Kultur | Jane's Walk

„Möglichkeiten der Begegnung“

Bei einem „Spaziergang zu den queersten Orten in Bozen“ kann man am Samstag dabei sein. Mehr zum „Queer Urban Walk“ kann Organisator Matteo Grassadonia erzählen, auch zu den architektonisch-soziologischen Hintergründen der gemeinschaftlichen Bewegung.
Talferwiesen, Franziskus
Foto: SALTO
  • SALTO: Herr Grassadonia, können Sie unseren Lesern kurz das Prinzip eines Jane’s Walks erklären? Ein solcher ist für kommenden Samstag mit dem Queer Urban Walk geplant…

     

    Matteo Grassadonia: Im Grunde genommen ist der Queer Urban Walk ein Jane’s Walk, obwohl wir in diesem Fall spät dran sind, weil ein Janes Walk normalerweise in der ersten Maiwoche statt findet, an oder um den Geburtstag von Jane Jacobs herum. Es handelt sich dabei um einen Stadtspaziergang, der von Freiwilligen organisiert wird und für alle Teilnehmer kostenlos ist. Ein Jane’s Walk dient dazu, ein Viertel, einen Teil der Stadt zu erkunden und dabei Menschen zusammen und in Diskussion bringen. Er sollte unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Bürgersinn zu wecken. Ein solcher Walk ist eine Möglichkeit, sich zu treffen und über bestimmte Teile der Stadt zu sprechen. 

  • Matteo Grassadonnia: Der Student, der derzeit an seiner Abschlussarbeit schreibt, setzt sich neben seinem Interesse an Urbanistik auch für die Rechte von LGBTQIA+ Menschen ein. Foto: Matteo Grassadonnia

    Macht das dieses Modell für Sie vielleicht auch für die Region, da es mehrere Sprachgruppen gibt, besonders? Kann das beim Abbau von Barrieren helfen?

     

    Meiner Meinung nach, ja. Letztlich leben wir alle in den gleichen Räumen, erleben sie aber unterschiedlich. Die meisten würde ich sagen, leben in diesen Räumen, und dank dieser Begegnungen können wir auch lernen, wie andere die Straßen der Stadt, die Stadtteile sehen. Es können Treffpunkte entstehen. Die Begegnungen können uns auch unter diesem Gesichtspunkt weiter bringen.

     

    Was ist Ihre Rolle bei diesem Spaziergang, was müssen Sie als Organisator tun? Da es sich um ein Gemeinschaftsprojekt handelt, wird es auch eine Bewegung entlang dieser Achse geben, oder?

     

    Ich werde hauptsächlich organisieren und als Beobachter fungieren. Es wird auch Arianna Miriam Fiumefreddo dabei sein, die Präsidentin von Centaurus, die als Moderatorin auftritt. Ich werde Perspektiven sammeln und auch ein bisschen anthropologisch arbeiten, das heißt die Gruppendynamik beobachten, um auch diesen Teil zu dokumentieren: Wie verteilen sich die Leute, ob sie miteinander reden, ob es einen kulturellen Austausch gibt, einen Austausch zwischen italienischer und deutscher Muttersprache und weitere solcher Kleinigkeiten. Meine Aufgabe wird es sein, die Dinge zu beobachten und aufzuzeichnen, auch da diese Arbeit ein Teil meiner Diplomarbeit sein werden, die sich genau mit dem Thema der Stadtspaziergänge als Treffpunkt einer Gemeinschaft in den Städten beschäftigt.

  • Startpunkt: Besonders queer wirken Bahnhof und Siegesplatz noch nicht auf uns, aber vielleicht sehen wir das ab Samstag auch anders. Foto: seehauserfoto

    Ein weiterer Schwerpunkt ist für Sie – aus Stadtplanungs-Sicht – die Radmobilität...

     

    Ja, bislang habe ich noch nicht viel in die Praxis umgesetzt, aber ja, ich war Schatzmeister der FIAB Alto Adige, der federazione italiana ambiente in Südtirol. Das habe ich vorerst ein wenig auf Eis gelegt, um in der Universität voran zu kommen, aber das Radfahren ist eines der Themen, die mich den Städten, der Idee von Stadtplanung näher gebracht haben. Dank des Radfahrens, der Radwege, der Fortbewegung mit dem Rad bin ich meinen Studien näher gekommen.

     

    …ich wollte fragen ob Sie sich auch überlegt hatten, ob es nicht eine Alternative wäre, die gleiche oder eine ähnliche Strecke mit dem Fahrrad zu fahren? 

