Gesellschaft | Festival

So rockte der Ring

Ein etwas anderer Festivalbericht in Wort und Bild. Vom Rock im Ring Festival, das vergangenes Wochenende am Ritten über die Bühne ging.

„Bisch du de fa Barfuss?“ Lachend sehe ich ihn an und schüttle den Kopf. Schon zum dritten Mal werde ich an diesem Wochenende mit der mir, anscheinend aufgrund meiner Haarfarbe, ähnlich sehenden Redakteurin eines anderen Onlineportals verwechselt. Ich bin am Ritten, auf dem 23. Rock im Ring Festival. Es ist das Wochenende vom 8. bis 10. Juli und heiß, sehr heiß. Der Typ im Totoro-Kostüm, den ich angesprochen und um ein Foto gebeten habe, stellt auf dem Festival keinen Einzelfall dar.

Schon am Vortag schlendern verschiedenste, leicht alkoholisierte, aber gut gelaunte Menschen in lustigen Tierkostümen an mir vorbei. Am zweiten Tag des bekannten Rockfestivals hat sich in der heißen Mittagssonne ein Kreis von singenden Jugendlichen gebildet. Immer mehr Leute scharen sich um die zwei jüngeren Mädchen in Shorts und Sonnenbrille und drei wild mit den Händen fuchtelnden Typen. Klar, denn so gut wie jeder kennt den von den Subways stammenden Song über die „Königin des Rock and Rolls“. Ich sehe auf die Uhr. Mittlerweile ist es bereits fast zwei Uhr und wir sind schon spät dran. Auf der Bühne stehen inzwischen die Jungs der Südtiroler Punkband „Bizarro Welt“, zu deren Songs ich mit meiner Festivalbegleitung „PhD“ (links im Bild unten) abrocke. Schon seit mehreren Jahren ist meine Cousine ein fester Bestandteil meiner jährlichen Festivaleskapaden. Auch ein Jahr nach ihrer Promotion zur Doktorin der Politikwissenschaft hat sie es sich nicht nehmen lassen, mir eine Karte für das meiner Meinung nach coolste Festivals Südtirols zu schenken.


Tag 1

Das Highlight des Line-Ups 2016 ist für mich Flogging Molly. Den ursprünglich aus Irland stammenden Musikern gelingt es, eine wunderbare Stimmung zu schaffen. Die Menschen bewegen sich begeistert zu den Klängen der Musik und tragen zusammen mit der unglaublichen Kulisse mit Blick auf den Schlern zu dieser verzaubernden Atmosphäre bei. Auch PhD und ich haken uns ein und drehen uns zur Musik im Kreis. Nach dem lauten Applaus gegen Ende des Konzertes bewegen wir uns zum Zeltplatz, wo uns eine bayerische Junggesellentruppe auf eine selbstgegrillte Wurst und ein Bier einlädt. Auch dieses Jahr haben wieder hunderte Besucher ihre Zelte auf dem an das Festivalgelände angrenzenden Zeltplatz aufgeschlagen. Im Gegensatz zu uns, wir haben uns dieses Jahr ein Hotelzimmers geleistet.

Nach dem kulinarischen Zwischenstopp geht es in die Eishockeyhalle und damit auf das Festivalgelände zurück. Nach und nach füllen immer mehr Menschen die große Halle und schon nach kurzer Zeit entdecke ich Freunde. Sie sehen etwas mitgenommen aus. Ihre Haare stehen in alle Richtungen ab, von ihren Gesichtern tropfen ganze Bäche aus Schweiß. Trotzdem (oder vielleicht auch gerade deshalb?) wirken sie glücklich. Zumindest deutet ihr lautes und etwas heiseres Lachen darauf hin. Verzweifelt versuche ich mich mit ihnen zu unterhalten, jedoch wird unser Gespräch durch die lauten Gitarrenriffs von Offspring, Rammstein und Co. unterbrochen. Also geben wir nach kurzer Zeit auf und beginnen wild drauf los zu tanzen. Nach einem erfolglosen Versuch, ein Foto mit Evil Jared zu schießen, geht es ab ins Bett.


Tag 2

Als ich am nächsten Morgen aus der Dusche steige, verspüre ich ein leichtes Ziehen im Kopf. Es ist der zweite Tag im Ring. Und auf dem Programm stehen weitere zahlreiche lokale und internationale Acts. Der Vormittag geht schnell vorbei. Nach den Konzerten von Bizarro Welt und dem Rittner Shanti-Powa-Orchester machen wir uns wieder Richtung Zeltplatz auf um meine kleine Schwester zu suchen. Ein mir völlig unbekannter Typ mit dunklen Locken und Sonnenbrand im Gesicht bleibt plötzlich stehen und schreit: „Shanti Powa! Es geat in die folsche Richtung.“ Belustigt schreie ich ihm hinterher: „Äh, mittlerweile spielen die Homies.“ „Boah geil, Homies!!“ Am Zeltplatz angekommen, setzen wir uns gleich in den Schatten. Mein Blick schweift über den Platz: leere Bierdosen und Essensreste, die am zweiten Tag fast den ganzen Boden bedecken – und am Ende eines Festivals fast immer brav aufgeräumt werden; und dazwischen zwei Gruppen, die sich plötzlich gegenüber aufstellten. Zwischen ihnen befindet sich eine Flasche. Sofort realisiere ich: Jetzt wird Flunkyball gespielt. Bei diesem Spiel geht es darum, so schnell wie möglich sein Bier auszutrinken – sehr beliebt auf Festivals.

Langsam aber sicher fällt es mir immer schwerer, meine Augen offen zu halten. Kurz vor dem Konzert von Dead Like Juliet haben PhD und ich uns auf Fotojagd begeben. Mir gelingt es, einen Typen im Löwenkostüm abzulichten. Als die ersten Gitarrenklänge den Beginn des Konzertes einläuten, mischen wir uns wieder unter die Menge. Neben einem starken politischen Statement gegen den derzeitigen Rechtsruck in Europa, begeistert die Band vor allem durch das Anstimmen des „Wikinger-Rufs“ gegen Ende des Konzerts. Das „Huh!“ kennt spätestens nach der EM und den Auftritten der Mannschaft aus Island jeder.

Mittlerweile ist es dunkel geworden. Müde setze ich mich an einen der Tische vor der gut gefüllten Essensausgabe. Die Hitze des heutigen Tages hat auch bei mir ihre Spuren hinterlassen. Ich lasse den Blick ruhig über das Festivalgelände gleiten. Die meisten Leute wirken immer noch fit, ihre Gesichter sind von einem zufriedenen Lächeln gezeichnet, sie haben Spaß. Wieder fallen mir die Augen zu. „Ach komm schon“, denke ich mir. In einem letzten Energieschub richte ich mich ruckartig auf, nehme meine Kamera in die rechte und meine Wasserflasche in die linke Hand und bewege mich langsam Richtung Bierbudel los. Freundlich stelle ich mich einer Gruppe vor, die dort herumsteht und bitte sie um ein Foto. Noch bevor mich einer der schwarz gekleideten Metalheads fragen kann, antworte ich schon: „Und nein, ich bin nicht von Barfuss.“