„Was für ein Roman!“

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SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?
Markus Koschuh: Auch wenn ich die literaturbegeisterten Leserinnen und Leser etwas enttäuschen muss: Es war ein Wimmelbuch. Ein Wimmelbuch von Wimmelbuch-Großmeister Ali Mitgutsch. Das "Riesenwimmelbuch", das 1980 erschienen ist. Das hat mich fasziniert. Immer, wenn ich es in der Hand gehabt habe, habe ich etwas Neues entdeckt. Vermutlich hat das meinen späteren Forscherdrang begründet: Genau hinschauen, kontrollieren, ob man nicht doch etwas übersehen hat. Das ist auch für' Schreiben von Büchern, Theaterstücken oder Kabarettprogrammen sehr wichtig. In meinen Programmen gehe ich ja immer in eine sehr tiefe Recherche und da habe ich es verinnerlicht, sehr genau zu sein.Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?
Dazu muss ich sagen: Leider "großes" Kopfkino: "Doch Auschwitz, die Zerstörung Berlins und das Feuer von Hiroshima sind von jenem Tag an Teil meines Lebens". Es ist der Schlusssatz von Eric-Emmanuel Schmitts Roman "Adolf. H - Zwei Leben". Eine atemberaubend gut gelungene Gegenüberstellung des Hitlers, wie wir ihn kennen und jenes Hitlers, von dem heute wohl niemand mehr reden würde, wenn er weiterhin Postkarten oder zweitklassige Bilder gemalt hätte.
Diese Biografie musste ich aus Recherchegründen lesen und das war die verlorenste Zeit meines Lebens. Auch wenn es für ein Kabarettprogramm Einiges hergegeben hat.
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Markus Koschuh: Kabarettist und Autor. Es war auch schon mal vor vielen Jahren Österreich-Meister im Poetry Slam. Zum Sieger gekürt wurde er damals in Bozen. Anfang des Sommers war der Innsbrucker mit seinem Comedy-Programm im "Haus der Hoffnung" in Meran zu Gast. Im Rahmen eines Solidaritätsprojekts ging es um's "Lachen für den guten Zweck". Foto: Boehm
Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer... Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?
Die Bibel. Ich kann mit zuviel Science Fiction nämlich kaum was anfangen.
Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?
Lokalkrimis sind oft überhaut nicht banal. Ich finde, dass man da vielen Autorinnen und Autoren Unrecht tut. Die paar, die erschreckend banal und einfach gestrickt sind, prägen aber leider die Wahrnehmung von Lokalkrimis. Und ganz generell sind doch die meisten erfolgreichen Krimis lokal angehaucht. Banal-banal wird's dann leider allzu oft, wenn man aus einem geschriebenen Krimi eine Fernsehserie macht. Da wird dann Vieles weggelassen und im Sinne des Aufwands vereinfacht. Es braucht verdammt gute DrehbuchautorInnen, um aus einem schon geschriebenen Krimi wirklich gutes Kino zu machen. Ob dieser Versuch einer Erklärung einem Außerirdischen hilft, weiß ich jetzt aber auch nicht.
Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?
Jenen eines Robert Renk, seines Zeichens Leiter der Abteilung Literatur in der Wagner'schen Buchhandlung in Innsbruck. Oder wenn mir Arno Dejaco einen Buchtipp geben würde, würde ich sicher auch zuschlagen. Auf das Feuilleton kann man leider kaum etwas geben, da meines Erachtes zu viele Kritikerinn und Kritiker und solche, die sich dafür halten, zumindest teilweise voneinander abschreiben.
Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?
Die Biografie des österreichischen Ex-Bundeskanzlers Sebastian Kurz. Offiziell geschrieben hat das Judith Grohmann. Aber weiß man bei einem, der offenbar auch Meinungsumfragen zu seinen Gunsten manipuliert hat, ob er nicht doch der heimliche Selbst-Ghostwriter war? Diese Biografie musste ich aus Recherchegründen lesen und das war die verlorenste Zeit meines Lebens. Auch wenn es für ein Kabarettprogramm Einiges hergegeben hat. Diese Biografie gibt's übrigens auf www.medimops.de um 3,89, leicht gebraucht zu haben ...
Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?
Eindeutige Antwort: Sten Nadolnys Meisterwerk "Die Entdeckung der Langsamkeit". Da muss man haptisch umblättern, das spannende Leben und die damaligem Um- und Zustände begreifen. Was für ein Roman! Ansonsten kommt's darauf an, wie lange ich unterwegs bin und ob ich mir das Schleppen von Büchern zumuten mag. Generell bin ich aber ein absoluter Fan von echten Seiten.
Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?Der Kurt Lanthaler ist eine schreiberische Wucht. Da kann man Alles weiterempfehlen. Wenn man Südttirol sehr gut kennenlernen mag, kommt man an Sabine Grubers und Peter Eickhoffs "111 Orte in Südtirol die man gesehen haben muss" nicht vorbei. Ich hab's soeben im Bücherregal gesucht und nicht gefunden. Vermutlich zu gut weiterempfohlen, also: Verliehen und nie wieder bekommen. Ich werde mich um Ersatz kümmern müssen.
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