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„Ich weiß, wo ich hingehöre“

Das Derby zwischen Bruneck und Bozen ist kein simples Eishockey-Match. Das gilt umso mehr für Daniel Glira, der für beide Vereine auf dem Eis stand. Im Interview spricht er über das Spiel am Freitag, die Pusterer Ambitionen und seine Ziele.
Daniel Glira im letzten Derby zwischen dem HCP und HCB.
Foto: Iwan Foppa/HC Falkesteiner Pustertal
  • Im Pustertal ist alles angerichtet für einen denkwürdigen Eischockey-Abend. Die Intercable Arena ist restlos ausverkauft, die tabellarische Ausgangslage wohl seit dem Serie A-Finale 2012 schon lange nicht mehr derart brisant. Am Freitag (Spielbeginn 19.45 Uhr) empfängt der HC Falkensteiner Pustertal die Füchse des HC Südtirol Alperia zum ersten Derby der noch jungen ICE Hockey League 2025/26. Es ist nicht nur das Spiel Tabellenerster gegen Vierter, Hockey-Town gegen Hockey-Valley, sondern Landeshauptstadt gegen Seitental und Favorit gegen Underdog. Beide Vereine schicken aber hochkarätige Mannschaften auf das Eis, Wölfe-Kapitän Raphael Andergassen ist sich sicher: "Der Tabellenstand gibt keinen wirklichen Favoriten her!“

    Jemand, für den das Derby nochmal eine Brise besonderer sein dürfte, ist der Pusterer Verteidiger Daniel Glira (31). Der Toblacher begann seine Karriere beim HC Pustertal, streifte jedoch von 2016 bis 2020 das Leiberl des HC Bozen über und krönte sich in der Landeshauptstadt zum EBEL-Champion, ehe er wieder zu seinem Heimatverein zurückkehrte. Mit dem HCP ist der Linksschütze gut in die fünfte ICE-Saison gestartet und empfängt sein Ex-Team nun mit viel Selbstvertrauen. 

  • SALTO: Ihr habt einen intensiven Roadtrip hinter euch. Fünf von sechs möglichen Punkten in Székesfehérvár und Wien sind eine gute Bilanz. Dennoch war der Overtime-Sieg gegen die Capitals (4:5 n. V.) nach der Heimniederlage gegen Budapest das zweite Spiel binnen einer Woche, das der HCP in den Schlussminuten aus der Hand gegeben habt. Woran hat es gelegen?

    Daniel Glira: Die Spiele in Wien und Fehervar sind nie einfach, deshalb sind wir mit der Punkteausbeute grundsätzlich zufrieden. Natürlich hätten wir aus Wien gerne die vollen drei Punkte mitgenommen. Wir haben die Schlussphase im Training analysiert und sind zum Schluss gekommen, dass wir gar nicht so viel falsch gemacht haben – auch wenn das paradox klingen mag, wenn man zwei späte Gegentore kassiert. Der Gegner hat das in dieser Situation einfach stark ausgespielt, das kann im Eishockey passieren. Die eigentliche Lehre daraus ist, dass wir unsere zahlreichen Chancen im zweiten und dritten Drittel konsequenter hätten nutzen müssen. Dann wären wir gar nicht erst in diese heikle Lage gekommen.

    Das klingt, als wäre die Chancenverwertung aktuell die größte Baustelle?

    Wir können uns im Moment gegen fast jeden Gegner sehr viele Chancen erarbeiten. Auch gegen Budapest hatten wir das Spiel unter Kontrolle, und plötzlich gab es zwei Situationen, in denen man sich fragt, wie daraus ein Gegentor entstehen konnte. Aber wir lassen uns davon nicht beirren. Wir spielen weiter unser System und wissen, dass wir zu unseren Möglichkeiten kommen werden.

    Immerhin: der HCP stellt nach Bozen die zweitbeste Defensive der Liga. An welchen Stellschrauben müsst ihr als Team insgesamt noch drehen?

