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Sündenbock Tourismus?

Der Tourismus wird derzeit für viele negative Entwicklungen in Südtirol verantwortlich gemacht. Eine ehrliche Diskussion ist gefragt, sagt HGJ-Obmann Daniel Schölzhorn.
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Foto: Othmar Seehauser
Verkehrsstaus ohne Ende, Preisexplosionen auf dem Wohnungsmarkt und regelrechte Völkerwanderungen in den Südtiroler Bergen: Was müssen sich die Tourismus-Vertreter derzeit nicht alles anhören, wofür sie verantwortlich gemacht werden. Noch nicht einmal von der Politik wird der in Verruf geratene Wirtschaftssektor, der schließlich wesentlich dazu beigetragen hat, dass sich Südtirol von einer landwirtschaftlich geprägten Region zu einer der reichsten und wohlhabendsten entwickelt hat, in Schutz genommen. Bereits in der Vergangenheit forderte Daniel Schölzhorn, Obmann der Hotel- und Gastwirtejugend (HGJ), mehr Verständnis von Seiten der Politik.
 
 
 
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Daniel Schölzhorn, Obmann der Hotel- und Gastwirtejugend (HGJ): „In dieser Auseinandersetzung fehlt uns als HGJ sehr wohl eine klare Stellungnahme oder eine klare Positionierung seitens der politisch Verantwortlichen. Ich weiß nur eines: Meine Kolleginnen und Kollegen würden sich diese Positionierung bisweilen wünschen.“ (Foto: Privat)
 
 
Nun hat der Verband ein Positionspapier verfasst, in welchem die Anliegen an die nächste Legislatur zusammengefasst werden. Die künftige Landesregierung wird darin aufgefordert, durch öffentliche Stellungnahmen und diverse Aktionen auf den Stellenwert des Tourismus für die Wirtschaft, für die Sicherung von Arbeitsplätzen und für die Schaffung von Freizeitinfrastrukturen für die Bevölkerung hinzuweisen und dadurch zur Steigerung der Tourismusgesinnung beizutragen. Wie Schölzhorn auf Nachfrage von Salto.bz erklärte, stehe der Tourismus schon seit Längerem immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik und werde für Missstände verantwortlich gemacht, welche nicht auf den Tourismus allein zurückzuführen seien. „In dieser Auseinandersetzung fehlt uns als HGJ sehr wohl eine klare Stellungnahme oder eine klare Positionierung seitens der politisch Verantwortlichen. Ich weiß nur eines: Meine Kolleginnen und Kollegen würden sich diese Positionierung bisweilen wünschen“, betont der Obmann. Mitverantwortlich für das schlechte Stimmungsbild sei unter anderem die unausgewogene Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, wozu nicht nur die Medien beitragen, sondern jene Menschen und Institutionen, die sich mit ihren Stellungnahmen undifferenziert zu diesem Thema äußerten. „Die Medien selber sollten schon die positiven Aspekte des Gastgewerbes würdigen und nicht mit einem kurzen Halbsatz abtun“, so Schölzhorn.
 
 
Tourismus
Überfüllte Fußgängerzone: Sündenbock Tourismus? (Foto: Seehauserfoto)
 
Doch wann und wie passierte diese Verkehrung ins Negative? Schölzhorn sieht diese Entwicklung als Folge des steigenden Verkehrsaufkommens, wegen der Gäste, die öfter als früher auf unseren Bergen unterwegs sind, und der Erweiterung von touristischen Infrastrukturen. Wenn morgens und nach Arbeitsschluss die Straßen voll sind, könne man dafür allerdings nicht den Tourismus verantwortlich machen, denn zu dieser Zeit sei kaum ein Tourist unterwegs. „Wenn auf der Brennerautobahn eine Fahrspur konstant mit LKWs belegt ist und der gesamte Transit- und Reiseverkehr auf der zweiten Fahrspur läuft, dann kann dafür ebenso nicht pauschal der Tourismus in Südtirol verdammt werden. Ich habe kein Problem mit einer kritischen Diskussion, sie muss aber ehrlich und ausgewogen sein“, betont der HGJ-Obmann.
 
 

Raumordnung und Planwirtschaft

 
In seinem Positionspapier fordert die Hotel- und Gastwirtejugend unter anderem auch Klarheit in der Raumordnung und verständliche Formulierungen, „damit nicht jeder Bauherr Urbanistikexperten benötigt“. Als Beispiel dafür nennt Schölzhorn, die Vorgabe, dass im landwirtschaftlichen Grün nur auf 30 Prozent der bebauten Fläche erweitert werden könne. Damit sei beinahe keine quantitative Erweiterung mehr möglich. „Gerade kleine Betriebe und Betriebe, die aus welchen Gründen auch immer, bislang nichts unternehmen konnten, sind dadurch enorm eingeschränkt. Dies ist keine rosige Aussicht für junge, motivierte Unternehmerinnen und Unternehmer“, kritisiert Schölzhorn und nennt als weiteres Beispiel die Umsetzung des Landschaftsleitbildes. „Ich weiß nur von Experten, Sachverständigen und Gemeindepolitikern, dass dies sehr langwierig ist und de facto für längere Zeit zu einem Stillstand führt.“ Mittlerweile mische sich das Land zu viel in die Belange der Wirtschaft ein, ist der HGJ-Obmann, der in der Vergangenheit diesbezüglich von Planwirtschaft sprach, überzeugt.
 
