Matteo Salvini
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Politik | Überraschungscoup

Salvini stürzt die Regierung

Aus heiterem Himmel gibt der Lega-Chef seinem Regierungspartner den Laufpass
Italien ist ein Land, in dem politische Rituale von Bedeutung sind, auch wenn sie noch so antiquiert anmuten. Dazu gehörte zweifelsohne die Unmöglichkeit einer Regierungskrise zu Ferragosto - es hat sie in der Tat nie gegeben. Nun hat Matteo Salvini dieses Tabu gebrochen - völlig unerwartet und aus heiterem Himmel hat er Regierungschef Giuseppe Conte den Laufpass gegeben. Dass ihm das als Innenminister gar nicht zusteht, kümmert Salvini wenig. Der Lega-Chef ist ein Egomane, der ausschliesslich seinem eigenen Machtinstinkt folgt: "Chiedo agli italiani di darmi pieni poteri".  Sein Ziel ist offenbar eine Koalition mit den Fratelli d'Italia.
Eine Regierungskrise in den bis 10. September dauernden Parlamentsferien ist ein Novum.  Premier Giuseppe Conte fordert ein Debatte im Parlament und weist den Vorwurf energisch zurück, seine Regierung sei untätig gewesen: "Questo governo ha parlato poco e lavorato molto". Dann fügt er noch einen Seitenhieb gegen Salvini dazu: "Questo governo non era in spiaggia." Da es de facto undenkbar ist,
Der Lega-Chef ist ein Egomane, der ausschliesslich seinem eigenen Instinkt folgt, der ihm suggeriert: "Andiamo al voto."
fast 1000 Parlamentarier aus dem Urlaub zurückzurufen, könnte diese Debatte erst nach dem 10. September stattfinden. Um sie zu beschleunigen, hat die Lega am Freitag  im Senat einen Missrauensantrag gegen Premier Giuseppe Conte eingebracht, dessen Regierung sie offiziell noch immer angehört. Wieviele Senatoren zur Abstimmung aus dem Urlaub zurückkehren, bleibt offen.  
Alle weiteren Entscheidungen liegen nun in der Hand des Staatspräsidenten. Salvini will Wahlen zum frühesten möglichen Termin am 13. Oktober. Der Premier kontert: "Non spetta a Salvini indicare la data delle elezioni. Sarà la crisi più trasparente della storia parlamentare". Gleichzeitig weist er Salvini Vorwurf zurück, er sei Premier eines governo del No gewesen.  Dass Conte selbst kandidiert, wird nicht ausgeschlossen.
Auf Italien kommen nun schwierige Wochen zu. Der spread kletterte auf 240 Punkte, an der Mailänder Börse gaben die Bankkurse bis zu 7 Prozent nach.  Die zeitgerechte Verabschiedung des Haushalts ist ebenso in Frage gestellt wie die Vermeidung der IVA-Erhöhung, für die allein 24 Milliarden Euro nötig sind. Offen ist auch, ob Rom seinen Haushalt zeitgerecht in Brüssel vorlegen kann.
Salvinis Koalitionspartner Luigi Di Maio übt heftige Kritik an dessen Entscheidung: "Ha messo i sondaggi davano ai problemi degli italiani. Se si vota a fine ottobre il nuovo governo si potrà insediare solo a fine novembre e non potrà varare in tempo in bilancio". Und er verdächtigt den Lega-Chef (wohl zu Recht) mit seiner Entscheidung vor allem die geplante Reduzierung der Parlamentarier um ein Drittel vermeiden zu wollen - eine Massnahme, die rund 20 Lega-Parlamentariern den Sitz kosten würde. Die Abstimmung darüber war  Anfang September vorgesehen.
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G. P. Fr., 09.08.2019 - 10:31

Wieso verwenden Sie eigentlich das Wort "IVA-Erhöhung" und nicht die korrekte deutsche Bezeichnung "MwSt.-Erhöhung"?

Fr., 09.08.2019 - 10:31 Permalink
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Karl Egger Fr., 09.08.2019 - 10:45

Ich bin zwar bei Gott kein Fan von Lega/Salvini (Wahlen in Italien verlaufen ja seit jeher nach dem Motto ‚Was ist das kleinste Übel‘) aber zumindest ist dies ein Hoffnungsschimmer dass die vor Inkompetenz nur so strotzenden Polit-Amateure der 5 Stelle aus der Regierung ausscheiden - hoffentlich auch mit positiven Folgen für den Südtiroler Sanitätsbetrieb...

Fr., 09.08.2019 - 10:45 Permalink
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Karl Egger Sa., 10.08.2019 - 13:25

Antwort auf von Manfred Klotz

Das kann ich leider nicht mit Gewissheit sagen; das einzige das in Italien Gewissheit hat ist folgendes: egal wer gerade in Rom sitzt, er/sie wird nie lange dort sein!
Meistens läuft es ja so: wenn gerade ein Populist an der Macht ist, stolpert der früher oder später i.d.R. über einen Skandal (wobei die Messlatte dafür in Italien um einiges höher liegt als in anderen Ländern), dann kommen die Liberalen, die manövrieren das Land an den Rand des Staatsbankrotts, dann kommt ein Technokrat um überfällige Reformen einzuleiten, die gefallen dem Volk und den Gewerkschaften aber nicht, also kommt wieder ein Populist um die Leute davon zu erlösen... und dann geht der Zirkus halt wieder von vorne los...

