Politik | Bauernschlau

Die Papierbäuerin

Am Beispiel von Landesrätin Waltraud Deeg und dem Hof ihres Mannes lässt sich aufzeigen, wie Südtirols „Urlaub auf dem Bauernhof“ in der Realität funktioniert.
Deeg
Foto: Montage: salto.bz
Waltraud Deeg ist freundlich, sie antwortet auf jede Frage und ist im Gespräch mit salto.bz absolut offen. Nur eines will sich die Landesrätin für Familie, Soziales, Senioren und Wohnbau nicht gefallen lassen. Den Titel Papierbäuerin. „Ich bin keine Bäuerin, der Hof gehört meinem Mann und wir leben in Gütertrennung“, sagt die SVP-Politikerin.
Auch Deegs Ehemann Wilfried Taschler, von Beruf Gemeindesekretär in Toblach, gibt offen Auskunft. „Die Bestimmungen gelten für alle gleich, ich habe mich an alle Regeln gehalten und habe nichts zu verbergen“, meint der studierte Jurist.
Beide haben Recht. Waltraud Deeg und Wilfried Taschler haben gegen kein Gesetz und gegen keine Bestimmung verstoßen. Vielleicht wurden und werden gewisse Regeln etwas gedehnt, aber alles, was sie getan haben und tun, ist auf dem Papier machbar und legal.
Von der politischen Ethik her sieht das Ganze aber etwas anders aus.
Denn der Fall Deeg/Taschler zeigt exemplarisch auf, wie Südtirols System „Urlaub auf dem Bauernhof“ in der Realität funktioniert. Welche Augenauswischerei der „notwendige Nebenerwerb“ für den Bauern in manchen Fällen ist.
Aber auch mit welcher Scheinheiligkeit man zwischen der Regierungspartei SVP und dem Südtiroler Bauerbund seit Monaten über die Beseitigung der Missstände und eine gesetzliche Reform der Materie diskutiert, während man die Wölfe im eigenen Schafstall gemütlich schlafen lässt.
Der Fall Deeg/Taschler zeigt auch mit welcher Scheinheiligkeit man zwischen der Regierungspartei SVP und dem Südtiroler Bauerbund seit Monaten über eine gesetzliche Reform diskutiert, während man die Wölfe im eigenen Schafstall gemütlich schlafen lässt.
 

Der Weiherhof

 
Waltraud Deeg wächst in Bozen auf. Sie ist familiär aber mit Bruneck verbunden und hat dort seit ihrer Geburt auch den Wohnsitz. Nach dem Tod ihrer Eltern behält sie die elterliche Wohnung in der Rienzstadt, wo sie auch heute noch wohnt. „Ich bin seit 47 Jahren in Bruneck ansässig“, sagt die Landesrätin sichtlich stolz. 1999 heiratet Deeg den Toblacher Gemeindesekretär Wilfried Taschler. Zusammen mit ihrer inzwischen volljährigen Tochter ist die Familie anfänglich in Bruneck ansässig.
2006 steht in Niederdorf ein genehmigtes Bauprojekt zum Verkauf. Es handelt sich um die Aussiedlung und Neuerrichtung einer Hofstelle für einen geschlossenen Hof. Weil der Neubau am Weiherweg entstehen soll, erhält das Hofprojekt den Namen „Weiherhof“.
Wilfried Taschler, der Ehemann von Waltraud Deeg, kauft das Projekt und baut zwischen 2008 und 2010 einen ansehnlichen Hof mit einem gleich großen Nebengebäude, in dem Stadel und Stall untergebracht sind. Das Ganze ist eher eine Villa als ein Bauernhof. Im Bauernhaus werden auch zwei Wohnungen gebaut, die für den „Urlaub auf dem Bauernhof“ dienen sollen.
 

Der Junglandwirt

 
Wilfried Taschler absolviert, weil er damals unter 40 Jahre alt ist, den „Junglandwirtelehrgang“. Es ist ein Lehrgang, der an den vier Landwirtschaftsschulen des Landes jungen Erwachsenen ohne landwirtschaftliche Ausbildung eine berufliche Qualifikation im Bereich Landwirtschaft ermöglichen soll. Im Volksmund wird dieser Kurs „Schnellsiederkurs“ genannt, weil man in 270 Stunden die Berufsqualifikation als Landwirt erhält.
 
 
So wird aus dem Toblacher Gemeindesekretär und Juristen auf dem Papier ein vollwertiger Bauer.
Laut Regionalgesetz müssen Nebenbeschäftigungen der Gemeindebediensteten genehmigt werden und eine selbstständige Tätigkeit ist verboten, doch landwirtschaftliche Tätigkeiten sind davon ausgeklammert. Demnach ist auch dienstrechtlich alles in Ordnung. Am 19. Jänner 2010 lässt sich Wilfried Taschler in der Bozner Handelskammer als landwirtschaftlicher Unternehmer eintragen. Dabei werden auch die Aufzucht von Vieh und die Haltung von Pferden eingetragen. Zweieinhalb Jahre später wird die Tätigkeit auf „Agritourismus und Beherbergung von Gästen“ erweitert.
Damit beginnt auch der „Urlaub auf dem Bauernhof“ am Weiherhof. Der Hof und die Wohnungen sind in das offizielle Register in der Kategorie „zwei Blumen eingetragen. „Ich vermiete die beiden Wohnungen“, bestätigt Wilfried Taschler gegenüber salto.bz. Auffallend ist: Weder in der offiziellen Liste des „Roten Hahns“ noch im Internet ist der Weiherhof zu finden.
 

