Politik | Bürgerbeteiligung

Wer darf Demokratie?

Das Gesetz zur Direkten Demokratie wird geändert. Teile der SVP versuch(t)en es erneut zu stutzen, die Opposition will genau das Gegenteil.
Exit
Foto: Andrew Teoh on Unsplash

Dass der SVP bzw. Teilen der SVP das Gesetz zur Direkten Demokratie ein Dorn im Auge ist, ist nichts Neues. Gerade deshalb blicken viele gespannt und aufmerksam auf die bevorstehende Debatte im Landtag. Dort wird noch diese Woche ein Gesetzentwurf diskutiert, mit dem das 2018 beschlossene Gesetz abgeändert – und beschnitten werden soll. So zumindest die ursprüngliche Absicht. Eingereicht hat den Gesetzentwurf mit Sepp Noggler kurioserweise einer der beiden SVP-Landtagsabgeordneten, die – zusammen mit der Grünen Brigitte Foppa – das Gesetz von 2018 vorgelegt haben.

Die zweite SVP-lerin war Magdalena Amhof. Und sie hat den Plänen Nogglers bereits eine klare Absage erteilt. Die Opposition ihrerseits will die Gelegenheit nutzen und Bürgerbeteiligung ausbauen und erleichtern.

 

Herumdoktern gleich nach Geburt

 

Schon kurz nachdem das Gesetz “Direkte Demokratie, Partizipation und politische Bildung” Anfang Dezember 2018 Kraft war, wurde aus den Reihen der SVP im Februar 2019 der Versuch gestartet, es wieder zu stutzen. Im Fokus: vor allem das bestätigende Referendum. Dieses neu eingeführte direktdemokratische Instrument ermöglicht es, Landesgesetze, die nicht mit einer Zweidrittelmehrheit vom Landtag verabschiedet werden, vor Inkrafttretung einer Volksabstimmung zu unterziehen – wenn mindestens 300 Unterschriften dafür gesammelt werden.

2019 war es SVP-Fraktionssprecher Gert Lanz, der mit einem Gesetzentwurf das bestätigende Referendum den Garaus machen wollte. Er war der Meinung, dass es “eine übermäßige Belastung für das Gesetzgebungsverfahren” darstelle und die Gefahr berge, “die Arbeit des Landtages selbst lahm zu legen”. In seinem Begleitbericht schrieb Lanz damals: “300 Bürgern die Möglichkeit einzuräumen, das Inkrafttreten jedes Gesetzes auszusetzen, scheint auch mit den Grundsätzen der partizipativen Demokratie absolut nicht im Einklang zu stehen.” Zudem bestünden “begründete Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit”.

 

Überleben auf Zeit?

 

Lanz’ Initiative verschwand fast ein Jahr später, Anfang 2020, in der Schublade – die Sepp Noggler wenige Monate wieder öffnete. Im November legte er einen neuen Gesetzentwurf zur Abänderung des Direkte-Demokratie-Gesetzes vor. Dieser behebt technische Mängel, enthält eine Reihe von Präzisierungen und sieht die Einrichtung des Büros für politische Bildung bei der Eurac vor. Mit im Entwurf: die Beseitigung des bestätigendes Referendums, von dem bisher nicht ein einziges Mal Gebrauch gemacht worden ist.
Nogglers Argumentation folgt jener von Lanz, angereichert um das Element der Pandemie. “Das Corona-Jahr hat gezeigt, dass eine schnelle Vorgehensweise in der Gesetzgebung vonnöten ist”, meint Noggler. Und weil das bestätigende Referendum “zu einer auch mehrjährigen Aussetzung des Inkrafttretens” führen könne, sei es ein riskantes Instrument für die Legislative.

Zusätzlich zum bestätigenden Referendums soll auch die Möglichkeit für die Bürger wieder abgeschafft werden, einen Bürgerrat einzuberufen, der sich laut Gesetz mit “gemeinwohlrelevanten Fragestellungen in den politischen Prozess” einbringen soll. Bisher gilt: Ein Bürgerrat wird eingesetzt, wenn 300 Bürger den Antrag dazu stellen. Künftig soll, geht es nach Noggler, nur mehr das Landtagspräsidium dazu ermächtig sein.

 

Ende März wurde der Gesetzentwurf im zuständigen Gesetzgebungsausschuss diskutiert. Dessen Präsidentin ist Magdalena Amhof – eine der Mütter des Gesetzes, das ihr Parteikollege aushöhlen will. Ihr ist es zu verdanken, dass sowohl das bestätigende Referendum als auch die Möglichkeit der Einsetzung des Bürgerrats durch 300 Bürger “überlebt” haben. Bisher zumindest.

Die beiden Vorhaben fanden im Gesetzgebungsausschuss keine Mehrheit. “Was aber nicht heißt, dass die SVP im Plenum diese Woche die ursprünglichen Vorhaben nicht wieder mit Abänderungsanträgen aufs Tapet bringt”, zeigt sich Stephan Lausch skeptisch. Der Koordinator der Initiative für mehr Demokratie hat den Noggler-Gesetzentwurf streng im Blick – genauso wie mehrere Abänderungsanträge der Opposition dazu. Deren Stoßrichtung ist eine völlig andere.

 

Digitale Demokratie

 

Ein Antrag, vorgelegt von Myriam Atz Tammerle (STF), sieht die Einführung der Online-Unterschriftensammlung für Volksinitiativen vor. Auf nationaler Ebene hat das Parlament die Weichen dazu bereits gestellt – im Zuge der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes im Dezember 2020. Laut dem Minister für technologische Innovation Vittorio Colao soll ab 1. Jänner 2022 die digitale Plattform bereit sein, um mittels SPID oder elektronischer Identitätskarte Unterschriften für Referenden zu sammeln.

Die Vereinigung “Luca Coscioni” drängt darauf, die Möglichkeit der digitalen Unterschriftensammlung vorzuziehen. Sie will zwischen 1. Juli und 30. September die notwendigen 500.000 Unterschriften für ein staatsweites Referendum zur Legalisierung der Euthanasie sammeln.

“Was liegt näher, als jetzt die gesetzliche Grundlage in Südtirol zu schaffen?”, fragt sich Stephan Lausch mit Verweis darauf, dass sich das Land ohnehin an die staatlichen Vorgaben zur Online-Unterschriftensammlung wird anpassen und sie wird einführen müssen.

Weitere Abänderungsanträge der Opposition im Landtag sehen die verpflichtende institutionelle Information zu den Volksinitiativen vor, und dass der Kreis jener, die zur Beglaubigung der Unterschriften berechtigt sind, erweitert wird. Die Behandlung samt Debatte von Sepp Nogglers Gesetzentwurf beginnt am Donnerstag Nachmittag.