Sa., 10.08.2019 - 13:25 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Fr., 09.08.2019 - 11:04

Aus heiterem Himmel? Wohl kaum! In der Koalition haben sich die Unstimmigkeiten immer mehr aufgeschaukelt während Salvini ununterbrochen seinen Wahlkampf stehts fortgesetzt hat. Nun ist es an der Zeit gekommen seine 30% abzuernten. Das Haushaltsgesetz und die damit verbundenen Probleme, kommen ihm da gerade Recht um noch ein Paar Prozent mehr einzusacken in dem er gegen die böse EU wettert, dabei gibt es sicher auch Unterstützung von Onkel Silvio und Tante Meloni und voilà: die neue Koalition ist serviert.
Wer weiß vielleicht genügt die kommende Mehrheit im Parlament um auch die Verfassung einer ordentlichen Vergewaltigung zu unterziehen, womöglich spielen die Trottel vom PD da auch mit. Die 5 Sterne Bewegung ist an ihrer Inkompetenz und Idiotie zu Grunde gegangen, schlimm das dafür das ganze Land büßen muss!

Fr., 09.08.2019 - 11:04 Permalink
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Felix von Wohlgemuth Fr., 09.08.2019 - 11:26

Diese Krise kam alles andere als überraschend. Im Herbst hätte die Stunde der Wahrheit für diese Koalition geschlagen, hätte sie den nicht zu erbringenden Beweis abliefern müssen, dass ihre haltlosen Versprechungen doch zu halten sind: Steuersenkung, Bürgereinkommen, Wachstum und nicht zuletzt Verhinderung der MwSt.-Erhöhung.

Es war klar wie die Sonne über Salvinis Beach-Tour, dass die gegebenen Versprechen nicht zu halten sind, also macht die italienische Politik, was sie schon immer in einer solchen Situation getan hat – es wird ein Techniker kommen müssen, der dem Volk den sauren Apfel samt Steuererhöhungen servieren wird und auf den (as usual) alle genüsslich einprügeln dürfen.

Danach wird Salvini, als Retter des kleinen Mannes gleich, rosenkranzgeschürzt und pastamampfend, die Früchte seiner Hass-Politik einfahren und die Macht in diesem Land übernehmen. Die vom Blender geblendeten werden die dunklen Schatten seiner Politik nicht erkennen und während die Nacht hereinbricht, hört man noch leise ein kleines Grüppchen Linker streiten…

Fr., 09.08.2019 - 11:26 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Fr., 09.08.2019 - 17:51

Wie stellen Sie sich sowas vor? In so einem Fall müsste auf alle Fälle der PD herhalten, welcher gerade zusammen mit der Lega für den Regierungsbruch abgestimmt hat (bei der Abstimmung zur TAV). Dazu ist die Partei rund um Zingaretti (den kein Mensch kennt) auch nicht gerade auf stabilen Füßen unterwegs, das wäre für eine Regierung Conte II bei jeder Abstimmung ein Schrecken ohne Ende.

Fr., 09.08.2019 - 17:51 Permalink
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Papi llon Sa., 10.08.2019 - 00:35

Rechte Regierungen hatten wir ja schon. Will Salvini weitere Millionen von Euros an Schulden für seine Partei machen oder hat Er aus dem Hintergrund den Auftrag die gegebenen Schulden der Lega Ein für Allemal löschen. Politiker haben es ja an sich mit dem Geld der Anderen zu (Miss)Wirtschaften.

Sa., 10.08.2019 - 00:35 Permalink
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Manfred Klotz Sa., 10.08.2019 - 07:45

Wenn es in Italien schlecht läuft, können Sie zehn verschiedene Pässe haben. Ihre Situation wird sich nicht verbessern. Da müssen Sie schon auswandern, denn dass Südtirol selbstständig oder einem anderen EU-Staat angegliedert wird, ist reine Utopie. Um innerhalb der EU auszuwandern, brauchen Sie nur einen EU-Pass. Also praktischen Wert hat der Doppelpass in diesem Zusammenhang wohl keinen (ich wiederhole immer wieder: Ich bin nicht gegen den Doppelpass).
Salvini ist insofern schlechter als jeder andere italienische Politiker, als er ganz offen nach einem totalitären System mit ihm als alleinigen Machthaber strebt. Das hatten wir in dieser Qualität nicht einmal von Almirante erlebt.