    Es ist ein gutes Zeichen, dass wir so viele Chancen kreieren. Das bestätigt, dass wir die richtigen Spieler im Team haben. Aber klar ist auch: Bei der Chancenauswertung und in den Special Teams müssen wir noch zulegen. Unser Powerplay hat in den letzten Spielen schon besser funktioniert, nachdem wir zu Beginn noch unsere Probleme hatten. Auch im Unterzahlspiel sind wir noch nicht dort, wo wir hinwollen. Die Special Teams sind entscheidend, wenn du über eine lange Saison erfolgreich sein willst. Doch wir werden von Spiel zu Spiel besser. Die neuen Spieler haben sich hervorragend integriert, und mit der Zeit wird es natürlich noch einfacher, die Spielidee des Trainers zu verinnerlichen. 

    Wir sind mit dem bisherigen Saisonverlauf sehr zufrieden, wissen aber genau, woran wir arbeiten müssen, um oben dranzubleiben. 

  • Ausverkaufte Intercable Arena: Das Derby am Freitag verspricht wie das letzte Derby am 14. Februar 2025 ein stimmungsvolles Sportfest zu werden. Foto: Iwan Foppa/HC Falkensteiner Pustertal
  • Apropos Bozen: Am Freitag kommt der Rivale als Tabellenführer nach überzeugenden Siegen gegen Salzburg und Ljubljana mit einer ordentlich breiten Brust nach Bruneck. Wie selbstbewusst gehen die Wölfe ins Spiel?

    Voller Selbstbewusstsein. Wir wissen natürlich, wie stark Bozen ist. Sie gehören jedes Jahr zu den besten Mannschaften und haben sich heuer im Vergleich zum Vorjahr wohl noch einmal verbessert. Deshalb wird es eine harte Aufgabe. Aber in unserem Stadion haben wir den Anspruch, gegen jeden Gegner gewinnen zu können. Da machen wir auch bei Bozen keinen Unterschied.

    Der letzte Derbysieg gehörte dem HCP (3:2 n. V.) – ein denkwürdiges Spiel mit Overtime, vielen Emotionen und einer wilden Rauferei nach dem entscheidenden Treffer von Mickael Frycklund. Welches Spiel erwarten Sie diesmal?

    Es wird sicher wieder ein hochemotionales Spiel, in dem beide Teams noch ein paar Prozent mehr investieren als in anderen Partien. Einen großen Anteil daran hat auch die Atmosphäre im Stadion. Es geht immer hitzig zu, egal ob bei uns in Bruneck oder in Bozen. Ich denke, beide Mannschaften werden sich mit dem nötigen Respekt begegnen und zunächst versuchen, ihre defensiven Hausaufgaben zu erledigen. Beide wissen, wie gefährlich das andere Team sein kann.

  • Die Bilanz des Südtiroler Derbys

    Die Bilanz zwischen Pustertal und dem HC Bozen fällt seit der erstmaligen Teilnahme des HC Falkensteiner Pustertal an der ICE Hockey League zu Gunsten der Bozner aus. Auf Seite der Füchse stehen zehn Erfolge in 16 offiziellen Aufeinandertreffen. Der HC Pustertal hält bei sechs Siegen. Kurios: ein 6-2 Heimsieg ist für beide Teams der jeweils höchste Sieg gegen den Rivalen in der internationalen Eishockeyliga. Auch spektakuläre Aufholjagden durften die Fans bereits bestaunen. Während der HCP im ersten Jahr der Ligazugehörigkeit 2021 einen Zwei-Tore-Rückstand in Bozen in den Schlussminuten des Spiels und der Overtime in einen Sieg (2-3 n.V.) ummünzte, kam der HCB 2024 nach einem 4-0 aus Sicht der Wölfe zurück und bezwang Bruneck daheim ebenfalls in Overtime noch mit 4-5. 

  • Sie haben in Ihrer Karriere sowohl für den HC Pustertal als auch für den HC Bozen gespielt und mit den Boznern die Meisterschaft gewonnen. Wie hat sich die Liga seit Ihrem damaligen EBEL-Debüt verändert?

    Die Liga ist definitiv ein Stück stärker geworden. Fast alle teilnehmenden Mannschaften können im Kampf um die Playoffs ein Wörtchen mitreden. Früher war es vielleicht einfacher, gegen bestimmte Gegner Punkte zu holen.

    Die Südtiroler Teams scheinen aber gut Schritt halten zu können...