Zwei Wohnsitze

 
Aber auch sonst ist der Weiherhof ein besonderer Hof. Urlaub auf den Bauernhof gilt als Nebenerwerb eines Bauern. Im Gesetz gibt es genaue Tabellen, wie dabei die Arbeitstunden zwischen Landwirtschaft und Nebenerwerb verteilt sein müssen.
Hier dürfte es nicht ganz stimmen. Auf dem Weiherhof ist im offiziellen Landesregister (UMA) keine einzige Maschine zugelassen. Zudem gibt es im geräumigen Stall seit mindestens zwei Jahren auch kein Vieh mehr. „Wir hatten bis 2015 Kälber und danach bis Mitte 2017 mehrere Pferde“, sagt das Ehepaar Taschler/Deeg unisono.
In Niederdorf behaupten böse Zungen, dass man sich die Tiere vom Toblacher SVP-Vizebürgermeister Anton Tschurtschenthaler ausgeliehen“ habe, um rechtlich in Ordnung zu sein. Hier dürfte es sich aber eher um üble Nachrede handeln.
Dass man in der Familie Deeg/Taschler aber durchaus kreative Lösungen zugetan ist, zeigt ein anderes Detail. Ein Bauernhof braucht natürlich auch eine Bauernfamilie. Umso mehr, wenn man dort auch noch Urlaub auf den Bauernhof anbietet.
 
 
Deshalb haben Waltraud Deeg und Wilfried Taschler zwei verschiedene Wohnsitze. Die SVP-Politikerin in ihrer Wohnung in Bruneck, der Gemeindesekretär und die gemeinsame Tochter am Weiherhof in Niederdorf. Auch das ist gesetzlich durchaus zulässig.
Der steuerlich angenehme Nebeneffekt: Beides sind Erstwohnungen und damit GIS-befreit.
 

Reiche Bauern

 
Der Sinn der Urlaub-auf-dem-Bauernhof-Gesetzgebung ist es, dem Landwirt, der unter schwierigen Bedingungen arbeiten und leben muss, eine zusätzliche Einnahmequelle zur Existenzsicherung zu erschließen. Ein durchaus sinnvolles und ehrenhaftes Anliegen.
Dass diese politische Maxime im Fall Deeg/Taschler wohl kaum zutreffen kann, zeigt ein Blick auf die Einkommenssituation des Ehepaares. Beide sind öffentliche Verwalter und müssen damit ihre Steuererklärungen offen legen. Waltraud Deeg hat im Jahr 2018 162.756 Euro verdient. Wilfried Taschler bekam im vergangenen Jahr als Gemeindesekretär von Toblach ein Jahresgehalt von 101.204,02 Euro. Es dürfte damit schwer erklärbar sein, warum diese „Bauernfamilie“ auch noch einen bäuerlichen Nebenerwerb braucht.
 
 
Mein Mann hat den Hof gekauft, bevor ich 2010 in die Gemeindepolitik gegangen bin“, versteht Waltraud Deeg das Interesse an dieser Geschichte nicht ganz. Auch ihr Mann Wilfried Taschler meint: „Ich habe nur das getan, was viele andere auch machen“.
Auch das stimmt. Es gibt sicherlich ein Dutzend noch problematischere Fälle von Papierbauern in Südtirol.
Dass aber ausgerechnet ein Mitglied der Landesregierung die Bestimmungen so dehnt und pervertiert, dürfte für die SVP ein heißes politisches Eisen sein.
 

Die geplante Reform

 
Erst im Oktober hat Peter Faistnauer vom Team K in einem Beschlussantrag im Landtag den Missbrauch des Urlaubs auf dem Bauernhof und die mangelnden Kontrollen aufs Tapet gebracht.
Es entwickelte sich im Landtag eine heftige Diskussion. Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler kündigte für Frühjahr 2020 eine Überarbeitung des Gesetzes an. Die Kriterien und Bestimmungen sollen verschärft werden. „Urlaub am Bauernhof soll nur mehr dort erlaubt sein, wo Bauer und Bäuerin wohnen und den Hof auch bearbeiten“, umschreibt Schuler seine Gangart. Der Südtiroler Bauernbund applaudierte wenig später etwas verhalten.
 
 
Die bloße Einführung der Verpflichtung, am Hof Tiere zu halten, um eine Lizenz für den Urlaub auf dem Bauernhof zu erhalten, wird das Problem nicht beheben“, nimmt Peter Faistnauer jetzt das Thema wieder auf. Der Team K- Abgeordnete: „Sogenannte Papierbauern und -bäuerinnen sind vielfach den Gemeindeverwaltungen bekannt und ich bin schon gespannt, wie man mit dem neuen Gesetz den Schlaumeiern das Handwerk legen will“.
Während der Landtagsdebatte saß Waltraud Deeg auf der Regierungsbank neben Arnold Schuler. Die SVP-Politikerin sagte selbstredend damals kein Wort. Darauf angesprochen, zögert Deeg jetzt keine Sekunde: „Ich trage die von der SVP vorgeschlagene Gesetzesänderung voll mit“, sagt sie zu salto.bz.
Die Ironie der Geschichte: Schulers Reform wird genau das, was die Familie Deeg/Taschler am Weiherhof tut, nicht mehr erlauben.
Waltraud Deeg ist aber Juristin. Und als solche weiß sie, dass man Bestimmungen nicht rückwirkend anwenden kann.
 

Update: (8.11.19 - 12.22 Uhr)

 
Waltraud Deeg legt Wert auf zwei Berichtigungen. Im Sinne der korrekten Anwendung nutzte Sie den Erstwohnungsabsetze-Betrag der GIS in Bruneck nicht. Zudem stimme es auch nicht, das Wilfried Taschler einen Jungbauernkurs besucht habe.