Politik | EU Wahlen

Große Europäer

Kleines Europa in Europa mit großen Europäern
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Foto: bk

Und wieder einmal spätabendlich bei Markus Lanz mitgezählt, wie oft das Wort „Deutschland“ und wie selten das Wort „Europa“ vorkommt. Und das kurz vor den Europawahlen. „Wir Deutschen“ und „die in Brüssel“. Hätte man von einem gebürtigen Südtiroler irgendwie erwartet, der nationalzentrischen Perspektive der bundesdeutschen, öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten die aus Lebenserfahrung geläuterte Weltanschauung eines Grenzlandbewohners entgegegenzuhalten, so ist es ebenso offensichtlich, dass sich die politische Einstellung geschmeidig an die eigene Karriere anpasst.

Es verhält sich nicht anders als bei unseren Bauern, die sich eine SVP halten und penibel darauf achten, dass ein Vertreter nach Brüssel bzw. Strassburg gewählt wird, der Begriffe wie Wolf und Glysophat klientelgerecht in den Mund nimmt und nicht etwa bei der Wahl der Wegbegleiter Unterwäsche und Seele weiß behält. Gern gibt man sich euröpäisch mit digital übermittelten Grüßen des EVP-Spitzenkandidatens samt dessen CSU, der wir die europäisch-freundschaftlichen Grenzkontrollen in Kiefersfelden, die geschmierten Zulaufstrecken zum nördlichen BBT-Portal und die partnerschaftliche Zusammenarbeit bei der Blockabfertigung zu verdanken haben. Ja, diesen Freunden der CSU wollen wir die A22 in die Hände legen.

Dafür werden wir wissen, dass sich der Wahlkampf im lokalen Kleinklein verloren hatte und der Ernsthaftigkeit der Wahl in keinster Weise gerecht wurde.

Eben bei diesem Thema lenken die wirtschaftlichen Interessen die politische Position der Handelskammer-Präsidentschaft, CO2-bewusst hart in Opposition zu Nordtiroler Verkehrspolitik, während man sich im Nebenjob die leise gewordene Europaregion als mediales Expansionsterritorium zur monopolistischen Übernahme zurechtlegt. Wie nachhaltig eine mehrfache EU-Parlamentsperiode einen gestandenen Tiroler zur europäischen Lichtfigur mutiert, wird den Patriotismus der Friday-for-Future-Jugend beim nächsten Kleines-Europa-in-Europa-Sager aus selbiger Partei erschaudern lassen.

So sind wohl auch diese meine Zeilen von wirtschaftlichem, karrieretechnischem Eigeninteresse geleitet. Unumwunden gebe ich zu, ausgerechnet in Globalisierung und Digitalisierung meine beruflichen Chancen zu sehen, dass ein internationales Netzwerk mir mehr Sicherheit und Geborgenheit gibt als ein patriotischer Umzug zu Joseffi. Unumwunden gebe ich zu, dass das Haus, das ich eines Tages meinen Kindern hinterlassen möchte, ein globales, mindestens aber ein europäisches ist. Weil Internationalität zwangsläufig zu Wohlstand und Gerechtigkeit und deshalb zu Stabilität und Frieden führen wird, ... wenn man sie denn nur aktiv mitgestaltet anstatt sich von künstlich erregten Ängsten zerfressen realitätsverweigernd ins lokale Kleinklein zu flüchten.

Oberflächlich sehnt man sich da nach dem Chic der europäischen Grünen, dass er das Paterschlapfen-Image aus dem lokalen Ableger herausprügeln möge, der aber ausgerechnet den Parlamentswahlenverlierer in die Schlacht um die wichtigste Europawahl aller Zeiten schickt. Oder freut sich, dass die einst von selbigen vergraulte Realo eine neue politische Heimat gefunden hat, die dann aber vor lauter Sammelbewegung vergisst, zu irgendetwas Europäischem Position zu beziehen.

Nach wochenlangem, intensivem Wahlkampf mit sachlich glänzend eingearbeiteten Kandidaten werden wir am Morgen des 26. Mais ganz genau wissen, wie Dorfmann zu den einzelnen Punkten in Junckers Weißbuch steht, was Holzeisen aus der EUSALP machen will (und mit wem) und was Lantschner zu Guèrots Visionen sagt. Wir werden wissen, mit welchen Versprechungen Dorfmann erneut 10000 Stimmen aus dem Bellunese bekommen will, und welche Deals mit den anderen Kandidaten im Nordest abgeschlossen wurden.

Wenn nicht, werden wir am 26. Mai abends voller Zweifel ins Bett fallen, nicht wissend, ob wir gut gewählt haben. Dafür werden wir wissen, dass sich der Wahlkampf im lokalen Kleinklein verloren hatte und der Ernsthaftigkeit der Wahl in keinster Weise gerecht wurde.