Politik | Landtagswahlen
„Wir haben die Grenzen erreicht“
Foto: SVP
Salto.bz: Ein Wipptaler SVP-Kandidat hat es bekanntlich schwer, den Einzug in den Landtag zu schaffen.
Josef Tschöll: Es hat wenig Sinn, wenn zwei Wipptaler kandidieren. Sie nehmen sich, sollten sie beide kandidieren, nur gegenseitig die Stimmen weg. Ich möchte mich nicht in den Vordergrund drängen und habe nur erklärt, dass ich mich zur Verfügung stelle.
In einer Vorwahl soll die Entscheidung zwischen Ihnen und Christian Egartner fallen. Ihre Einschätzung?
Der Ausgang einer offenen Vorwahl ist wirklich sehr schwer abzuschätzen. Es wird eine 50/50 Sache zwischen dem Christian und mir. An und für sich tut die Vorwahl gut, weil sie wieder Interesse an der Politik weckt.
Es wird eine 50/50 Sache zwischen dem Christian und mir.
Was sind Ihre Beweggründe für eine Kandidatur?
Derzeit leben wir in schwierigen Zeiten. Es werden Personen gebraucht, die über Erfahrung und die fachlichen Kompetenzen verfügen, um das Schiff durch diese stürmischen Zeiten zu steuern. Das Land braucht Menschen, die sich positionieren und die erklären, dass sie kandidieren wollen. Ich bin der Überzeugung, dass ich nicht nur für die Wirtschaft spreche, sondern über ein breit gefächertes Wissen verfüge, mit dem ich mich sowohl für das Wipptal als auch für das gesamte Land einbringen kann. Ich möchte in diesen schwierigen Zeiten einen Beitrag dazu leisten, die Dinge zum Besseren zu wenden.
Ist der Wunsch nach einer Kandidatur von Ihnen ausgegangen oder ist man auf Sie zugetreten?
Der Wunsch ging von mir aus, weil ich von sehr vielen Menschen darauf angesprochen wurde. Zum einen bin ich der Meinung, dass das Wipptal endlich wieder einen starken Vertreter im Landtag braucht, weil unser kleiner Bezirk ansonsten übergangen wird. Auf der anderen Seite gilt es natürlich auch als Wirtschaft innerhalb der Institutionen fachlich präsent zu sein. Dieses Wirken in der Öffentlichkeit ist nicht unbedingt jedermanns Sache.
Erst recht, wenn es zu handfesten Auseinandersetzungen kommt?
Auseinandersetzungen und Streitthemen werden nur allzuoft von den Medien aufgebauscht. Dabei passiert in der Politik nichts anderes als in der Gesellschaft auch: Es treffen unterschiedliche Meinungen und Interessen aufeinander, in der Diskussion muss man in der Lage sein, Kompromisse zu finden. Auch in der Politik kann man nicht einfach über die Meinung eines anderen „drüberfahren“. Diese Kompromisse kann man aber nur über den Weg der Sachkenntnis finden – wenn man weiß, wie die Dinge funktionieren und wenn man gute Argumente in der Hand hat und diese auch in der Lage ist, anschaulich zu vermitteln.
Sie wissen also, wie der Hase läuft?
Ich denke schon, dass ich lange genug im Geschäft bin, um zu wissen, wie die Politik funktioniert.
Sie sind ein ausgewiesener Experte im Arbeits- und Steuerrecht sowie Wirtschafts-Journalist. Sehen Sie sich auch als Arbeitnehmervertreter?
Ich bin als Freiberufler tätig und vertrete somit per se eine ausgewogene Linie. Ich gehöre zu den Arbeitgebern, kenne aber auch die Thematiken – angefangen bei den Sozialleistungen bis in das Arbeitsrecht hinein – , mit welchen die Arbeitnehmer konfrontiert sind. Mein Blick geht in beide Richtungen, weil man die Bereiche Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht unabhängig oder getrennt voneinander sehen darf. Das betrifft sowohl die Arbeitsmarkt- wie auch die Wirtschaftspolitik. Allerdings geht in den Diskussionen oft eine der beiden Schienen unter und es geschieht etwas, was auch in der Berichterstattung passiert: Die Ausgewogenheit geht verloren. Ich bin selbst als Publizist tätig und versuche immer, in meinen Artikeln beide Seiten zu Wort kommen zu lassen.
Einfach oder schwierig?
Machbar. Natürlich ist es die Aufgabe eines Journalisten zu kritisieren, wenn Dinge kontrovers sind, es sollte dabei aber immer um inhaltliche Kritik gehen.
