Chronik | Justiz

Die nächste Verhandlung

Warum die Staatsanwaltschaft die Archivierung des Verfahrens gegen Arno Kompatscher in der “Bus-Affäre” beantragt hat. Und warum es bisher nicht dazu gekommen ist.
Busspur
Foto: Pixabay

Eineinhalb Jahre dauerten die Vorermittlungen der Bozner Quästur. Am Ende stapelten sich 4.000 Seiten an Abhörprotokollen, ein 1.200-seitiger Abschlussbericht und die Empfehlung an die Staatsanwaltschaft, Anklage gegen alle Tatverdächtigen zu erheben. Der Krimi rund um die lukrative Ausschreibung der zehnjährigen Konzession für die Überland-Buslinien, die am 6. Juli 2018 im letzten Moment annulliert wurde, hätte vor allem einem zum Verhängnis werden können: Landeshauptmann Arno Kompatscher.

Würde er wegen Amtsmissbrauchs angeklagt, würde das wohl sein politisches Aus bedeuten. Konkret wurde gegen Kompatscher wegen Störung der freien Durchführung eines Wettbewerbs (“turbata libertà degli incanti”) laut Art. 353 des Strafgesetzbuches ermittelt. Für seine Verteidiger, die Rechtsanwälte Karl Zeller und Alessandro Melchionda, stand fest: “In der enormen Fülle von Akten gibt es nichts Belastendes gegen Landeshauptmann Kompatscher, absolut nichts.” Tatsächlich ist die Staatsanwaltschaft der Empfehlung der Ermittler nicht gefolgt. Anfang Dezember 2020 haben die leitenden Staatsanwälte Igor Secco und Andrea Sacchetti bei Gericht die Archivierung des Verfahrens gegen Arno Kompatscher beantragt. Die ist bisher nicht erfolgt. Auch weil die SAD AG noch vor Weihnachten Widerspruch gegen die Archivierung eingereicht hat. In den kommenden Monaten wird es also eine Verhandlung vor einem Richter für die Voruntersuchungen geben.

 

“Keine strafrechtliche Verantwortlichkeit”

 

Den Stein für das Strafverfahren ins Rollen gebracht haben der Busunternehmer und damalige Pfalzner Bürgermeister Josef Gatterer, sein Sohn, SAD-Chef Ingemar Gatterer und der ehemalige Landtagsabgeordnete der Bürgerunion Andreas Pöder mit Eingaben bei der Staatsanwaltschaft, nachdem die Landesregierung am 6. Juli 2018 die Ausschreibung der Überland-Buslinien kurz vor Ablauf der Frist annulliert hatte. Sie vermuteten, dass Landeshauptmann Kompatscher dabei eine aktive Rolle gespielt hatte und denunzierten ein Nahverhältnis zwischen Kompatscher und der Familie des Kastelruther Busunternehmers Markus Silbernagl. Silbernagl ist Präsident des SAD-Konkurrenten LiBUS und seine Familie hält 10 Prozent der Aktien an der Seis-Seiser Alm Bahn AG, deren Präsident Kompatscher bis 1. September 2013 war.

Den SAD-Mitbewerbern LiBUS und KSM fehlte mit der Eintragung in das nationale REN-Register die Voraussetzung für die Teilnahme an der Ausschreibung 2018. Mit der Annullierung der Konzessions-Vergabe, deren Wert sich auf eine knappe Milliarde Euro belief, sollte verhindert werden, dass LiBUS und KSM von der Ausschreibung ausgeschlossen bleibt. So der Verdacht, dem die Ermittler nachgingen. Die Ermittlungsakten belegen, dass es vor der Annullierung des Beschlusses telefonischen Kontakt zwischen LiBUS-Präsident Markus Silbernagl und Arno Kompatscher gab. Und die Staatsanwaltschaft ist zum Schluss gekommen, dass die Indizien für eine Anklage nicht ausreichen: Sie schließen eine strafrechtliche Verantwortlichkeit Kompatschers aus. In erster Linie, weil die Annullierung der Ausschreibung von der Landesregierung gemeinsam – im Archivierungsantrag ist wörtlich von “natura ‘collegiale’ del provvedimento” die Rede – beschlossen wurde. Noch dazu basiere der Beschluss auf eine Vorlage der zuständigen Landesämter. Maßgeblich ausgearbeitet hat die Beschlussvorlage der für das Verfahren Verantwortliche Günther Burger.

