Kultur | Salto Weekend

Autofahrt in die Literatur

Toni Bernhart begibt sich zwischen Stilfs und Gomagoi auf die Suche nach den Spuren des österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard. Ein Film von Martin Hanni.
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Foto: Martin Hanni

Thomas Bernhard verweilte in Stilfs, in Sulden, in Gomagoi - und webte Namen und Gegebenheiten des Vinschgaus in seine Erzählungen ein. Der Salto-Kulturredakteur und Filmemacher, Martin Hanni, macht sich zusammen mit dem Literaturwissenschaftler Toni Bernhart auf die Suche nach Bernhards Spuren und schafft mit dem daraus entstandenen Dokumentarfilm "Bernhard und Bernhart" ein Fenster in die Literatur.

Der Film "Bernhard und Bernhart" wird am Sonntag, dem 10. April um 17 Uhr im Rahmen des Bolzano Film Festivals Bozen gezeigt. Am Dienstag, den 12. April feiert hingegen der Meraner Ost-West-Club mit diesem Film seinen 40. Geburtstag. Filmstart am Dienstag um 20:30 Uhr.

 

Salto.bz: Thomas Bernhard verweilte öfters zwischen zwischen Stilfs, Sulden und Gomagoi im Vinschgau und machte die Orte zum Schauplatz seiner beiden Erzählungen "Midland in Stilfs" und "Am Ortler". Welche Verbindung hatte Thomas Bernhard zu diesen Ortschaften? 

Martin Hanni: Es gibt einige Briefzeilen, die Bernhard in den 1970er Jahren an den Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld geschrieben hat, aus denen hervorgeht, dass er diese Gegend doch sehr liebgewonnen haben muss – auch wenn dies anhand seiner in der Gegend verorteten Erzählungen nicht unbedingt zu vermuten ist. Thomas Bernhard kam eigentlich aus gesundheitlichen Gründen nach Stilfs, der guten Höhenluft wegen. Am Ende ist dabei sogar Literatur herausgekommen.

 

Wie nutzt Bernhard Namen und Gegebenheiten der einsamen Bergdörfer, um seine ganz eigenen Schauplätze zu erschaffen?

Er verwendet hin und wieder Ortsnamen und Flurnamen und verflechtet diese mit seinen fiktiven Geschichten. Er bringt diese Namen zum Klingen, baut sie manchmal wiederholend ein – ja, schon fast mantrahaft! Laganda, Stilfs, Unterthurn oder Gomagoi – Bernhard benutzt sie und markiert sich somit, auf seine Weise, in der Landschaft.

Im Film werden Bernhards doch sehr verdrehte Schauplätze auf die wirkliche Landschaft zurückgeworfen. Welches Bewusstsein wolltest du durch diesen Film kreieren?

Ich will eigentlich nichts kreieren. Ich beobachte und begleite lediglich einen Literaturwissenschaftler aus dem Nachbardorf Prad bei seiner Recherche, seiner Suche nach vorhandenen Erinnerungen und möglichen Bruchstücken zu Bernhards Aufenthalt. Am Ende verdreht sich dann ja auch diese Suche, der Erzähler verschwindet und es geht um Fenster – Fenster in die Literatur.

 

Erkennen sich die Menschen in Stilfs und Umgebung in Bernhards Erzählungen wieder? Gibt es ein Interesse für seine Texte?

IDM-Marketingverantwortliche oder schicke Tourismustextagenturen geraten bei Bernhards Erzählungen sicher in Atemnot, da sie womöglich vermuten, dass durch solche Texte die Vorzeigeurlauberin Angela Merkel nie mehr in diese Gegend auf Urlaub kommen wird. Aber vielleicht schätzt sie ja die Ruhe und die kargen und urigen landschaftlichen Höhen und Tiefen dieser Gegend – wie einst Bernhard? Die beiden doch sehr schwermütig anmutenden Erzählungen aus Bernhards Buch „Midland in Stilfs“ sollte man mit Humor lesen – ob der ganzen Tragik. Bernhard ist ein Clown, im Wolfspelz.

Der Film wurde bereits im Oktober 2021 zum ersten Mal ausgestrahlt. Wie haben die Menschen vor Ort darauf reagiert?

Ich habe den Film im vergangenen Jahr zweimal im Vinschgau gezeigt. Die Reaktionen unmittelbar nach den Projektionen waren – das war im Vinschgau durchaus zu erwarten – eher verhalten. Schulterklopfen und Händeschütteln war aus Pandemiegründen zudem verboten. Ich habe in den Wochen danach aber durchaus schön verfasste E-Mails erhalten, auch vom Medienverantwortlichen des Literaturarchivs in Marbach, der diesen Film ins Literatur-Archiv aufnimmt. An dieser Stelle: Ein großes Dankeschön an alle Beteiligten.

 

Du stützt dich in deinem Film auf den Südtiroler Literaturwissenschaftler Toni Bernhart. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Ich habe in den vergangenen sechs oder sieben Jahren immer wieder verschiedene Ideen entwickelt diese Bernhard'schen Geschichten im Ortlergebiet filmisch zu erzählen. Nach langem Suchen fand ich den geeignetsten Erzähler im Nachbardorf von Stilfs, in Prad. Und dieser hatte obendrein den nahezu identen Nachnamen wie der bekannte österreichische Schriftsteller. Er ist der Schlüssel zu den Menschen am Wegesrand, dieser literaturwissenschaftlichen Autofahrt und Wanderung.

Durch langgezogene Szenen und monotone Aufnahmen scheint die Zeit im Film beinahe stillzustehen. Was wolltest du durch diese Aufnahmen vermitteln?

Ich möchte damit einfach für etwas Ruhe sorgen. Wie sie einst auch der rastlose Thomas Bernhard in dieser Gegend suchte und mehrmals vorfand. Es wird sehr viel erzählt in diesem Film, Thomas Bernhard selbst liest ja auch immer wieder mit und begleitet die Filmerzählung aus dem Off. Da muss man als Zuseher:in und Zuhörer:in doch kurz anhalten, einen Gang zurückschalten, zuhören, innehalten – um sich ein Bild zu machen. Oder mehrere.

Bernhard und Bernhart:Trailer