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"Bedarfsgerecht" ist das Zauberwort

Der Landesrat für Gesundheit und Soziales Richard Theiner lud zu einem Bilanzgespräch, das gleichzeitig ein Ausblick auf die nächsten Jahre ist. Das Südtiroler Sozialsystem soll noch zuverlässiger und einfacher werden.
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Foto: web

Im barrierefreien Haus Matschatsch in Oberplanitzing/Kaltern empfing der Landesrat die Medienvertreter. Mit dabei waren Amtsdirektor Luca Critelli, Ressortdirektor Florian Zerzer sowie die Abteilungleiterin im Gesundheitswesen Irmgard Prader. „Die Arbeit in diesem Bereich war in den vergangenen Jahren eine große Herausforderung,“ sagte der Landesrat, „jedoch auch zufriedenstellend und ich werde sehr gerne weiter daran arbeiten.“ Eine klare Ansage von Richard Theiner.

Das soziale Netz in Südtirol hält, lautete die zentrale Botschaft. Trotz rückläufiger Budgets und einem sehr schwierigen Jahr 2012 sei es gelungen, das Niveau zu halten. Die Pflegesicherung soll ausgebaut, eine Mindestsozialsicherung eingeführt und die Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt soll forciert werden.

Um das alles noch weiter zu verbessern, soll die Bedarfsgerechtigkeit noch zuverlässiger ermittelt werden. Die Einheitliche Einkommens- und Vermögenserklärung (EEVE) ist dabei die Basis, auf die man sich stützt. Allein 2012 seien über 140.000 Erklärungen abgegeben worden. Die geplante Mindestsicherung umfasse Wohn- und Mietgeld, Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe. „Jedoch geht das nicht in Richtung bedingungsloses Grundeinkommen, das ich zwar für ein interessantes Gedankenexperiment aber für nicht realistisch durchführbar halte. Würden Sie noch arbeiten wollen, wenn Sie ohne etwas zu leisten, je 1.000 Euro im Monat kriegten?“ fragte Theiner. Zuerst komme die Eigenverantwortung, dann die Solidarität.

Auf die Pflegesicherung ist man besonders stolz: 2012 seien 195 Millionen Euro an öffentlichen Geldern in die Pflegesicherung geflossen und sie zeige Wirkung: „Wir haben festgestellt, dass die Zahl der Menschen, die in Heimen betreut werden, von 2008 bis heute um rund zehn Prozent angestiegen ist, jene der Menschen, die zuhause gepflegt werden, dagegen um rund 15 Prozent", so der Landesrat. Das Ziel sei, Menschen solange wir möglich an ihrem Wohn- und Lebensort zu belassen.

Die Verschränkung der Dienste zwischen Sanitätseinheiten und Territorien werde weiter forciert, soziale und gesundheitliche Leistungen sollten nicht gedoppelt, sondern gebündelt werden, das sei das Ziel. Wohnortnah, bedarfsgerecht, hochwertig, das seien die Kriterien.

Was die Wohnortnähe betrifft, so betonte Theiner, dass es das Ziel der Landesregierung gewesen sei, trotz  Montis Spending Review alle sieben Krankenhäuser zu erhalten. „Das heißt aber nicht, dass alle alles machen können, vielmehr geht es bei der Betreuung im Sprengel um die Aufteilung der Verantwortung auf Schwerpunkt- und Grundversorgungskrankenhäuser", so der Landesrat. Gleichzeitig soll auch die Betreuung außerhalb der Krankenhäuser intensiviert werden. „Wir sind in Verhandlung mit den Hausärzten, um deren Rolle zu stärken, wir fördern die Gruppenmedizin, also den Zusammenschluss von Ärzten und wollen auch die Dienste der Sprengel ausbauen", erklärte Theiner.

