass in der Nacht eine Ruhe ist. Wir hier in Sterzing propagieren aber nach wie vor die natürliche Geburt, und die passiert eben wann das Kind es will, gerne und oft in der Nacht. Deswegen brauchen wir die Abteilungen so wie wir sie jetzt haben.

Sie hatten im letzten Jahr 417 Geburten in Sterzing, in Schlanders waren es 397, aber dort wurde letzthin gesagt, dass nicht zugesperrt werden muss – hat diese 500er Grenze also doch keine Relevanz?

Für Schlanders gilt sicherlich auch die besondere geografische Situation als einziges Krankenhaus im Vinschgau mit Geburtenabteilung. Wir in Sterzing haben in den letzten beiden Jahren hingegen eine rege Umbautätigkeit gehabt, auch deswegen ist die Anzahl der Geburten etwas zurückgeblieben, denn welche Gebärende möchte in einem Krankenhausbett liegen mit den Bauarbeiten nebenan. Das ist nun jedoch fertiggestellt.

Was wurde denn umgebaut?

Wir haben unsere Stationen modernst eingerichtet, mit 2-Bett-Zimmern, Dusche und WC im Zimmer, die Operationssäle wurden umgebaut und auf neuesten technologischen Stand gebracht, außerdem wird derzeit die Erste Hilfe modernisiert. Es wäre widersinnig, gerade jetzt diese Strukturen zurückzufahren und nicht noch besser zu nutzen.

Welche Abteilungen gehören noch zum Mutter-Kind-Department?

Wir haben die Geburtshilfe, die Gynäkologie und die Neugeborenenbteilung sowie die Pädiatrie zusammengeschlossen, auf einer Etage und mit guten Einsparungen bereits in den letzten Jahren. Noch dazu haben wir zwei Ambulatorien laufen, die gut ausgelastet sind, wir schreiben ein Plus im zweistelligen Bereich.

Was bräuchte es, um hier auch von den Zahlen her einen besseren Durchblick zu haben, bzw. was fordern Sie von der Landesrätin und ihren Beratern?

Es sollte viel differenzierter hingeschaut werden, beispielsweise auf die einzelnen Abteilungen der Krankenhäuser im Land. Wir in Sterzing haben, wie oben aufgezählt an die Geburshilfe etliche andere Dienste angeschlossen und wir arbeiten gut, aber wir wissen nicht, wie es zum Beispiel in Schlanders oder Brixen und Bruneck zugeht, wie effizient dort in diesen Abteilungen gearbeitet wird. Wir haben zwar die Gesamtzahlen, aber keinen Budgetvergleich im Detail. Es gibt ja auch Abteilungen mit höheren Komplikationspotentialen, ich weiß nicht, ob diese Daten in die Rechnungsaufstellungen integriert sind oder nicht. Es müssten verschiedene Leistungsindikatoren offen gelegt werden, und man müsste wissen, ob die für die Sanitätsreform relevant sind. Ich sehe auf jeden Fall, dass diese Rahmenbedingungen nicht berücksichtigt werden.