     

    Ja, das wäre absolut machbar. Ich meine, wenn wir den Walk mit dem Fahrrad machen würden, dann wäre es eine ganz andere Erfahrung, auch weil es mit dem Fahrrad vielleicht schneller geht und man andere Dinge sieht, also ja, die gleiche Route mit dem Fahrrad zu machen, könnte uns vielleicht eine andere Vision geben.

     

    Bei all dem sprechen wir von einem queeren Stadtspaziergang, aber was bedeutet das? Richtet sich das Angebot nur auf Menschen, die selbst ein Teil von LGBTQ+ sind oder auch auf diejenigen, die es nicht sind, die vielleicht noch nicht mit den Themen in Berührung gekommen sind und nur neugierig sind?

     

    Ich denke doch, es geht uns alle an, oder? Genau wie die Tatsache, dass der Walk ein Treffpunkt zwischen deutschsprachiger und italienischsprachigen Welt sein kann, kann ein Walk auch ein Treffpunkt zwischen denen sein, die als ein Teil der queeren oder LGBTQ+ Welt leben und denen, die sich vielleicht nicht wirklich damit befasst haben. Sie haben Möglichkeit in diese Welt Einblick zu erhalten, auch wenn Sie noch nicht Gelegenheit hatten, mit ihr in Kontakt zu kommen. Genau dort bietet sich die Möglichkeit der Begegnung, die diese Spaziergänge schaffen und um diese Themen zu diskutieren. Wir haben vor, auf dem Spaziergang Punkte ansprechen, die für die queere Gemeinschaft wichtig sind und gleichzeitig ist eine Bestätigung, dass die Türen der Queer-Community offen sind, für alle, die neugierig sind und die Menschen der Community respektieren.

  • Zielpunkt: Das spannende Murales ist am Zielpunkt zu finden und markiert quasi den Übergang von einem Raum im Freien, zu einem im Inneren. Foto: Matteo Grassadonia

    Besteht im Moment ein besonderer Bedarf, solche Treffpunkte zu schaffen? Sprechen wir hier vom Phänomen der queeren Einsamkeit? Kann dieses Format dabei etwas helfen?

     

    Ja, meiner Meinung nach schon. Wir können die Botschaft vermitteln: „Seht, es gibt verschiedene Möglichkeiten der Begegnung.“ Das gibt uns die Möglichkeit, gemeinsam in einen anderen Raum zu gehen. Deshalb braucht es diese Arten der Begegnung, weil sich manche vielleicht denken, dass wir nur in sicheren Räumen bewegen müssen, die vielleicht die Räume des Vereins Centaurus sind, oder bei jenen Treffen, die wir im Inneren eines Gebäudes abhalten. Wir können aber auch andere Räume, im Freien, sicher gestalten und genau das ist es: Es geht darum, sich diese Orte wieder anzueignen... das heißt, sie zu leben und durch sie zu spazieren. Räume, die vielleicht als bedrohlich oder kaum einladend verstanden werden, können wir, indem wir sie zu Fuß durchqueren, neu gestalten. 

     

    Das Projekt ist Teil des größeren Programms „Queer Safer City“. Kann das gegenseitige Kennenlernen queerer Menschen untereinander die Stadt schon sicherer machen? 

     

    Ja, und man muss auch sagen, dass... Jane Jacobs selbst sprach von den „eyes on the street“, den Augen auf der Straße. Die Tatsache, dass eine Stadt lebendig und von vielen Menschen bevölkert ist, macht sie automatisch sicherer, weil es dadurch  Kontrolle gibt... Das klingt vielleicht erstmal schlecht als Begriff, aber es gibt eine „soziale Kontrolle“, die in gewissem Sinne schlecht sein kann, aber in anderen Zusammenhängen auch einfach die Stadt sicherer machen kann. Eine lebendige Stadt ist normalerweise eine Stadt, die sicherer ist. Es gäbe dann noch verschiedene Dynamiken, die dazu erforscht werden könnten, aber in diesem Fall werde ich mich darauf beschränken.

  • Queer Urban Walk - Jane's Walk

    Der Queer Urban Walk nimmt seinen Ausgang am kommenden Samstag, 11 Uhr am Bozner Bahnhof. Er führt über den Rathausplatz, vorbei am Amphitheater beim Pippo und über den Siegesplatz zum Vereinsitz von Centaurus - Arcigay Alto Adige Südtirol. Wer am Walk teilnehmen möchte, ist dazu angehalten, sich vorab online anzumelden