Ich kenne jemanden, der jemanden kennt
In Südtirol gibt es nicht wenige Arbeitnehmende, die vom guten alten Vitamin B profitieren. Von Jobplattformen wie LinkedIn oder Xing über Freunde und Bekannte sowie öffentliche Stellensausschreibungen haben Arbeitssuchende die Qual der Wahl, wenn es darum geht, welches Hilfsmittel sie für die Suche nach neuen beruflichen Möglichkeiten zu Rate ziehen. Laut dem letzten Halbjahresbericht 2022 der Abteilung Arbeit nahm die Zahl der Arbeitsverträge, die im Zeitraum von Mai bis Oktober 2022 unterzeichnet worden sind, im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres um 2,6% zu. Die Entwicklung hebt sich somit von den Krisenjahren 2020 und 2021 deutlich positiv ab. Ebenso fällt auf, dass in Südtirol mit 260.000 Erwerbstätigen (Quelle: ASTAT, Arbeitskräfteerhebung) noch nie so viele Menschen berufstätig waren wie heute. Diese Daten belegen die rasche Erholung des Südtiroler Arbeitsmarktes nach einem fast dreijährigen Corona-Tief, wobei der Wiederaufbauplan PNRR (Piano Nazionale di Ripresa e Resilienza) und das Programm zur Garantie der Beschäftigungsfähigkeit – kurz GOL (Garanzia di Occupabilità dei Lavoratori) – die Arbeitsmarktsituation noch zusätzlich stützen sollten.
GOL – Garantie der Beschäftigungsfähigkeit
Dem GOL werden gesamtstaatliche Ressourcen von mehr als 4,4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Mit diesem Geld sollen die regionalen Arbeitsvermittlungsdienste neu gestaltet und die Vermittlung von Arbeitsplätzen verbessert werden. Öffentliche und private Dienstleistungen sollen in Zukunft noch bürgernäher werden, um den Einstieg oder Wiedereinstieg ins Berufsleben auf individueller Ebene zu erleichtern. In Südtirol soll dies dank eines eigens dafür eingerichteten Jobservicezentrums geschehen.
Jobsuche auf verschiedenen Kanälen
Doch was in der Theorie gut klingt und gesamtstaatlich als schlüssiges Konzept daherkommt, könnte selbst in Südtirol zum Fiasko werden, wie das Herbstbarometer 2022 des AFI | Arbeitsförderungsinstituts zeigt. Im Sonderteil der Umfrage wollte das AFI von den Südtiroler Arbeitnehmenden in Erfahrung bringen, welche Kanäle in Zusammenhang mit der Jobsuche in der Praxis verwendet werden. Das Ergebnis: Rund 31% der Südtiroler Arbeitnehmenden haben ihren Job dank informeller Kanäle – sprich Freunde, Verwandte oder Bekannte – gefunden. An zweiter Stelle liegen mit knapp 18% öffentliche Wettbewerbe, gefolgt von Mundpropaganda am Arbeitsplatz (13%). Weit abgeschlagen der Rangliste liegen die Beschäftigten, die ihre derzeitige Arbeit mit Hilfe der öffentlichen Arbeitsmarktvermittlung gefunden haben (2%).
Bei vielen Firmen hat sich mittlerweile ein Prämien-System etabliert, das für jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen neuen Job vermitteln, eine Prämie vorsieht. Besonders Startup-Unternehmen mit geringen Kapitalressourcen verlassen sich vermehrt auf Mundwerbung, da beispielsweise Bewerbungen über Jobplattformen wie LinkedIn oder Xing mit einer Reihe von Risiken verbunden sind. Informelle Bewerbungen haben zudem den Vorteil, dass sie sowohl kosten- als auch zeitsparend sind.
Einen nicht unwichtigen Beitrag leisten bei der Jobsuche soziale Medien wie Instagram oder Facebook, die potenziellen Bewerber/innen die Möglichkeit geben, sich einen ersten Eindruck vom Unternehmen ihrer Wahl zu verschaffen. Vor allem jüngere Arbeitssuchende greifen bei der Auswahl ihres zukünftigen Arbeitgebers vermehrt auf die neuen digitalen Portale zurück. Das liegt unter anderem daran, dass sich die Macht aufgrund des Fachkräftemangels zunehmend auf Angestellte und Arbeiter/innen verschoben hat und Unternehmen in Hinblick auf ihr Image immer kreativer werden müssen.
Die Bedeutung persönlicher Beziehungen
Das AFI-Barometer bestätigt die Annahme, dass persönliche Beziehungen besonders bei den niedrigeren Bildungsstufen der Arbeitssuchenden essenziell sind. Generell gilt: Je niedriger das Bildungsniveau, desto wichtiger werden persönliche Kontakte. Als wichtiges Instrument haben sich auch Praktika herauskristallisiert. Nicht selten erhält ein Praktikant oder eine Praktikantin nach Abschluss der Studienlaufbahn ein Jobangebot vom hospitierenden Betrieb. Auch hier gelten die schon erwähnten Argumente: geringe Kosten und geringer Zeitaufwand in der Suche – denn schließlich kennt man sich bereits.
Ein Artikel der freien AFI-Mitarbeiterin Karin Inama