Die Rührige
Manchmal liegt ein Kohlrabi aufgeplatzt im Regal ihres Hofladens in Gargazon. Im Supermarkt hätte er keine Chance. Doch Ulli Kienzl vermittelt ihren Kunden, dass ökologisch nicht immer gleich makellos bedeutet. Erklären ist auch eine ihrer Hauptaufgaben im Meraner Weltladen. Seit sieben Jahren ist die 28-Jährige in Halbzeitanstellung dessen Geschäftsführerin. „Zeit schenken“ hieß das Caritas-Projekt, bei dem sich die damalige Oberschülerin verpflichtete, einen halben Tag pro Woche in einem sozialen Projekt zu arbeiten. Der Weltladen lässt sie seither nicht mehr los. Freiwillig treu blieb sie ihm auch dann, als sie nach der Matura zwei Jahre in einer Buchhandlung in Meran arbeitete.
2013 haben Ulli Kienzl und ihr Mann auf ihrem Hof in Gargazon einen Hofladen eröffnet. Auf einem Hektar Acker bauen sie Gemüse an. Kleine Kreisläufe, direkter Kontakt zu den Menschen, Transparenz und naturnaher Anbau sind ihnen wichtig. Ullis parallele Arbeit im Weltladen passt zu diesem Konzept. „Produzenten auf der ganzen Welt sind dem Preisdiktat von Händlern ausgeliefert“, sagt sie. Vor zwei Jahren vereinbarte das Ehepaar mit einem Supermarktbetreiber, einen Teil ihres Gemüses exklusiv für ihn zu produzieren. Als sich das Paar auf den mündlich zugesagten Preis verließ, ahnte es nicht, dass das Wort schlussendlich nichts zählen würde. Zur Erntezeit war der Händler nur mehr zur Zahlung der Hälfte bereit. „Das Gemüse wäre auf dem Acker verfault.“ Ulli und ihr Mann spürten im Kleinen, wie internationale Konzerne im Großen Druck auf Produzenten ausüben.
Fairer Handel garantiert fixe Preise, langfristige Abnahme und schließt Zwischenhändler aus. Produzenten und Käufer kennen sich und bauen aufeinander. Im Weltladen kaufe man nicht nur ein faires Produkt, sondern auch den fairen Kontext, sagt Ulli Kienzl. Dazu gehörten Information, vernetztes Arbeiten und Solidarität mit den Produzenten. Das braucht Vertrauen und Vorfinanzierung.
Mit kleinen Kreisläufen um die Welt
Ruth Salditos, Vertreterin einer Anbaugenossenschaft auf den Philippinen, sagte einst zu Ulli Kienzl, ihre Augen wirkten älter als ihr Körper. Sie gratulierte der Südtirolerin zum Hofladen. Nur kleine Kreisläufe und bewusst lebende Menschen könnten dem weltweiten Raubbau Einhalt gebieten. Salditos informiert in vielen Ländern der Erde über ausbeuterische Methoden von Großkonzernen. Sie kam dafür in ihrer Heimat vor Gericht. „Wir in den industrialisierten Ländern glauben oft, die Weisheit gepachtet zu haben“, sagt Ulli Kienzl. Warum bei endlichen Ressourcen die Idee des unendlichen Wachstums immer noch in den Köpfen der Menschen herumgeistere, fragt sie sich oft. Es reiche nicht, hin und wieder faire Produkte zu kaufen und sich deshalb anderen gegenüber gar überlegen zu fühlen: „Wir sollten uns täglich fragen, wie wir leben, welchen Konzern wir mit unseren Einkäufen füttern und mit welchen Verkehrsmitteln wir uns bewegen“, sagt sie. Es gehe nicht um das Verbessern der Welt, sondern darum, so wenig Schaden wie möglich anzurichten.
„Wenn du ein Dorf kennst, kennst du die Welt“, sagt Ulli Kienzl. Sie fühlt sich privilegiert in ihrem Leben. Immer wieder hört sie von Kleinbauern im globalen Süden, die von ihren Dörfern verjagt und deren Häuser und Felder niedergebrannt werden. Dann entstehen in Monokultur Palmplantagen. Das sei tägliche Realität mit tausenden Verlierern und Flüchtenden.
Seit geraumer Zeit ist die angebotene Streichschokolade in den Südtiroler Weltläden palmölfrei. Der Geschmack der Schokolade hat sich verändert: Manche Kunden kaufen sie deshalb nicht mehr. Andere hingegen wollen sie erst jetzt. Es ist wie mit dem ökologisch angebauten Kohlrabi von Ulli Kienzl: Mancher sieht nicht ganz einwandfrei aus, doch die Vorteile verbergen sich unter der Schale.
(Maria Lobis)