Umwelt | Open Source&Big Data

Auswertung der Sentinel-Satellitendaten

Interview mit Markus Neteler zu satellitarer Erdbeobachtung und der Auswertung von Open Data mit Open-Source-Software.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: ESA

 

Von Hannes Prousch für Open Technologies.

 

Die Sentinel-Satelliten des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus observieren die Erdoberfläche aus dem Erdorbit. Das deutsche Unternehmen mundialis kümmert sich um die Auswertung und Interpretation der frei verfügbaren Satellitendaten mithilfe von Open-Source-Software. Salto.bz hat mit mundialis-Geschäftsführer Markus Neteler über die Methoden zur Erdbeobachtung und die Zukunft von Open Source gesprochen.

 

Salto.bz: Welche Dienstleistungen ergeben sich für „mundialis“ respektive der Satellitendaten?

Markus Neteler: mundialis bietet als Teil der Copernicus-Wertschöpfungskette Informationen als Dienstleistungen (englisch IaaS, „Information as a Service“) an, und verfügt über jahrelange Erfahrung mit Zeitreihenanalysen im Umwelt- und Landwirtschaftsbereich. Wir vereinfachen die an sich komplexe Datenverarbeitung der Sentinel-Satelliten und stellen die Ergebnisse als Web-Services und cloudbasierte Dienste bereit. Dazu verarbeiten wir die Daten von Copernicus ebenso wie die anderer Fernerkundungsprogramme nach den Wünschen unserer Kunden in unseren Hochleistungsrechensystemen.

 

Woher entnehmen Sie diese Rohdaten? Wie verfahren Sie damit im Detail?

Wir beziehen die Rohdaten in erster Linie von der ESA (Copernicus) und der NASA (Landsat und MODIS), und speichern sie in cloudbasierten Rechenzentren, wobei wir es mit Datenmengen im Petabyte-Bereich zu tun haben (Anm. der Redaktion: 1 Petabyte = 1.000 Terabyte = 1.000.000 Gigabyte). Bei optischen Daten führen wir zunächst eine Atmosphärenkorrektur durch, bevor wir Indikatoren ableiten; fehlerhafte Pixel bei thermischen Daten rekonstruieren wir durch geostatische Methoden, und bei Radar-Daten sind erst zahlreiche Schritte notwendig, bevor wir Erd- und Gebäudesenkungen messen, oder die Biomasse schätzen können.

Im Rahmen des Copernicus-Programms stehen uns zunehmend auch in-situ-Daten aus Messnetzen, sowie Bodenbeobachtungen zur Verfügung. Den großen Mehrwert sehen wir in der Kombination der Sentinel-Daten mit denen anderer satellitenbasierter Projekte wie Landsat und Modis, aber auch mit Luft-, Drohnen- und weiteren Geodaten, die zunehmend von der öffentlichen Hand als Open-Access-Data bereitgestellt werden. So können wir auf regelmäßig erhobene Daten aus mehr als 40 Jahren zugreifen.

 

Welche Branchen profitieren bereits von den Messdaten der Sentinel-Satelliten? Was kann man sich vom Copernicus-Programm in den nächsten Jahren erwarten?

Einen großen Nutzen aus den Satellitendaten ziehen Land- und Forstwirtschaft, sei es in der parzellenweisen Optimierung der Düngung, als auch in der Ermittlung von Parasitenbefall oder Dürreschäden. Im Bereich der Landschafts- und Stadtplanung lassen sich Raumänderungen nun flächendeckend, kontinuierlich und in kurzer Zeit erfassen. Im Katastrophen- und Krisenmanagement können während und nach Stürmen, Überflutungen und Hagelereignissen flächendeckend Daten erhoben werden, da die Sentinel-1-Radarsatelliten prinzipiell wetterunabhängig sind, während optische Systeme beispielsweise eine Wolkendecke nicht durchdringen können. Nicht zuletzt sind Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen an einer zeitnahen Schadensanalyse und ökonomischen Risikoabschätzung interessiert.

Ganz neu im Weltraum unterwegs ist der Satellit Sentinel-5P, der zur Messung der Luftqualität eingesetzt wird. Damit können wir das weltweite Problem der Luftverschmutzung wesentlich genauer quantifizieren. Für den Landwirtschafts- und Umweltbereich sind auch die geplanten Starts weiterer Sentinel-1, -2 und -3-Satelliten essentiell, da sich dadurch die Aktualisierungsrate auf mehr als einmal pro Woche erhöht. Dies ermöglicht eine zeitnahe Analyse der Daten, was beispielsweise für Düngeplanung, Bewässerung und Ernteschätzung von Relevanz ist.

 

mundialis spricht sich sehr für Open Source aus. Abgesehen von deren Nutzung in Ihrem Unternehmen – entwickeln Sie auch selbst entsprechende Software?

Ja, mundialis entwickelt auch selbst Open-Source-Software: In der OSGeo Foundation und dem FOSSGIS e. V. tätig, sind wir an der Entwicklung von GRASS GIS beteiligt, einer Software-Suite zur Verwaltung und Analyse räumlicher Daten. Unsere selbstentwickelten Softwarekomponenten zur massiven Datenanalyse und -Verarbeitung, sowie für Web-Services und -Kartographie werden sukzessive bei OSGeo und auf Github veröffentlicht und somit unseren Kunden und der Community zur Verfügung gestellt.

 

Was sind die Vorzüge von Open-Source-Software? Wie glauben Sie, wird sich deren Verwendung in den nächsten Jahren entwickeln?

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich das Konzept Open Source von der akademischen Nische mehr und mehr Richtung Mainstream bewegt. Der große Vorteil dieses Entwicklungsmodells ist die Begutachtung und Anwendung des Quellcodes durch fremde Entwickler, die nicht zwangsläufig am Projekt beteiligt sein müssen. Dadurch wird ein Erfahrungsschatz zusammengetragen, den einzelne Unternehmen allein weder erreichen noch finanzieren könnten. Außerdem wird für die Kunden eine starre Lieferantenbindung vermieden, was zu mehr Flexibilität führt. Gerade in den letzten paar Jahren sind spannende neue Ansätze im Bereich der massiven Datenverarbeitung auf verteilten Systemen entstanden, die bei uns zum Einsatz kommen.

 

Im Rahmen der diesjährigen SFSCon hält Markus Neteler einen Vortrag zur Datenauswertung des Copernicus-Programms.