Ein offenes Ohr und Auge
Sie haben Namen. Sie haben Gesichter. Und doch sind sie oft unsichtbar. Ludwig Thalheimer hat sie festgehalten. 20 Menschen, jeder mit seiner eigenen Persönlichkeit, seiner eigenen Geschichte, seinen eigenen Träumen. Sie haben sich nicht gesucht und finden sich doch mit demselben Schicksal wieder. Auf der Straße.
Dieser Tage zeigt der Bozner Fotograf Porträts von 20 Obdachlosen im Foyer des Hauptgebäudes der Freien Universität Bozen am Bozner Universitätsplatz. “Einige kenne ich schon sehr lange, andere habe ich für dieses Projekt extra gefragt”, berichtet Thalheimer. Wie einfach war es, die Obdachlosen dazu zu bewegen, ihn in sein Fotostudio zu begleiten und sich fotografieren zu lassen? “Diese Frage stellen mir alle”, meint der Fotograf. Für ihn sei es selbstverständlich, auf die Menschen zuzugehen, mit ihnen zu reden, ihnen zuzhören, “mit Respekt und auf Augenhöhe zu begegnen”.
Er hat keinen der Porträtierten bezahlt, “aber es hat auch niemand nach Geld gefragt”. Es ist nicht das erste Mal, dass Thalheimer Menschen auf der Straße fotografiert. “Ganz oft passiert es, dass mir völlig Unbekannte ihre Lebensgeschichte erzählen. Man kann schon viel helfen, indem man zuhört.”
Bis Samstag, 12. Oktober läuft die Ausstellung unter dem Titel “WIR draußen_NOI fuori”. Eröffnet wurde sie am Montag im Rahmen einer Tagung, die das Thema Obdachlosigkeit in den Mittelpunkt stellte. Was passiert danach mit den Fotos? Die Menschen darauf sollen nicht wieder unsichtbar werden, so Thalheimers Wunsch. “Ich möchte, dass die Porträts zirkulieren, sie sind einfach zusammenzuklappen und zu transportieren und sollen in öffentlichen Räumen aufgestellt werden. Das Schlimmste wäre, wenn sie in irgendeiner Abstellkammer verschwinden.”
“Es gibt unterschiedlichste Gründe dafür, dass jemand obdachlos wird, es kann jeden von uns treffen und wir sollten uns dessen bewusst sein”, appelliert Thalheimer. Mit seinen Fotografien gibt er diesen Menschen Sichtbarkeit – und ein Stück Würde, die ihnen die Straße verwehrt.