Der damals leitende Beamte im Amt für Mobilität und heutige Ressortdirektor von Gesundheitslandesrat Thomas Widmann stand neben Kompatscher und zusammen mit LiBUS-Präsident Silbernagl im Fokus der Ermittlungen. Auch zwischen Burger und Silbernagl gab es an den Tagen vor der Annullierung telefonischen Kontakt. Und gegen beide wird es – anders als gegen Kompatscher – zur Anklageerhebung und zur Einleitung des Hauptverfahrens kommen.

Im Archivierungsantrag für das Verfahren gegen den Landeshauptmann halten die Staatsanwälte Secco und Sacchetti zudem fest, dass sie im Falle von Kompatscher keine Befangenheit sehen, wie sie in den Eingaben gegen ihn aufgeworfen worden war. Die Seis-Seiser Alm Bahn AG, deren ehemaliger Präsident er und dessen Großaktionär die Familie Silbernagl ist, habe mit der Ausschreibung der Buskonzessionen nichts zu tun und sei auch nicht im Bus-Transportsektor tätig. Die Staatsanwaltschaft verweist auf das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2020, in dem die Richter zum Schluss gekommen sind, dass ein Amt, das 2013 abgegeben wurde, fünf Jahre später keinen Interessenkonflikt mehr darstelle. Insofern hätte sich Kompatscher bei der Abstimmung in der Landesregierung über die Annullierung der Ausschreibung am 6. Juli 2018 auch nicht enthalten müssen.

 

Archivierung auch für Gatterer und Vettori

 

Zugleich mit dem für Kompatscher haben die Staatsanwälte Anfang Dezember auch einen Antrag auf Archivierung des Verfahrens gegen Ingemar Gatterer und Mariano Vettori gestellt. Gegen den Eigentümer und den Geschäftsführer der SAD AG war ebenfalls wegen Wettbewerbsverzerrung ermittelt worden. Gatterer hatte Informationen, die er von der Beamtin Carmen Larcher erhalten hatte – sie wird der Verletzung des Amtsgeheimnisses bezichtigt –, per Mail an die Presse und den Landtagsabgeordneten Pöder weitergegeben, woraufhin die Landesregierung die Annullierung beschlossen hat – mit der Begründung, dass durch das Verhalten der SAD AG das Amtsgeheimnis und das Wettbewerbsprinzip verletzt worden sei.

Die Verbreitung der Informationen via Mail sei zwar die “sicherlich falsche Methode” gewesen, schlussfolgert die Staatsanwaltschaft. Aber sie habe dazu gedient, öffentlich auf einen Versuch hinzuweisen, die Regeln einer Ausschreibung zugunsten der Konsortien LiBUS und KSM zu ändern. Und auch die Weigerung der SAD, dem Land Informationen für die Ausschreibung zukommen zu lassen – die Antitrustbehörde hatte dafür eine Millionenstrafe ausgestellt –, stelle keine Wettbewerbsbehinderung dar. Gatterer und Vettori hätten dafür nämlich “keine betrügerischen Mittel eingesetzt”. Zumindest hätten die durchgeführten Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen nichts Gegenteiliges ergeben.

Während Ingemar Gatterer seinen Widerspruch gegen die Archivierung des Strafverfahrens gegenüber der Tageszeitung damit begründet, dass “wir der Ansicht [sind], dass der Landeshauptmann in den Wettbewerb mit eingegriffen hat”, gibt sich Karl Zeller auf Nachfrage von salto.bz gelassen. Die Begründung für die Archivierung sei stichhaltig formuliert und der Richter werde den Ausführungen der Staatsanwaltschaft folgen, ist der Verteidiger von Landeshautpmann Kompatscher überzeugt. Der selbst hatte stets betont, “immer korrekt gehandelt” zu haben.