Freizeit | Kräuterwissen

Herbst für Fortgeschrittene

oder: Wie Blätter ihre Partyfarben kriegen.
Herbst
Foto: Tamara Seyr
  • Wer mich kennt, weiß: den Herbst mag ich nicht. Alles ist braun, stirbt ab und liegt auf dem Boden herum. Chaos pur. Doch das kurze, herbstliche Zeitfenster, das gefühlt bloß zehn Minuten andauert, findet sogar ein alter Herbstmuffel, wie ich es einer bin, nicht mal sooo ätzend. Es ist dann, wenn die Blätter noch an den Bäumen hängen und mich in allen möglichen Farben anstrahlen. 

  • Die Autorin

    Tamara Seyr ist FNL Kräuterexpertin und Heilpraktikerin. Sie beschäftigt sich oft und auch lange (und oft auch ganz, ganz lange) mit den Kräutern und allem was dazu gehört. Das sind nicht nur die botanischen Namen, die Familienzugehörigkeit und die Inhaltsstoffe, sondern auch die Signaturenlehre.

    Ihr aktuelles Buch "Klugscheißerwissen Kräuter"

    Foto: Tamara Seyr
  • Was steckt hinter dem Farbwechsel?

    Dass die Blätter ihre Farbe wechseln, ist kein Stimmungsproblem der Bäume, sondern pure Biochemie. Im Sommer sind die Blätter sattgrün, weil sie voller Chlorophyll sind – dem Farbstoff, der das Sonnenlicht einfängt und Fotosynthese ermöglicht. Sobald die Tage kürzer und kälter werden, fährt der Baum seine Solaranlage runter. Das Chlorophyll wird abgebaut und eingelagert. Und plötzlich sehen wir das, was die ganze Zeit schon da war, nur bisher vom grünen Farbstoff überdeckt wurde. 

  • Was steckt hinter dem Farbwechsel?

    Dass die Blätter ihre Farbe wechseln, ist kein Stimmungsproblem der Bäume, sondern pure Biochemie. Im Sommer sind die Blätter sattgrün, weil sie voller Chlorophyll sind – dem Farbstoff, der das Sonnenlicht einfängt und Fotosynthese ermöglicht. Sobald die Tage kürzer und kälter werden, fährt der Baum seine Solaranlage runter. Das Chlorophyll wird abgebaut und eingelagert. Und plötzlich sehen wir das, was die ganze Zeit schon da war, nur bisher vom grünen Farbstoff überdeckt wurde.

  • Die Farbpalette im Detail

    Grün: Chlorophyll dominiert im Sommer alles. Ohne diesen Farbstoff gäbe es kein Zuckerkochen aus Sonnenlicht. 

    Gelb und Orange: Verantwortlich sind die Carotinoide (Carotine und Xanthophylle). Sie waren schon immer da, werden aber erst sichtbar, wenn das Chlorophyll verschwindet. Carotine kennen wir auch aus Möhren – daher das satte Orange. Xanthophylle leuchten gelb, wie man sie in Maiskörnern oder Eigelb findet. 

    Rot und Purpur: Hier kommen die Anthocyane ins Spiel. Anders als Carotinoide sind sie nicht immer im Blatt vorhanden, sondern werden im Herbst oft neu gebildet. Sie entstehen, wenn Zucker im Blatt zurückbleibt und in Kombination mit kühlen Nächten und sonnigen Tagen zu Farbstoffen umgebaut wird. 

    Braun: Am Ende bleibt die triste Resterampe: Gerbstoffe (Tannine). Sie sorgen dafür, dass die Blätter unappetitlich wirken, wenn sie schließlich zu Boden segeln. 

  • Warum der ganze Aufwand?

    Die Pflanzen werfen ihre Blätter nicht aus Langeweile ab, sondern als Überlebensstrategie. Im Winter wäre die Photosynthese bei Kälte und Frost ohnehin ineffektiv. Außerdem würden die Blätter bei Frost und Schnee zu viel Wasser verdunsten. Also fährt der Baum sein System runter, baut wertvolle Nährstoffe ab und lagert sie in Stamm und Wurzeln ein – quasi ein Winterschlaf mit Vorratskammer. Der Farbstoffwechsel ist also Nebenprodukt dieses Prozesses. Anthocyane haben vermutlich noch einen Bonus-Effekt: Sie wirken wie Sonnenschutz und Antioxidans für die Blätter, damit der Abbau reibungslos klappt. 

  • Welche Rolle spielt die Temperatur?

    Herbstfärbung ist eine Mischung aus Licht, Temperatur und Wasserhaushalt. Besonders intensiv wird das Farbenfeuerwerk, wenn es sonnige Tage und kühle, aber nicht frostige Nächte gibt. Tagsüber wird noch Zucker produziert, nachts bleibt er im Blatt stecken – und genau daraus entstehen die roten Anthocyane. Zu warm? Weniger Farbe. Zu frostig? Dann sterben die Zellen abrupt, und die Blätter werden schneller braun. Der „goldene Oktober“ ist also tatsächlich ein Glücksfall der Wetterchemie. 

  • Warum sehen nicht alle Bäume gleich bunt aus?

    Das hat mit ihren genetischen Programmen zu tun. Birken verabschieden sich schnell und gelb, Ahornbäume leuchten knallrot bis orange, Eichen halten lange durch und enden eher braun. Jeder Baum hat sein eigenes „Herbstrezept“, abhängig von der Zusammensetzung der Farbstoffe. 

  • Fazit

    Auch wenn ich sonst am liebsten einen großen Laubsauger durch die Welt schicken würde: Dieses kurze, bunte Intermezzo hat schon was. Für ein paar Tage zeigt uns die Natur ihre unterirdische Biochemie in knalligen Farben. Danach ist wieder alles braun, matschig und rutschig – aber für diesen kleinen Farbrausch lohnt es sich vielleicht doch, einmal den Kopf zu heben und den Herbst kurz zu mögen. Doch während ihr das hier gelesen habt, ist diese kurze und erträgliche Herbstphase wahrscheinlich auch schon wieder vorbei. Schade.