„Nähern uns Wetterextremen“
Der Direktor vom Amt für Hydrologie und Stauanlagen Roberto Dinale befürchtet Engpässe bei der Wasserverfügbarkeit, sollte es in den nächsten Wochen zu keinen Niederschlägen kommen. Die Beobachtungsstelle für Wassernutzung „Osservatorio per gli utilizzi idrici“, die für das Einzugsgebiet der Etsch verantwortlich ist, hat bereits die erste Gefahrenstufe (severità bassa) ausgerufen.
Salto.bz: Wer nahm an dem Fachgremium am Donnerstag, den 10. März, teil?
Roberto Dinale: Es gab eine Zusammenkunft des sogenannten „Osservatorio per gli utilizzi idrici“. Diese Beobachtungsstelle für Wassernutzung ist auf der Ebene des gesamten Einzugsgebietes der Etsch angesiedelt. Dazu gehören die Behörden aus Südtirol, Trentino, Veneto und Friuli Venezia Giulia sowie Vertreter der zuständigen Staatsministerien. An den Treffen nehmen aber auch die Hauptnutzer des Wassers teil, wie etwa die Trinkwasserversorger, Stromerzeuger, Stromverteilungsgesellschaften und Vertreter der Landwirtschaft. Dieses Gremium tagt meistens ab dem späten Winter bis in den Frühling und bewertet die Wasserverfügbarkeit für alle Nutzungsbereiche.
Gab es für die Zusammenkunft einen bestimmten Anlass?
Der Winter (Dezember bis Februar) 2021/22 war einer der fünf trockensten der letzten 30 Jahre und dementsprechend ist die Ausgangslage angespannt. Die Wasserführungen von Vorfluter und Hauptflüssen der Etsch sind unterdurchschnittlich. Aus diesem Grund sind die Sitzungen in diesem Jahr besonders wichtig. Jeder braucht das Wasser, sowohl die Betreiber der Landwirtschaft als auch die der Wasserkraftanlagen. Diese beiden Interessen sind nicht immer leicht zu vereinbaren und es müssen Kompromisse gefunden werden.
Der Winter (Dezember bis Februar) 2021/22 war einer der fünf trockensten der letzten 30 Jahre und dementsprechend ist die Ausgangslage angespannt.
Gibt es bereits Prognosen zur Wasserverfügbarkeit in den nächsten Monaten?
Die unmittelbaren Prognosen für die nächsten 15 Tage kündigen kaum Niederschlag an, damit wird sich die Situation kurzfristig sicherlich nicht ändern. Auch die saisonalen meteorologischen Prognosen für dieses Jahr sind nicht besonders optimistisch.
Wie bewerten Sie die aktuelle Situation?
Solange keine verstärkte Nachfrage nach Wasser besteht, ist die Lage zwar angespannt, aber noch zu bewältigen. Sollte die Situation andauern, könnte es zu Engpässen kommen. Aus diesem Grund ist bereits jetzt die erste Gefahrenstufe (severità bassa) bezüglich Wasserknappheit ausgerufen worden. Das heißt, die Lage wird weiterhin beobachtet und das Gremium tagt öfter als normalerweise. In zwei Wochen ist das nächste Treffen, denn die Bewässerung in der Landwirtschaft beginnt meist im April. Sobald das Pflanzenwachstum beginnt und es noch Frostnächte gibt, wird in Südtirol die Frostberegnung notwendig. Zudem werden vor allem im Veneto große Wassermengen für die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen benötigt.
Wie beeinflusst der Krieg in der Ukraine die Situation zur Wasserknappheit in Norditalien?
Zum einen hängt die Wasserknappheit von den Niederschlagsmengen ab, zum anderen haben wir normalerweise durch die Wasserspeicher der Wasserkraftwerke einen gewissen Spielraum. Die internationale Situation mit dem Krieg in der Ukraine und die Energiekrise würden die Handhabung von Wasserknappheit zurzeit aber erschweren. Darin unterscheidet sich die aktuelle Situation von vergangenen Phasen der Trockenheit.
Die internationale Situation mit dem Krieg in der Ukraine und die Energiekrise würden die Handhabung von Wasserknappheit zurzeit aber erschweren.
Was ist das Worst Case Szenario?
Wenn sich die Situation sehr verschlimmert, wird der Wassernotstand ausgerufen, auch in Südtirol seitens des Landeshauptmannes. In diesem Fall wird nach dem Landesgesetz vom 30. September 2005, Nr. 7 laut Artikel 12 zu Bestimmungen auf dem Gebiet der Nutzung öffentlicher Gewässer, eine eigene Kommission auf Landesebene eingerichtet. Diese hat die Aufgabe, über geeignete Maßnahmen zu beraten.
Wird im Fall des Wassernotstandes auch der Wassernutzungsplan des Landes geändert?
Bei der Ausrufung des Wassernotstandes können temporär beschränkte Maßnahmen angeordnet werden, um Prioritäten zu setzen. In dieser Periode müsste zuerst die Trinkwasserversorgung, zweitens das Wasser für die Landwirtschaft und drittens das für die Industrie inklusive der Energieproduktion sichergestellt werden. Die gesetzten Einschränkungen dienen dazu eine kurze Periode des Wassernotstandes zu bewältigen. Aber der Wassernutzungsplan als solcher bliebe unverändert.