 
Ich glaube, es sind mittlerweile zu viele Regeln und Hindernisse, um uns junge Unternehmerinnen und Unternehmer, egal ob Bauern, Handwerker, Gastwirte, Handelstreibende, Dienstleister, noch zu motivieren, in unserem Land Tolles zu leisten und ihr Herzblut einzubringen.
 
 
„Ich glaube, es sind mittlerweile zu viele Regeln und Hindernisse, um uns junge Unternehmerinnen und Unternehmer, egal ob Bauern, Handwerker, Gastwirte, Handelstreibende, Dienstleister, noch zu motivieren, in unserem Land Tolles zu leisten und ihr Herzblut einzubringen. Wir haben sehr viele sehr engagierte Unternehmerinnen und Unternehmer und sehr viele sehr gut ausgebildete junge Menschen. Diese müssen die Möglichkeit erhalten, sich bei uns zu verwirklichen. Nur so stützen und fördern wir unseren mittlerweile erreichten Wohlstand und sozialen Frieden“, erklärt Schölzhorn. Auf die Frage, wohin sich der Tourismus entwicklen soll und wann genug ist, erklärt der Jung-Gastwirt, dass es sicher Orte in Südtirol gebe, die genügend touristische Betten aufweisen.
 
 
Zu behaupten, Südtirol hat insgesamt zu viel Gästebetten oder leide an Overtourism, ist einfach falsch.
 
 
„Auch hier plädiere ich für eine differenzierte Diskussion. Zu behaupten, Südtirol hat insgesamt zu viel Gästebetten oder leide an Overtourism, ist einfach falsch. Dass der Sektor geregelt werden muss, dem stimme ich ja zu, aber das muss dann für alle Anbieter von touristischen Betten gelten, insbesondere auch für jene, die privat genutzten Wohnraum zu touristischen Zwecken vermieten“, so Schölzhorn, der fordert, dass die Regeln für alle gelten müssten. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb ein gewerblicher Betrieb eingeschränkt, ein nicht gewerblicher Betrieb von den Einschränkungen aber ausgenommen werde. „Wenn das umgesetzt ist, dann diskutiere ich gerne über die Frage, wann genug ist“, betont der HGJ-Obmann und erklärt: „Wir haben Orte, wo es weitere Gastbetriebe vertragen würde. Ich denke, diese Entwicklung soll nicht unterbunden werden. Damit werden ja Arbeitsplätze geschaffen, auch für Frauen, welche gerne in Teilzeit arbeiten wollen und dies in unseren Betrieben sehr gut tun können. Die Entwicklung in unseren Dörfern darf nicht gebremst werden. Ansonsten ziehen junge Menschen anderswo hin, wo sie ihre Visionen verwirklichen können. Wollen wir das ernsthaft?“
 
 
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K V Fr., 08.09.2023 - 13:42

"Die Entwicklung in unseren Dörfern darf nicht gebremst werden. Ansonsten ziehen junge Menschen anderswo hin, wo sie ihre Visionen verwirklichen können. Wollen wir das ernsthaft?"
Sie sagen es Hr. Schölzhorn, junge Menschen, insbesondere hochqualifizierte ziehen weg, da sie sich hier keine Wohnung leisten können und im Ausland zudem deutlich mehr verdienen. Der Tourismus ist zwar nicht alleine Schuld, aber der Hauptverursacher wenn es um teure Lebenskosten geht.

Fr., 08.09.2023 - 13:42 Permalink
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Josef Fulterer So., 10.09.2023 - 18:09

Antwort auf von K V

"EINIGES" der beanstandeten übertriebenen Regelungen, Vorschriften, Hindernisse und Bevormundungen, haben die Verbände im schönen Einvernehmen mit den Politikern erfunden, weil man damit "den deswegen überforderten Mitgliedern Kosten-pflichtig Dienstleistungen anbieten kann," die sie bei einem vernünften Einsatz der Verbände zur Vereinfachung der Regelungen nicht hätten.
Ganz nach dem Grundsatz, ... in den Rollstuhl, ...dann muss er um die "badante" froh sein.

So., 10.09.2023 - 18:09 Permalink