Verhütung, Sexualkunde, Beratung
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Manchmal sind die Videoaufnahmen der Landtagssitzungen genauso unterhaltsam wie Netflix-Serien. So zum Beispiel jüngst die Aufnahme vom 6. November zum Beschlussantrag Nr. 330/25 der SVP-Abgeordneten Waltraud Deeg und Harald Stauder, zusammengefasst mit der Bezeichnung „Studie zu Schwangerschaftsabbrüchen in Südtirol“.
Vielleicht ist unterhaltsam nicht das richtige Wort, wenn es darum geht, soziale, ökonomische und psychische Hintergründe von Schwangerschaftsabbrüchen zu erheben. Das deklarierte Ziel dieser Aktion ist eine Entstigmatisierung durch Wissenschaft, und dann überschlagen sich die Wort-Beiträge im Landtag: Der rote Faden in der Debatte ist der unterschwellige Zweifel, ob die Entscheidung zu einem Schwangerschaftsabbruch schon wirklich gut überlegt sei, oder vielleicht doch vermeidbar wäre.
Die Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch in Südtirol sind vermutlich genau dieselben wie auf der ganzen Welt: gesundheitliche, biografische, ökonomische, beziehungstechnische, traumatische.
Im Raum steht also die Frage: „was sind Gründe, wieso Frauen eine Schwangerschaft abbrechen?“.
So ganz ohne Studie, die ohnehin riskiert, Frauen in der Ausübung ihres Grundrechtes zu werten und damit erst recht zu stigmatisieren, wage ich zu behaupten, dass die Gründe in Südtirol genau dieselben Gründe sind wie auf der ganzen Welt: gesundheitliche oder biografische, aufgrund ökonomischer oder beziehungstechnischer Umstände, traumatische Bedingungen, oder ganz einfach, weil es der falsche Zeitpunkt im Leben einer Frau für eine Schwangerschaft ist.Ein Nachtrag in Zahlen: Das Astat hat vor wenigen Monaten die Zahlen der freiwilligen Schwangerschaftsabbrüche in Südtirol veröffentlicht (astatinfo 36/2025): In absoluten Zahlen waren es 525, die Zahlen der letzten Jahre sind recht stabil (leichter Rückgang um 4 % im Vergleich zum Vorjahr). Und das obwohl fast drei Viertel der Fachärztinnen und Fachärzte (74,3 % der Gynäkologinnen und Gynäkologen in Südtirol), Abbrüche aus Gewissensgründen verweigern. Und das sogar schon vor Einführung des neuen Medizinstudiengangs katholischer Prägung - siehe dazu „Sünde und Surgery" von Alexander van Gerven in der letzten FF. (Anm. d. Red.: Der Medizinstudiengang „Medicine & Surgery“ in Bozen wird in Kooperation mit der römischen Università Cattolica del Sacro Cuore angeboten).
Fast drei Viertel der Gynäkologinnen und Gynäkologen in Südtirol verweigern Schwangerschaftsabbrüche aus Gewissensgründen.
Genauso klar auf der Hand liegen die notwendigen Maßnahmen für die Unterstützung von Frauen in Schwangerschaft, Sexualität und Familienplanung: ein einfacher und kostengünstiger Zugang zu Verhütungsmitteln, umfassende und professionelle Sexualkunde in der Pflichtschule, Beratung in laizistischen Familienberatungsstellen – anonym, sachlich, unvoreingenommen.
Drei sinnvolle Maßnahmen, die von weiten Teilen der Bevölkerung und von der Forschung gefordert werden. Drei Maßnahmen, die von ebendiesem Landtag ignoriert und auch schon mal torpediert wurden. Wie wäre es mit mehr Kohärenz? -
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Aber von diesen beiden Stützen männlichen Patriarchats wär dies wohl überraschend.