Sa., 10.08.2019 - 07:45 Permalink
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Karl Trojer Sa., 10.08.2019 - 10:50

Ich hoffe, dass diese selbstverursachte Krise für diesen Egomanen Salvini ein Bumerang wird. Mit einem "Ministerpräsidenten" Salvini würde Italien aus dem Euro und der EU geschleudert; die Folgen wären verherend. Möge es gelingen, dass endlich die Mitte-Links-Kräfte ihre ideologischen Kleinkriege im Interesse des Gemeinwohls überwinden und sich aufs Wesentliche besinnen und einigen, um den Regierungskarren aus dem Schlamm zu ziehen. Es ist dies nun ihre Verantwortung !

Sa., 10.08.2019 - 10:50 Permalink
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Papi llon Sa., 10.08.2019 - 12:02

Internationale Verträge hören bei allen Staaten mit Meer Zugängen auf. Italien und sein Innenminister machen dabei zurecht darauf aufmerksam dass auch andere EU Staaten wie beispielsweise Frankreich angefahren werden können.

Sa., 10.08.2019 - 12:02 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Sa., 10.08.2019 - 14:20

Ja da haben Sie vollkommen recht. Salvini wird zwar leichtes Spiel haben die Wahlen zu gewinnen, aber die Probleme die das Land hat bleiben weiterhin bestehen. Dabei hat er sich als Nebenprodukt seiner ununterbrochenen Wahlkampagne eine reaktionäre, hasserfüllte Wählerschaft gezüchtet, die er dann auch bändigen muss. Der Norden wird auf mehr Autonomie und weniger Geld nach Rom pochen, zugleich hat er Steuersenkungen und Großprojekte versprochen, wie will er das mit den maroden italienischen Staatskassen schaffen? Will er im Süden das gerade eingeführte Sozialeinkommen wieder abschaffen? Ob das gut geht. Er wird halt weiterhin gegen EU, Asylbewerber und die Staatsanwaltschaft wettern, nur bringt ihm das nichts wenn es von außen kein Geld mehr gibt.

Sa., 10.08.2019 - 14:20 Permalink
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Pseudo Nym Sa., 10.08.2019 - 14:38

Eine Regierung Lega-Fratelli wäre wohl noch schlimmer als die derzeitige gelb-grüne Koaliton.

Retrospektiv muss man sagen, dass das M5S sich hat vorführen lassen. Gibt es Umfragen, wie eine Wahl im Herbst vorraussichtlich ausgehen würde? Salvini würde wohl kaum die Regierung stürzen, wenn er keine Machtperspektive hätte.

Sa., 10.08.2019 - 14:38 Permalink
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Sepp.Bacher So., 11.08.2019 - 10:50

Antwort auf von 19 amet

Deine Infos, 19 Amet, wollte ich mal konkretisieren und habe Salvini auf YouTube abonniert, Nummer 117.337. Ich werde gezählt., bin aber kein Anhänger - wie wahrscheinlich auch viele andere. Auf Facebook sehe ich, sind es 9.793 Mitglieder. Von woher kommt die von ihnen genannte Zahl. Sicher gibt es auch noch andere Medien, aber da wird es wohl viele Doppel- und Mehrfach-Abos geben° Oder?

So., 11.08.2019 - 10:50 Permalink
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Sepp.Bacher Mo., 12.08.2019 - 11:17

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

Sie haben recht! Ich sehe, da gibt es eine Facebook-Gruppe mit der von mir genannten Zahl, und einen weiteren mit der von Ihnen genannten Zahl. Bin mit Facebook nicht so vertraut. Man muss anscheinend unterscheiden zwischen Follower, Bewerter (gefällt mir), Gruppemitglieder und Abonnenten.
Aber es wird noch andere geben, nicht nur mich, die sich da abonnieren, ohne ein Sympathisant zu sein; also besteht diese Zahl nicht nur aus Anhängern!

Mo., 12.08.2019 - 11:17 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Mo., 12.08.2019 - 18:45

Antwort auf von Elisabeth Garber

Auch gut möglich, die Zahlen aber als nichtssagend einzustufen finde ich schlichtweg falsch. Salvini nutzt gekonnt die sozialen Medien um die Filter und Hürden der konventionellen Medien aus dem Weg zu räumen und somit direkt zu kommunizieren. Dabei spielen die Zahlen der Clicks, Daumen, Follower und Abonnenten eine zentrale Rolle.

Mo., 12.08.2019 - 18:45 Permalink
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Papi llon Sa., 10.08.2019 - 23:50

Jeder EU Staat wird sich hüten in einen anderen EU Staat einzugreifen. Beispiele hierfür waren in Vergangenheit der Punkt für Kriegshandlungen. Das weiß Italien und sein Innenminister genau. Deshalb sollte auf EU Ebene endlich gehandelt werden.

Sa., 10.08.2019 - 23:50 Permalink
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Sepp.Bacher Mo., 12.08.2019 - 17:43

"Die Ex-Kommunisten des PD konnten nur Regieren, wenn Sie einen bürgerlichen Koalitionspartner haben." Das ist wohl die halbe Wahrheit! Der heutige PD ist die Fusion von zwei Gruppierungen: die zweite sind Nachfolge-Parteichen der Christdemokraten. Gerade der von Ihnen genannte Prodi und Renzi kamen von dieser Seite!

Mo., 12.08.2019 - 17:43 Permalink