Umwelt | Referendum

"Das ist eine europaweite Angelegenheit"

Wie sieht man beim Südtiroler Bauernbund Klagen und Drohungen in Mals? Wie groß ist die Angst vor einem Pestizidverbot? Antworten von Direktor Siegfried Rinner.

Herr Rinner, wie besorgt schaut man beim Bauernbund derzeit nach Mals?
Siegfried Rinner: Mah, besorgt... Ich kann für mich persönlich nur sagen, dass ich die Sache sehr interessiert und genau verfolge. Und natürlich versuchen wir als Bauernbund in der ganzen Diskussion immer schon das Prinzip der Anbaufreiheit und der Gesetzmäßigkeit hochzuhalten. Das heißt, uns geht es einfach darum, dass Bauern ihre wirtschaftlichen Entscheidungen im Rahmen der bestehenden Gesetze selbst treffen können. Und diesbezüglich sind ohnehin sehr enge Grenzen gesetzt.

Sprich, die gesetzliche Zulassung der Wirkstoffe...
...oder die Ausbringungsrichtlinien, die jetzt gerade erlassen wurden. Sie müssen sich vorstellen, es dauert zehn Jahre bis solche Wirkstoffe zugelassen werden, da gibt es bis zu 50.000 Seiten dicke Gutachten dazu, und dem muss man einfach Glauben schenken können. Man kann schließlich auch nicht sagen, Autos sind potentiell gefährlich, weil in Italien Tausende Menschen pro Jahr mit dem Auto umkommen, und als Vorsorge verbiete ich deshalb nun einfach Autos.

Wie es in Mals heißt: Die Anbaufreiheit hat dort ihre Grenzen, wo die Freiheit des anderen beginnt.  
Man muss aber auch sehen, wie die Freiheit des anderen definiert wird. Wenn ich zulassen würde, dass mein Nachbar definiert, wie weit meine Freiheit geht, würden wir irgendwo in Sodom und Gomorra landen.  Diese Definition kann nur über Gesetze erfolgen. Und in dem Zusammenhang stellt sich die Frag , wer bei uns die Gesetz macht und was die Direkte Demokratie darf. Mir ist zumindest nicht bekannt, dass die Gemeinde legislative Kompetenzen hätte. Vielmehr gibt es im Bereich Pestizide ganz klare gesetzliche Regelungen auf EU-Ebene und nationaler Ebene. Und wir hoffen natürlich, dass dieses Gesetzmäßigkeitsprinzip für Mals gilt.

Wir lassen uns von den Promotoren nicht sagen, was Bio-Bauern brauchen, das wissen wir schon selbst. Und ich glaube der Bauernbund hat auch selbst genügend Kraft, um Spielregeln zwischen Bauern festzulegen, da braucht es weder neue Gesetze oder Verordnungen.

Doch berücksichtigen diese Gesetze auch einen Malser Wind, der ein Vermeiden der Abdrift scheinbar teilweise unmöglich macht?
Im Gesetz ist ganz klar vorgeschrieben, dass nur bei Windstille bzw. einer gewisser Windgeschwindigkeit gespritzt werden darf und das ist einzuhalten. Natürlich sind im Oberen Vinschgau alle nur möglichen Maßnahmen auszuschöpfen, um eine Abdrift zu verhindern. Doch nur auf die vage Vermutung hin, dass dies nicht möglich ist, kann ich kein absolutes Verbot aussprechen.

Doch es gäbe noch Handlungsbedarf in Sachen Abdrift?
Wir haben erst kürzlich die Ausbringungsrichtlinien des Landes verabschiedet. Wir haben gerade ein Abkommen zwischen Bio- und integrierter Produktion geschlossen, in dem es darum geht, die Abdrift in den Griff zu bekommen. Und wir sind dabei für den Obervinschgau ein separates Abkommen zu machen, um die Abdrift zwischen Spezialkulturen und Grünland zu minimieren. Es wird demnächst intensive Gespräche  mit Bioland geben. Also, wir lassen uns von den Promotoren nicht sagen, was Bio-Bauern brauchen, das wissen wir schon selbst. Und ich glaube der Bauernbund hat auch selbst genügend Kraft, um Spielregeln zwischen Bauern festzulegen, da braucht es weder neue Gesetze oder Verordnungen.

