Gesellschaft | Ehrenamt
Los von Rom
Foto: KVW
Sven Knoll und Myriam Atz-Tammerle haben einen durchaus schlagkräftigen Titel für ihren Beschlussantrag gewählt: „Ehrenamt in Not: Rückholung autonomer Kompetenzen.“
Die beiden Landtagsabgeordneten der Südtiroler Freiheit schreiben:
„Ehrenamt in Not! Mit diesem Hilferuf machen Südtiroler Vereine und Verbände darauf aufmerksam, dass mit der Reform des sogenannten Dritten Sektors anstelle des Landesregisters die Vereine und Verbände zukünftig in ein Staatsregister eingetragen werden und sich den Richtlinien des Staates unterwerfen müssen. Nicht mehr das Land, sondern der Staat entscheidet somit zukünftig, welche Vereine und Verbände in dieses Register eingetragen werden. Neben dem bürokratischen Mehraufwand stellt insbesondere die neue Rechnungslegung mit den staatlichen Vorgaben der Kassenführung des Dritten Sektors für die allermeisten kleinen Vereine ein existenzgefährdendes Problem dar.“
Die Forderung der beiden Oppositionspolitiker. Die Landesregierung soll dafür Sorge zu tragen, dass das Register für die in Süd-Tirol tätigen ehrenamtlichen Vereine und Verbände an die autonome Provinz Bozen zurückübertragen wird und die Voraussetzungen zur Eintragung in dieses Landesregister sowie alle damit zusammenhängenden Bestimmungen und Kontrolltätigkeiten autonom vom Land Süd-Tirol geregelt und verwaltet werden.
Die Reform
2021 wurde in Italien das Ehrenamt und der sogenannte Dritte Sektor durch ein Reformgesetz neu geregelt. Ziel der Reform ist eine gesamtstaatlich einheitliche Handhabung des Vereinswesens. Gleichzeitig bringt diese Neuregelung eine günstigere Besteuerungsregelung und klarere Richtlinien für die Ausübung von Nebentätigkeiten mit sich. „Im Ehrenamt gibt es derzeit allerdings auch Sorge wegen dieser Reform. Doch wir versuchen dies als Land bestmöglich zu begleiten", sagte Landeshauptmann Arno Kompatscher bereits vor Wochen.
Große Kritik kommt vor allem am neuen staatliche Register des Dritten Sektors (RUNTS). Bisher erfolgte in Südtirol die Eintragung in das Landesverzeichnis der ehrenamtlich tätigen Organisationen auf Antrag des betreffenden Vereins beim Amt für Außenbeziehungen und Ehrenamt. Voraussetzung für die Eintragung ist, dass der Verein die entsprechenden Voraussetzungen gemäß Landesgesetz Nr. 11/1993 und der diesbezüglichen Durchführungsverordnung (DLH 1/2004) erfüllt. Die Eintragung bewirkt, dass verschiedene Steuererleichterungen beansprucht und auch andere Vorteile sowie Vereinfachungen in der Verwaltung genutzt werden können.
Mit dem neuen staatlichen Register wird dieses Landesregister jetzt aber obsolet. Ab Ende Februar 2022 erhalten die eingetragenen Organisationen Zugang zu ihren Profilen im neuen staatlichen Register. Das Landesamt ist dabei hat die Daten nach Rom zu übermitteln. Den Organisationen wird es zudem möglich sein, verschiedene Dokumente – beispielsweise die Jahresabschlussrechnung und den Tätigkeitsbericht - künftig direkt und digital einzureichen. In der Folge wird das Landesamt für Außenbeziehungen und Ehrenamt prüfen, ob die rund 2300 Vereinssatzungen der eingetragenen Organisationen abgeändert und an das neue System angepasst wurden.
Die Umstellung auf das neue Register soll innerhalb Herbst 2022 abgeschlossen sein.
Petition der Vereine
Elf Vereine und Verbände fordern jetzt in einer Petition an den Landtag, dass die Register für ehrenamtliche Organisationen wieder vom Land als primäre Zuständigkeit wahrgenommen werden. Kritik kommt dabei auch aus der Regierungspartei. Denn auch die Plattform Heimat in der SVP stellt sich voll und ganz hinter diese Forderung und ruft zur Unterstützung auf.
„Einfach gesagt heißt das für unsere Vereine, dass sie nicht nur ein bürokratischer Mehraufwand erwartet, den viele nicht stemmen können, sondern dass dieser auch mit exorbitanten Kosten verbunden ist“, befürchtet Michael Epp, Trudner Bürgermeister und Vorsitzender der SVP-Plattform Heimat. „Die vom Staat verlangte Rechnungslegung können vor allem kleine Vereine kaum umsetzen. So müssen Bilanzen künftig über einen Steuerberater oder andere Dienstleister nach Rom geschickt werden.“
Bei kleinsten Fehlern bei der Rechnungslegung werden Strafen von 5.000 bis 20.000 Euro gegen den gesetzlichen Vertreter des Vereins ausgestellt – die Plattform Heimat ist überzeugt, dass unter diesem Stern kein Vereinsmitglied mehr Verantwortung als Funktionär übernehmen wolle.
Hinter diesen Forderungen steht auch der Südtiroler Bauernbund und der Schützenbund. Der Beschlussantrag der Südtiroler Freiheit geht ebenfalls in diese Richtung.
Der für das Ehrenamt zuständige Landeshauptmann versucht Entwarnung zu geben. In Zusammenarbeit mit dem Dienstleistungszentrum für das Ehrenamt DZE werde man versuchen, die ehrenamtlichen Organisationen in dieser Phase bestmöglich zu unterstützen. Arno Kompatscher: ‘Wir werden weiter daran arbeiten, dass wir uns Schritt für Schritt unseren autonomen Freiraum zurückholen.“
Doch damit dürfte es nicht getan sein.
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