Umwelt | Interview

„In Symbiose gehen“

Architekt Walter Angonese vertritt künftig Südtirol im Wissenschaftlichen Beirat der Stiftung Dolomiten Unesco. Er fordert ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur.
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Foto: Universitá della Svizzera Italiana
Im Wissenschaftlichen Beirat der Stiftung Dolomiten Unesco wird künftig Walter Angonese das Land Südtirol vertreten. Der Architekt aus Kaltern ist derzeit Direktor der Akademie für Architektur der Universität der italienischen Schweiz in Mendrisio, wo er seit 2011 als ordentlicher Professor lehrt. Seine Arbeiten wurden mit zahlreichen internationalen Preisen und Auszeichnungen bedacht.
Ich beobachte, dass die Menschen eigentlich das Kleinteilige, Typische und Spezifische suchen und nicht das, was sie überall finden können.
salto.bz: Herr Angonese, was bedeuten Ihnen die Dolomiten persönlich?
 
Walter Angonese: Vor 20 Kilo war ich noch ein passabler Kletterer, deshalb kenne ich die Dolomiten von innen und außen sehr gut. Sie sind für mich wie eine von der Schöpfung geschaffene, große Skulptur. Sie haben etwas Künstlerisches, Einmaliges und auch Mythologisches an sich. Die Dolomiten haben wie auch andere Landschaften der Welt eine sehr starke physische und emotionale Präsenz.
 
Wie hängen Architektur und Landschaft zusammen?
 
Es ist die Schlüsselaufgabe des Architekten so zu bauen, dass das Gebaute mit der bestehenden Stadt-, Natur- oder Kulturlandschaft eine Symbiose eingeht. Dabei ist auch wichtig, dass Gebäude nicht zu wichtig zu nehmen. Beispielsweise bei einer Landschaft wie den Dolomiten haben wir als Architekten nie die Chance, gegen die Majestät eines Gipfels oder einer Bergkette anzukommen. Die Landschaft ist gemeinsam mit der kulturellen und sozialen Verantwortung sowie der Bescheidenheit einer der Schlüsselbegriffe in der Architektur.
 
 
Sie sind für Ihr Engagement für eine zeitgemäße und ortsadäquate Architektur bekannt. Wie beurteilen Sie die touristische Entwicklung und deren Folgen in Südtirol aus diesem Blickwinkel?
 
Es gibt erste Hoffnungen und Ansätze, dass sich etwas ändert. Die Leute haben verstanden, dass sich mit Masse und riesigen Hotels keine Kunden akquirieren lassen. Das ist kein Bewusstseinswandel, sondern eine Reaktion auf den Markt. Mittlerweile sind einige interessante, zeitgenössische Hotelarchitekturen in der kleinen und mittleren Größenordnung entstanden. Beispiele wie der Quellenhof hingegen machen mir Angst.
Ist es wirklich notwendig, dass jeder mit dem Auto auf einen Pass fährt, um Landschaft zu konsumieren?
Wollen die Gäste aus Ihrer Sicht keinen Massentourismus mehr?
 
Ich bin kein Soziologe und auch kein Wirtschaftswissenschaftler. Aber ich beobachte, dass die Menschen eigentlich das Kleinteilige, Typische und Spezifische suchen und nicht das, was sie überall finden können. Südtirol hat hier mit seinem Facettenreichtum gute Chancen.
 
 
Welche Schwerpunkte werden Sie beim Wissenschaftlichen Beirat der Stiftung Dolomiten Unesco verfolgen?
 
Damit Menschen sowohl Respekt vor der Natur entwickeln als auch die Natur als Raum der Regeneration entdecken, muss ein Bewusstsein nähergebracht werden. Wir brauchen keinen riesigen Nationalpark, wo nichts mehr möglich ist. Aber man sollte darüber reflektieren, wie der Konsum von Landschaft erfolgen soll. Ist es wirklich notwendig, dass jeder mit dem Auto auf einen Pass fährt, um Landschaft zu konsumieren? Es ist wichtig, dass Menschen auch im kulturellen Sinn Landschaften erleben können, sie gewinnen dadurch Erkenntnis und Erfahrung. Aber es braucht ein ausgewogenes Gleichgewicht im Weltnaturerbe Dolomiten. In diesem geographischen Gebiet müssen der Mensch und die Natur Platz haben.