Wie ist die Wassernutzung zwischen den Regionen Italiens geregelt?
Es gibt keine richtige Vereinbarung, sondern gemeinsam festgelegte Indikatoren und Richt-Schwellenwerte deuten einen Handlungsbedarf an. Anhand dieser Art Ampelsystem werden kollegiale Maßnahmen gesetzt. Würde in Südtirol zu viel Wasser aus der Etsch genutzt, hätten die anderen Regionen des Einzugsgebiets ein Problem. Ein Beispiel dieses Dominoeffekts ist die Flussmündung der Etsch in die Adria. Ist der Wasserstand der Etsch dort zu niedrig, fließt salzhaltiges Meerwasser in den Fluss. Die Bauern dieser Gegend würden in diesem Fall salzhaltiges Wasser für die Bewässerung ableiten, das ist natürlich nicht optimal – im Gegenteil. Die Stadt Rovigo selbst leitet auch immer noch teilweise das Trinkwasser aus der Etsch ab und ist von der Salzkeil-Problematik direkt betroffen. Deshalb muss eine Mindestmenge an Durchfluss bis zur Adria gewährleistet werden. Wenn es knapp wird, soll deshalb in jeder Region ein wenig Wasser gespart werden.
Wenn es knapp wird, soll deshalb in jeder Region ein wenig Wasser gespart werden.
Wann hat es den letzten Wassernotstand in Südtirol gegeben?
Den letzten Wassernotstand gab es in Südtirol im Jahr 2017. Durch den Klimawandel sind wir es mittlerweile gewohnt, dass sich Extreme zuspitzen und häufiger werden. Damit kann und wird es häufiger zu Situationen der Wasserknappheit kommen. Deshalb ist das frühzeitige Erkennen einer solchen Situation wichtig, um angemessen reagieren zu können. Auch dieses Jahr könnte es möglicherweise zu einem Wassernotstand kommen, es kann sich aber auch noch alles ändern.
Laut kürzlicher Einschätzung des Amtes für nachhaltige Gewässernutzung hat der Klimawandel noch keine negativen Auswirkungen auf die Wasserknappheit in Südtirol. Wieso unterscheiden sich hier Ihre Einschätzungen?
Es ist vielleicht eine Frage der Ausdrucksweise: Denn es gibt noch keine Gefährdung, Südtirol ist an der Quelle, wir sind in den Alpen und es gibt noch genügend Wasser. Betrachtet man aber allgemein die Tendenz, haben sich tatsächlich trockene und sehr niederschlagsreiche Phasen gehäuft. Somit nähern wir uns den prognostizierten Wetterextremen. Im Fall der Etsch leiden vor allem die unterliegenden Regionen von Südtirol. Nichtsdestotrotz hängen wir mit ihnen zusammen und sind bei der Wasseraufteilung Teil des Spiels. Deshalb machen wir uns auch in Südtirol dazu Gedanken, wie Wasser eingespart werden kann. Vor allem in der Landwirtschaft wurden sehr viele Maßnahmen zur Wassereinsparung gesetzt, etwa durch die Umrüstung der Bewässerungsanlagen auf Tropfenberegnung.
Hängt die Entwicklung der Wetterextreme auch davon ab, inwieweit die globale Klimaerwärmung fortschreitet?
Ganz bestimmt. Wir wissen, Ziel sollten eigentlich 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit sein, vielleicht werden es zwei Grad werden. Damit das Ganze händelbar bleibt, ist eine Begrenzung des Temperaturanstiegs in einem Spielraum von 1,5 bis 2 Grad empfehlenswert. Ansonsten wird es ein Spiel mit dem Feuer.
So eine schöne
So eine schöne Bildunterschrift: "Die Etsch entlang der Mebo"!
Was täte nur die Etsch, wenn es die MeBo nicht gäbe!? Wo würde sie dann entlang fließen?
Seit Jahrmillionen hat sich die Etsch das gefragt; und endlich! Endlich hat sie die MeBo gefunden, an der sie entlang fließen kann!
Oh Mensch! Erkenne Deine Kleinheit!
Was hat die Region Friuli
Was hat die Region Friuli Venezia Giulia mit dem Einzugsgebiet der Etsch zu tun?
Antwort auf Was hat die Region Friuli von Sepp.Bacher
Die zunehmenden Ausreißer bei
Die zunehmenden Ausreißer bei der Witterung:
> viel zu lang anhaltende Niederschlags-arme Zeiten,
> punktueller Starkregen, der zur Überforderung der Wasserableitungen führt (verursacht durch die Klimastörung bei den Höhenwinden),
> Orkan-artige Wirbelstürme, die großflächig Wälder niedermähen,
zeigen auf, dass auch wir unser Verhalten dringend ändern müssen, damit nicht weite Teile der Erde kaum mehr bewohnbar werden. Da zahlreichen die Nichts-sagenden Bekenntnisse der Politiker zur Klimakrise und die Premien für die großteils über 2 Tonnen wiegenden E-Autos reichen sicher bei weitem nicht.
Die Flüchtlinge der nicht mehr bewohnbaren Gebiete, werden gesellschaftliche Spannungen auslösen, die Alles übertreffen was wir bisher mit den Wirtschafts- und Kriegsflüchtlingen erleben.