Gesellschaft | Gastkommentar

Autoritäre Tendenzen eines Staates

Für den grünen Politiker und Rechtsanwalt Rudi Benedikter verstößt die geplante Verschärfung des Strafrechts gegen die Verfassung und die europäische Menschenrechtskonvention. Auch weil das Grundrecht der Versammlungsfreiheit kriminalisiert wird.


Benedikter
Foto: Privat
  • Mit dem von der Abgeordnetenkammer am 18. September 2024 genehmigten Gesetzentwurf zur Verschärfung des italienischen Strafrechts „zum Schutze der Öffentlichen Sicherheit“ („Ddl sicurezza ) hat die italienische Regierung und das Parlament einen Kurs gegen die eigene Verfassung und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) angebahnt. 
    Die Verschärfungen im Strafrecht zielen unter anderem auf Verkehrsblockaden durch Bürgerinitiativen, Hausbesetzungen, den passiven Widerstand in Gefängnissen oder Flüchtlingslagern – aber auch auf die organisierte Kriminalität oder Terrorismus. Besonders problematisch ist die verschärfte Strafdrohung gegen „Versammlungen an öffentlichen Orten“ – etwa Straßenblockaden: Sie werden von Verwaltungsvergehen in Straftatbestände umgewandelt und sollen nun mit Haft von 6 Monaten bis zu 2 Jahren geahndet werden!

     

    „Mit dem Ddl sicurezza hat die italienische Regierung und das Parlament einen Kurs gegen die eigene Verfassung und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention angebahnt.“ 

     

    Verfassungsrechtlich bedenklich sind die verschärften Strafdrohungen aus mehreren Gründen:

    1. Die Ausübung der Grundrechts der Versammlungsfreiheit wird auf die Ebene der „Normal-Kriminalität“ herabgezogen;

    2. Bislang verwaltungsrechtliche Vergehen („Geldstrafen“) werden nun zu „Verbrechen“ (=reato)  und können auch mit Haft geahndet werden. Dies ist im Lichte der Verfassung unverhältnismäßig.

    3. Die verschärfte Strafdrohung schreckt keine „gewöhnlichen“ Kriminellen ab, sondern schreckt Bürgerinnen und Bürger von der Ausübung der Bürgerrechte ab.

    Dies alles ist vollkommen unverhältnismäßig, in einem Rechtsstaat, gemessen an Anlass und staatlicher Sanktion! Und dies alles steht gegen Buchstaben und Geist der Verfassung und der EMRK: Sowohl Art. 17 der Verfassung  als auch Art.11 EMRK garantieren das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und reglementieren streng dessen Einschränkung durch die Behörden: „Die Ausübung der Versammlungsfreiheit darf nur Einschränkungen unterworfen werden (...) die in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer“ (Art.11 EMRK) 
    An der konkreten Auslegung von „notwendig“ erkennt man die autoritären Tendenzen eines Staates....