Gesellschaft | Jugend

Aus Rebellion wurde OJA

Ein Blick auf die Wurzeln der Offenen Jugendarbeit in Südtirol: von den 1970er Jahren bis 2020.
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Foto: netz | Offene Jugendarbeit

„Uns gehört das Wort. Bei uns stehn noch so viele heilige Kühe herum, daß man vor lauter Kühen nichts mehr sieht. Das Schlachtfest wird grandios werden“Die Rede von Norbert C Kaser am 27. August 1969 gilt als gesellschaftspolitischer Schrei nach Aufbrechen von Brauchtum und Tradition und als Ruf nach einem weltoffenen Südtirol. Mit seinen Ansichten stand Kaser nicht allein da, viele junge Südtiroler*innen wollten Veränderung und strebten ein offenes Miteinander im mehrsprachigen Land an.

 

Festival und Jugendzentrumsbewegung

 

In den 70er Jahren schlossen sich viele junge Menschen zu offenen Jugendgruppen zusammen und lehnten sich gemeinsam gegen Traditionen, die hiesige Parteien- und Medienlandschaft und mangelnden Gestaltungsspielräume auf. 1970 fand das „Free Festival“ am Schlossberg in Bruneck statt: Es zählt zu den ersten Open Airs in Oberitalien und fand im Rahmen einer mehrsprachigen, kulturellen Aktion statt. Langsam kam es auch im restlichen Land zu einer„Jugenzentrumsbewegung“: Junge Menschen trafen sich beim „Mäuerchen“ in Meran, in der „Bude“ in Bozen und in der „Alten Turnhalle“ in Bruneck. Diese Bewegung fand auch im ländlichen Gebiet Anklang beispielsweise in Lana und Tramin. Am 6.Oktober 1979 wurde das staatliche Tabak-Monopolgebäude in Bozen von hundert jungen Kulturschaffenden besetzt. Sie wollten sprachübergreifende, interkulturelle Akzente setzen. Trotz Widerstands wurde das Gebäude einen Monat später auf Anordnung des Bürgermeisters abgerissen.

 

Treffpunkte in Kellerräumen

 

Die rebellischen Aktionen bilden die Wurzeln der heutigen Offenen Jugendarbeit. In den 80er Jahren entstanden im ganzen Land Treffpunkte für junge Menschen: Anfangs in Kellerräumen, verlassenen Gebäuden und leerstehenden Räumen. 1983 wurde erstmals im Landesgesetz die Förderung der Jugendarbeit politisch verankert.

 

Weg zur Institutionalisierung

 

In den 90er Jahren ist die Arbeit mit jungen Menschen vermehrt in der Gesellschaft angekommen: Die ersten beruflichen Mitarbeiter wurden eingestellt, die Professionalität wurde verstärkt. 1999 genehmigte die Landesregierung das „Programm zur Förderung der Jugendarbeit der deutschen und ladinischen Sprachgruppe in Südtirol“, die ideelle und finanzielle Grundlage der Jugendarbeit.

Die Jahrtausendwende bedeutete für die Offene Jugendarbeit mehr Geldmittel, Form und Struktur. 2001 wurde „n.e.t.z. – Netzwerk der Jugendtreffs und Jugendzentren“ gegründet. 2006 und 2011 wurden jeweils ein OJA-Grundlagenpapier erarbeitet.

2018 wurde das erste Leitbild der Jugendarbeit in Südtirol entwickelt und von der Landesregierung wurde ein überarbeitetes Jugendförderungsprogramm genehmigt.

 

Überarbeitung des Handbuchs der Offenen Jugendarbeit

 

Schließlich wurde am Freitag, 9.Oktober 2020, das neue, überarbeitete Handbuch der Offenen Jugendarbeit der Öffentlichkeit vorgestellt. 18 Monate lang haben acht Jugendarbeiter*innen und Geschäftsführende von Südtirols Jugendzentren an der Neuauflage gearbeitet. Besprochen werden in dem Handbuch die Dialoggruppen, Prinzipien, Ziele, Wirkungen, Tätigkeitsfelder und Rahmenbedingungen der Offenen Jugendarbeit. Seit Norbert C Kaser`s Rede ist viel passiert: Heute begleiten rund 150 beruflich Tätige und mehr als 500 Ehrenamtliche in den 53 Südtiroler Jugendtreffs, Jugendzentren und Jugendkulturvereinen junge Menschen auf ihrem Weg. An den Prinzipien hat sich über die Jahre nicht viel verändert: Es geht unter anderem um Offenheit, Niederschwelligkeit, Vielfalt, Freiwilligkeit, Partizipation, Nachhaltigkeit, Gendersensibilität.