    Bozen ist seit vielen Jahren ein absolutes Top-Team der Liga und geht jede Saison mit dem klaren Ziel an, Meister zu werden. Wir hingegen sind in einer anderen Situation, da wir noch nicht so lange dabei sind und unsere Erwartungen anfangs etwas niedriger angesetzt haben. Unser Ziel, die Playoffs, haben wir aber glücklicherweise fast immer erreicht. Heuer haben aber auch wir eine andere Mannschaft und wollen dementsprechend weiter nach oben greifen. Ich bin überzeugt, dass beide Vereine in dieser Saison eine wichtige Rolle spielen werden.

  • Daniel Glira konnte sich in den letzten zwei Aufeinandertreffen mit dem HC Südtirol Alperia in die Liste der Torschützen eintragen. Foto: Iwan Foppa/HC Falkensteiner Pustertal
  • Der HCP hat auf dem Papier eine starke Truppe zusammengestellt, die Ansprüche sind gestiegen. Ist Bruneck reif für ein Finale oder sogar den Titel?

    Wir Spieler spielen, um Titel zu holen. Als klares, gemeinsames Ziel haben wir aber die Top-6-Qualifikation ausgegeben, um den Umweg über die Pre-Playoffs zu vermeiden. Wenn man unsere bisherigen Spiele gesehen hat, auch gegen die Top-Teams, merkt man, dass wir mit jedem mithalten können. Die Mannschaft ist wahrscheinlich so gut wie noch nie zuvor. Dennoch würde ich den Saisonstart nicht überbewerten – der Weg zu einem Titel ist noch sehr lang. Platz sechs ist das erste Ziel, aber wir wollen danach nicht im Viertelfinale ausscheiden. Mit dieser Mannschaft ist der Weg nach oben auf alle Fälle möglich.

    Kritische Stimmen attestieren der Wölfe-Defensive eine fehlende Breite, die sich im Laufe der Saison bei Verletzungen bemerkbar machen könnte.

    Mit den sechs Verteidigern, die wir aktuell im Kader haben, sind wir gut aufgestellt. Dazu kommt der junge Gabriel Nitz, der in Sterzing eine super Entwicklung macht. Meistens spielen ohnehin nicht mehr als sechs Verteidiger. Natürlich schaut es bei Verletzungen schnell knapper aus, aber die sportliche Leitung hat sicher einen Plan für diesen Fall. Sie wissen am besten, was während einer langen Saison alles passieren kann. Wir haben in Sterzing einige Spieler, die nachrücken könnten, oder es wird anderweitig reagiert.

  • Die Spiele gegen die Füchse aus Bozen sind für Daniel Glira immer hochemotional. Foto: Iwan Foppa/HC Falkensteiner Pustertal
  • Sie haben in den letzten beiden Derbys getroffen. Die Saison 2024/25 war statistisch und leistungstechnisch Ihre bisher beste im HCP-Trikot. Welche persönlichen Ziele haben Sie sich gesteckt?

    Mein großes persönliches Ziel in dieser Saison ist, wie für jeden italienischen Spieler, die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Ich glaube, für einen Sportler gibt es nichts Größeres. Und ich weiß, welche Leistung ich bringen muss, um dieses Ziel zu erreichen. Was den Verein betrifft, bin ich nicht der Spieler, der primär auf Punkte schaut. Ich freue mich über Tore und Assists, aber meine Hauptaufgabe vom Trainerteam ist es, defensiv stabil zu stehen. Der Rest ist ein Bonus. Ich versuche aber definitiv, an die letzte Saison anzuknüpfen. Die Coaches haben mir viel Vertrauen geschenkt, und das möchte ich zurückzahlen.

     

    Die Olympischen Spiele wären das größte für mich. Ich hoffe wirklich, dort dabei sein zu können.

     

    Beim HC Falkensteiner Pustertal sind Sie eine feste Größe. Könnten Sie sich bei einem entsprechenden Angebot nach den Olympischen Spielen, die eine große Bühne bieten, noch einmal einen Wechsel ins Ausland vorstellen?

    Ganz realistisch gesagt, glaube ich das nicht. Es ist auch nichts, was mich beschäftigt. Ich habe noch zwei Jahre Vertrag in Bruneck, und mein voller Fokus liegt darauf, der Mannschaft bestmöglich zu helfen. Natürlich, wenn sich eine außergewöhnliche Chance ergibt, denkt man vielleicht darüber nach. Aber ich weiß, wo ich hingehöre, und hoffe, so lange wie möglich hier zu bleiben.