In welchen Bereichen sehen Sie in Südtirol Handlungsbedarf?
Der demographische Wandel und seine Folgen werden große Herausforderungen an unsere Gesellschaft stellen. Die Frage, wie wir unsere Arbeitswelt und Gesellschaft umgestalten, damit das Überleben der deutsch- und ladinischsprachigen Minderheit in Italien gesichert ist, ist dabei von zentraler Bedeutung.
Die Frage, wie wir unsere Arbeitswelt und Gesellschaft umgestalten, damit das Überleben der deutsch- und ladinischsprachigen Minderheit in Italien gesichert ist, ist von zentraler Bedeutung.
Mit der weltbesten Autonomie ausgestattet müssten wir doch bestens abgesichert sein?
Auch die öffentliche Verwaltung ist von diesem Wandel nicht ausgeschlossen. Wenn wir keine Beamten mehr haben, die „den Laden schmeißen“, dann können wir die Autonomie langfristig in dieser Fülle wohl kaum halten. Wir werden massive Probleme bekommen, wenn wir nicht in der Lage sind, die Verwaltung so aufzustellen, dass in den kommenden 15 Jahren die Ressourcen ausgewogen genutzt werden und jene Generation ersetzt werden kann, die sich in den nächsten Jahren in die Pension verabschiedet. Vor allem in organisatorischer Hinsicht wird es eine große Herausforderung.
Wie beispielsweise in der Sanität?
Auch, aber nicht nur. In der öffentlichen Verwaltung liegt das Durchschnittsalter bei etwa 50 Jahren. Das heißt, dass etliche Beamte in Pension gehen, aber kaum welche nachkommen werden. Mit weniger Personal müssen in Zukunft also mehr Aufgaben bewältigt werden.
Vor allem was das Gehalt betrifft, hinkt der öffentliche Sektor der Privatwirtschaft hinterher.
Es ist nicht nur die Bezahlung, sondern es spielen viele Faktoren wie beispielsweise die Attraktivität des Arbeitsplatzes eine Rolle. Vordergründig wird zwar immer behauptet, dass es in erster Linie um die Gehaltsfrage geht, spricht man aber mit den Mitarbeitern, kommen auch andere Faktoren zum Tragen wie Zufriedenheit oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Weiters stellt sich die Frage nach der Finanzierung des öffentlichen Sektors. Das Land steht solide und ohne Schulden da, soll das weiterhin so bleiben, brauchen wir eine effiziente und gut funktionierende Wirtschaft, die vor allem auch wettbewerbsfähig ist. Die große Herausforderung wird darin liegen, mit weniger Personal und geringer werdenden Ressourcen trotzdem wettbewerbsfähig zu bleiben. Dafür müssen die Rahmenbedingungen aber erst geschaffen werden. Nur ein Beispiel: Es ist legitim, Diskussionen darüber zu führen, ob ein Unternehmen wie Alpitronic seinen neuen Firmensitz in Terlan errichten darf oder nicht. Wir riskieren aber, dass dieses Unternehmen möglicherweise ins Ausland abwandert, und das in einem Zukunftsmarkt wie den Elektro-Ladestationen. Natürlich werden dafür Ressourcen benötigt, wenn wir aber nicht bereit sind, diese zur Verfügung zu stellen, wird uns wahrscheinlich morgen ein Betrieb fehlen, der eine hohe Wirtschaftsleistung generiert und auf internationalen Märkten wettbewerbsfähig ist.
Wir müssen zukünftig sehr selektiv vorgehen und definieren, was noch erlaubt sein wird.
Wie könnte hier ein Kompromiss aussehen? Einerseits soll Grund und Boden gespart werden, andererseits will man Firmen im Land halten. Wann und bei wem zieht man die Grenze?
Wir haben die Grenzen in vielen Bereichen längst erreicht, speziell weil uns die Mitarbeiter fehlen. Wir müssen zukünftig sehr selektiv vorgehen und definieren, was noch erlaubt sein wird. Ich habe großen Respekt vor dem Vorhaben der Landesregierung, den Klimaplan, dessen zweiter Teil derzeit in Ausarbeitung ist, umzusetzen. Er wird den Rahmen vorgeben, wie wir künftig mit unseren Ressourcen sowie mit den ökologischen und gesellschaftlichen Aspekten umgehen. An diesem Prozess beteiligt zu sein und einen Beitrag zu leisten, ist motivierend. Die nächsten fünf bis zehn Jahre werden sehr herausfordernd sein, aber ich würde mich freuen, wenn ich einen Beitrag dazu leisten könnte.
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