Viel Wert legte der Landesrat darauf, dass das Südtiroler Gesundheitsressort die Kosten im Griff habe, gleichzeitig aber auch Spitzenqualität garantiere. Die Umgestaltung des Gesundheitssystems habe sogar eine Reduzierung der Pro-Kopf-Ausgaben von 200 Euro bewirkt, bei gleichzeitigem Ausbau der Dienste. Die Einrichtung der Komplementärmedizin etwa, die Eröffnung der Kinderpsychiatrie in Meran oder die geplante Reha-Station in Sterzing, seien hier zu nennen. Die Reformen im Sanitätswesen hätten zwar zu Kritik und Reibereien geführt, doch „wer Kritik nicht aushält, der ist für diesen Job nicht der Richtige,“ so Theiner.

So seien die geplanten Vertragsauflösungen für jene Krankenpfleger, die vor 10 Jahren nach Südtirol geholt wurden, absolut korrekt: „Entlassen wird hier ja niemand, es handelt sich um Verträge auf Zeit und wir haben den Leuten entsprechende Kurse angeboten, damit sie die Voraussetzungen für eine dauerhafte Aufnahme in den Sanitätsdienst erfüllen.“ Nach wie vor seien Zweisprachigskeitsprüfung und Wettbewerbe die richtigen Instrumente, um Personal in den öffentlichen Dienst aufzunehmen, sagte der Landesrat, daran werde sich so schnell nichts ändern.

Auch wenn sich die Südtiroler Gesellschaft in ihrer herkunftsmäßigen Zusammensetzung immer schneller verändert.

Was die Kosten betrifft, erinnerte Theiner nicht nur an die gesunkenen Pro-Kopf-Ausgaben sondern auch daran, dass der Anteil des Gesundheitsbudgets am BIP in Südtirol bei 6,34 Prozent liege, während der staatliche Anteil in Italien bei 7,25 Prozent, in Österreich bei 8 und in Deutschland bei 8,65 Prozent liegt. Qualitativ habe dagegen eine kürzlich veröffentlichte Studie der Uni Göteborg bewiesen, dass Südtirols Gesundheitswesen im europäischen Spitzenfeld liegt. Getestet wurde die Qualität in 172 Regionen, Südtirol belegt in dieser Rangliste den hervorragenden neunten Platz.

Auch zum Thema Familie soll es quantitative und qualitative Neuerungen geben. „Mit 2014 führen wir den Familienpass ein, das Landeskindergeld wird verdoppelt und die Kleinkinderbetreuung neu geregelt.“ Mit dem Familienförderungsgesetz hat die Südtiroler Familienpolitik im Mai 2013 erstmals einen umfassenden gesetzlichen Rahmen erhalten. Ab 2014 erhalten Eltern 200 statt bisher 100 Euro.

Ebenfalls in den nächsten Monaten wird der Familienpass eingeführt, der bei Einkäufen Rabatte zwischen 5 und 15 Prozent auf den Gesamtpreis gewährt. Auch die Neuregelung der Kleinkinderbetreuung steht an, mit vereinheitlichten Tarifen für Kinderhorte, Kitas und Tagesmütter.

Alles in allem, so Theiner, habe man gut gearbeitet und sich nicht gescheut, heiße Eisen anzufassen. Er sei stolz auf die Leistungen seines Assessorates.

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Michael Bockhorni Do., 08.08.2013 - 21:12

es gibt durchaus bereiche in denen das netz auf grund der einsparungen im jahr 2012 nicht mehr hält, die qualität und die angebote der sozialen dienste reduziert werden mussten (was allerdings langfristig die kosten erhöht). das einsparpotenzial der bedarfsgerechtigkeit hängt nicht nur vom richtig ermittelten einkommen ab, sondern auch vom richtig ermittelten angebot: präventiv, ambulant, stärkung der fähigkeiten statt erst am ende eines sozialen abstiegs, stationär und versorgend. diese kritik ist schon lange von den diensten und im feld aktiven formuliert, in sozialplänen und leitlinien formuliert, harrt aber immer noch auf umsetzung.

Do., 08.08.2013 - 21:12 Permalink