Sehen Sie in der aktuellen Diskussion nicht auch eine Chance, über neue und nachhaltigere Wege für Südtirols Landwirtschaft nachzudenken?
Absolut! Wir sind ja die Einzigen, die für den Vinschgau das Alternativkonzept der Bio-Region vorgebracht haben. Von den Promotoren höre ich dagegen nichts außer Verbote. Wir werden diese Bio-Region angehen, sobald neue Finanzierungsprogramme bereitstehen. Und auch deshalb bemühen wir uns intensiv, dass der Obere Vinschgau wieder in das Leader-Programm aufgenommen wird.

"Die Volksabstimmung wird so ausgehen, wie Abstimmungen bei solch populistischen Themen eben ausgehen. Aber das Referendum wird ohne rechtliche Wirkung bleiben. Es wird eine mit Riesenaufwand durchgeführte Meinungsfrage bleiben."

Die Stimmung in Mals ist derzeit aufgeheizter aus je zuvor. Die Promotoren sprechen von Morddrohungen und Verwüstungen, nun ist auch noch eine Klage eingetrudelt. Steht hinter dieser der Bauernbund, wie es heißt?
Nein, diese Klage wurden von 150 Malser BürgerInnen eingebracht, doch wir tragen sie mit und unterstützen die Plattform auch. Diesbezüglich ist von den Promotoren, aber auch den Medien und einzelnen Parteien ein kompletter Unsinn verzapft worden. Hier geht es weder um Schadenersatzforderungen noch um Einschüchterungen...

Worum geht es dann? 
Es ist eine Feststellungsklage, mit der das Gericht feststellen soll, dass diese Volksabstimmung wirkungslos bleibt, weil sie eben nicht gesetzmäßig ist und in eine Materie eingreift, die eindeutig auf EU-Ebene bzw. staatlicher angesiedelt ist. Dazu gibt es bereits entsprechende Schreiben des Regierungskommissariats, der Staatsadvokatur, des Ministerratspräsidiums und der  Gemeindeaufsicht an die Gemeinde Mals, die alle sagen, ihr seid nicht zuständig. Doch das wird in Mals nicht gehört.

Steht der Bauernbund auch hinter den offenen Anfeindungen und Übergriffen auf Mitglieder des Promotorenkomitees?
Klarerweise unterstützen wir so etwas nicht und treten für einen zivilisierten Umgang miteinander ein. Doch ich frage mich schon, wie sehr man sich hier in eine Opferrolle begibt. Wenn mit solchen Anschuldigungen so umgegangen wird mit der Klage, die als persönlicher Angriff konstruiert wird, habe ich schon meine Zweifel.

"Wenn ich zulassen würde, dass mein Nachbar definiert, wie weit meine Freiheit geht, würden wir irgendwo in Sodom und Gomorra landen. " 

Ist das Referendum eine Malser Angelegenheit, oder ist es mittlerweile zur landesweiten Causa geworden?

Das ist weder eine Malser noch eine Südtiroler Angelegenheit, sondern mittlerweile eine EU-Angelegenheit. Wenn in Mals zugestanden werden würde, dass man EU-Recht einfach umgehen kann, dann haben wir auch in unseren Nachbarländern und der gesamten EU Tür und Tor für solche Verbote geöffnet. Dann können wir den Landtag, die nationalen Parlamente oder das EU-Parlament abschaffen, und Gemeindeparlamente einsetzen, die dann für jede Gemeinde separat Gesetz macht.

Das heißt, Mals könnte europaweit etwas bewegen?
Die Frage hat mittlerweile eine Dimension erreicht, die weit über Mals hinausgeht. Das zeigt auch ein kürzlich erschienener Artikel in der deutschen TAZ, wo man auch beim deutschen Ministerium nachgefragt hat, ob ein solches Verbot auch in Deutschland möglich wäre. Die klare Antwort war: Nein, dafür gibt es rechtlich keine Chance.

Wie schädlich ist so ein Überschwappen der Diskussion in ausländische Medien?
Natürlich ist es für den Südtiroler Apfel nicht gut. Der hat prinzipiell einen ausgezeichneten Ruf im Ausland, weil er derart kontrolliert und zertifiziert ist wie sonst vielleicht nur Babynahrung. Und touristisch ist es sicherlich ein Damoklesschwert, wenn die  Diskussion nach außen getragen wird.

Ihre persönliche Prognose für den Ausgang des Referendums?
Die Volksabstimmung wird vermutlich stattfinden, weil die Fristen zu knapp sind. Und sie wird natürlich so ausgehen, wie Abstimmungen bei solch populistischen Themen eben ausgehen. Aber das Referendum wird ohne rechtliche Wirkung bleiben. Es wird eine mit Riesenaufwand durchgeführte Meinungsfrage bleiben.