Umwelt | Schwefelwolken

Pflanzenschutz + katholische Sexualmoral

Was die Haltung der Obstwirtschaft zu ihrem Pflanzenschutz mit der katholischen Sexualmoral gemeinsam hat...
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
kein_obst_aus_suedtirol.jpg
Foto: SK

Pflanzenschutz und katholische Sexualmoral

Ein Münchner Umweltverein hat Südtirol aufgeweckt! Mit einem provokanten Plakat zum Pflanzenschutz in Südtirols Obst- und Weinlagen („Südtirol sucht gute Luft – Südtirol sucht sich“) hat das Umweltinstitut München (UIM) hohe Wellen geschlagen.

So, wie die 68er Generation der katholischen Kirche ihre Scheinheiligkeit vorgeworfen und eine liberalere Haltung zur Sexualität gefordert hat, so spricht das UIM ein absolutes Tabuthema an: das Spritzen!

Denn mit dem Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln ist es wie mit der Sexualität in der katholischen Kirche: jeder tut´s – aber keiner darf darüber reden!

Es gibt ein herrlich buntes „Wimmelbild“ (http://www.suedtirolerapfel.com/media/0b58878c-1432-4f59-bbd3-f2868d18532c/wimmelbild-der-suedtiroler-obstwirtschaft.pdf) auf der homepage der Südtiroler Obstwirtschaft, auf dem alle Tätigkeiten rund um den Obstbau in Südtirol gar lustig dargestellt sind: Die Arbeit des Bauern, der Genossenschaften, der Vermarktung, der Werbefritzen. Man erkennt die Laimburg, die Forschung, die Qualitätskontrolle. Man sieht die sauberen Berge, die Seen, die Burgen, die gelben und roten Äpfel, sogar Tore zu Bioland- und Demeterbetrieben (ganz klein und am Bildrand!) Kurzum: Alles, was im Südtiroler Obstbau vorkommt und getan wird, ist abgebildet!

Alles? Nein! EIN wichtiger Bereich fehlt komplett: am ganzen Bild ist nicht ein einziger Sprüher zu erkennen! So, als gäbe es dieses Kapitel nicht! Dabei fahren doch die ganze Vegetationsperiode abertausende Traktoren mit Spritzanhängern durch die Plantagen, aufmerksam beobachtet auch von den Millionen Gästen, die jährlich unser schönes Land besuchen. Aber dieses Thema wird weggelassen. Da spricht man nicht drüber. So wie in der Kirche übers Kindermachen nicht gesprochen wurde. Die Kinder kommen vom Beten und damit basta! Also: Südtirol ist eine gesunde und saubere Berglandschaft und die Äpfel werden von selber schön. Basta!

Liebe Obstwirtschaftler: steht doch zu dem, was Ihr tut! Erklärt den Menschen, warum Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden müssen! Sie wollen es wissen! Jede Woche halte ich vor meinen Kunden ein Weinseminar. Die am regelmäßigsten wiederkehrende Frage ist die nach den vielen Sprühern in den Plantagen! Denn der Gast, der ja auch unser Kunde und Konsument ist, ist ja nicht blöd! Er will wissen, was er da kauft!

Erklärt ihm, dass wir es mit exogenen Schädlingen zu tun haben, dass Mehltau, Schorf, Peronospora, Reblaus und Feuerbrand Krankheiten sind, die wir uns durch unsere weltweite Handelstätigkeit aus Nordamerika eingeschleppt haben. Und dass die europäischen Pflanzen auf diese neuen Schaderreger nicht eingestellt sind und krank werden. Sagt dem Konsumenten, warum wir etwas tun müssen, dann ist er schon mal ein bewusster Kunde. Aber sagt ihm auch, dass es sehr wohl auch biologisch ginge und geht. Viele Bauern in Südtirol liefern täglich den Beweis dazu! Und noch etwas: auch Biobauern müssen spritzen und „Pestizide“ ausbringen, allerdings natürliche!.

Aber hier muss auch die öffentliche Hand mithelfen: warum ist denn der Bioanbau in Südtirol noch auf jämmerlichen 6%? Warum müssen noch 94% der Landwirtschaft chemisch-synthetisch behandelt werden? Hat man nicht schon früher von der Biowirtschaft gewusst? Hat man sich wohl zu sehr in die prachtvoll-schaurigen Kellergewölbe zurückgezogen und mit Chemie getestet, statt rechtzeitig eine Südtiroler resistente Apfelsorte zu züchten?

Könnten nicht auch die Förderungen in der Landwirtschaft endlich auf die biologische Arbeitsweise hin ausgerichtet werden? Nach dem Motto: Machst Du Bio, bekommst Du was – machst Du weiter wie bisher, bekommst Du weniger oder nichts. Das ist eine Sprache, die jeder versteht. Und Südtirol hätte die Chance, vor den Augen seiner Kunden zu einem wirklich wunderbaren Bio-Land zu werden.