Kultur | Salto Afternoon
Im Rössl am Vigiljoch

Foto: Andreas Marini
Ein Bühnenbild mit zahlreichen liebevollen Details (Florian Pircher) und die wortlose Morgenroutine des Piccolo-Kellners (Frederick Redavid, spielte hervorragend und konnte sich in die Herzen des Publikums wieseln) und das Miniensemble unter Marco Facchin (mit Günther Ploner und Hannes Mayr, präzise Ausführung der Stücke, ohne große Experimente) schaffen sofort die Nostalgie für ein Tourismus-Idyll, wie es so eins wohl auch am Wolfgangsee wahrscheinlich nie gab. Für diese braucht es auch den Beitrag der Kostüme von Rita Kröss, denn was wäre eine Wirtin ohne Dirndl?
Mit der Ankunft der ersten Touristen am noch morgendlich schläfrigen Rössl und dem Auftritt des Zahlkellners Leopold (Markus Gamper; sein Vortrag der Nummer „Aber meine Herrschaften“ vertreibt die Melodie des klassischen Ohrwurm „Im weissen Rössl am Wolfgangsee“ augenblicklich und könnte Hymne auf den aktuellen Fachkräftemangel im Gastgewerbe sein). Man merkt, dass hier sowohl dem Schauspiel, als auch den Gesangsstücken viel Sorgfalt zugekommen ist und sich die Schauspieler allesamt souverän oder besser noch schlagen. Auch die Koordination des großen Ensembles in dem sich auch als Bustouristen zahlreiche Klein-Rollen in den Dienst der Sache Theater stellen, gelingt auf den Punkt. Einzelne dieser Nummern können sich etwas in die Länge ziehen, aber fast alle sind sie eine willkommene Auflockerung für eine doch stellenweise datierte Zudringlichkeitsromanze. Auch weiß man während der Nummern mit allen Möglichkeiten des Bühnenbilds zu spielen, öffnet man etwa im Hintergrund ein Fenster des Rössels und bietet dem Publikum Geschehen auf zwei, manchmal auch drei verschiedenen Ebenen an.
Die Wirtin in Lana ist dabei so stark, wie man sich das wünscht: Karin Verdorfer weiß als Josepha, was sie will, ist ruppig und selbstbewusst und spielt eine starke Partie, welche den liebestollen Zahlkellner im Vergleich unbeholfen und tollpatschig wirken lässt. Die Verschlankungen des Regisseurs und die kreativen Freiheiten, welche sich Thomas Hochkofler in dem Stück genommen hat, tun dem Stück gut. Man spielt mit touristischen Klischees und verpflanzt etwa den Wolfgangsee direkt ans „Fikiljoch“, wie es die Berliner Schnauze von Haarwuchsmittelfabrikant Giesecke (Florian Pircher, bleibt auch nach dem Schluss-Applaus noch in seiner Rolle) in etwa ausspricht. Den, bei Freilichtspielen scheinbar obligatorischen Dialektobolus des Stücks entrichtet man geschickt, nicht einer Figur zugeschrieben, sondern als Zusatzpointen zwischen andere Lacher oder die extra Portion Slapstick geklemmt und über den Abend verteilt. Dabei entsteht mitunter Humor touristischer Ausprägung, Sprachbarrieren zu den deutschen Touristen oder seiner Majestät Kaiser Franz Joseph II (Hansi Lösch, als einziger im Schauspiel mit einem standesbedingt langsameren Tempo; Hier muss auch ein Lob an die Maske von Gudrun Pichler platziert werden) inklusive.
Die vier Romanzen des Abends erhalten - man spielt in erster Linie Komödie und Singstück - recht wenig Tiefgang, haben aber doch das nötige Quäntchen Herz oder sind im Fall von Sigismund (Norbert Knolleisen) und Klärchen (Katharina Gschnell) so überspitzt gespielt, dass es wieder humoristisch ist. Zwischen dem ungleichen Paar aus groß gewachsenem „Stubenmädl“ Katrin Rabensteiner und Piccolo Redavid die klassische Liebes-Konstellation, bei der eine Person Tomaten und die andere Herzen auf den Augen hat. Die vierte Liebesgeschichte bleibe hier geheim. Wenn sich der Zahlkellner und die Wirtin einander annähern gibt’s noch einen Moment in dem man sich zwar der Handlung fügt, aber noch einmal zur Sprache bringt, dass das Geschehen nicht mehr zeitgemäß ist. „Im weissen Rössl“ ist kein Stück des 21. Jahrhunderts und man wollte auch keines daraus machen.
Wenn Sie den Film mit Peter Alexander kennen oder in einige Auszüge auf YouTube reinschnuppern, haben Sie einen guten Maßstab dafür, ob der Abend in Lana etwas für Sie ist, oder nicht. Man erfindet hier das Rad nicht neu, schafft aber einen Raum auf der Bühne, in dem alles rund läuft. Man geht liebevoll mit einem alten Stoff um, ohne ihn groß umzustellen, fügt Pointen hinzu, die landen und kaum einmal stören - ein Star Wars Witz tut’s auch kaum - und nähert das Tempo des Stücks modernen Sehgewohnheiten an. Man hält das Versprechen eine „Nostalgieblase“ zu schaffen und hat dabei, die Warnung muss ausgesprochen werden, es herrscht hohes Ohrwurm-Potential auch in den Tagen danach.
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