Gesellschaft | Tätowierung

Eintätowierter Verbrecher

An dem SS-Soldaten auf der Hüfte des Maurer-Vizeweltmeisters von 2013 schien sich bisher niemand gestört zu haben. Der junge Mann warb auch heuer für die Junghandwerker.

Gestählte Muskeln, entschlossener Blick, nackter Oberkörper. Tätowiert. So verkörpert er einen jungen Mann, der seinesgleichen für das Handwerk begeistern soll. Und landesweit auf Plakaten für die Berufsmeisterschaften wirbt. Auch dieses Jahr hat er uns im Vorfeld der Landesmeisterschaft der Berufe verwegen an Bushaltestellen entgegen geblickt. Als Werbeträger für die Bildungsmesse Futurum, die zeitgleich mit dem Berufswettbewerb stattfand. Die Rede ist von einem der "weltmeisterlichen Idole" des Landesverbandes der Handwerker (lvh) – dem Maurer-Vizeweltmeister von 2013. Voll des Lobes ist man im ganzen Land für die beständig guten Leistungen, die die Südtiroler Junghandwerker Jahr für Jahr bei nationalen und internationalen Wettbewerben erbringen. So weit, so gut. Im Falle des 23-Jährigen, der in seiner Berufskategorie vergangenes Jahr eine WM-Silbermedaille "ermauert" hat, weist die Erfolgsgeschichte allerdings einen "kleinen" Schönheitsfehler auf.

Und dieser befindet sich über der rechten Hüfte des stählernen Burschen. Wirft man einen genauen Blick auf die Tätowierung, die sich über die gesamte rechte Körperhälfte des Jungmaurers zieht, fallen zwei Buchstaben ins Auge, die sich am Hals des aufgemalten Soldaten befinden: SS. Dass die Schutzstaffel (SS) – einst zuständig für die Sicherheit Adolf Hitlers und verantwortlich für unzählige Morde, Kriegsverbrechen und Terrorakte – nach dem Zweiten Weltkrieg als verbrecherische Organisation verurteilt und verboten wurde, das scheint den jungen Mann nicht allzu sehr in der Auswahl seines Tattoo-Motivs beeinflusst zu haben. "Unsere Großväter waren bei diesen Soldaten", sagt er gegenüber der Wochenzeitung ff vom 9. Oktober. "Und das waren sicher nicht alles Deppen." Er sei zwar kein Fanatiker, doch könne er rechtsradikalen Gedanken durchaus etwas abgewinnen, beteuert er. Aber er wünsche nicht, dass über seine Tätowierung berichtet wird.

Der Beitrag in der ff. Bild: Antifa Meran

Was hält der LVH von solchen Äußerungen? Ist es wirklich dieses Bild, das der Südtiroler Jugend von einem erfolgreichen Handwerker vermittelt werden soll? "Das ist nicht die Jugend, wie wir sie uns vorstellen." LVH-Präsident Gert Lanz findet im Gespräch mit der ff klare Worte und distanziert sich von jeglichem rechtsradikalen Gedankengut. In einer internen Diskussion soll nun geklärt werden, wie mit dem Fall – von dem man bisher anscheinend nichts gewusst hat – verfahren werden soll. 

Wie etwa in Österreich mit ähnlichen Fällen umgegangen wird, zeigt das Beispiel eines 20-jährigen Bauarbeiters, der 2012 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung zu einem Jahr unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Er war auf dem Weg zur Arbeit im Zug eingeschlafen und konnte nicht verhindern, dass seine SS-Tätowierung am Unterschenkel sichtbar wurde. In Deutschland wurde ein ostdeutscher Maurer festgenommen, weil er auf dem Rücken gut sichtbar ein Bild von Adolf Hitler und einige Hakenkreuze eintätowiert hatte und mit freiem Oberkörper in der Öffentlichkeit arbeitete.

Was in anderen Ländern aufs Schärfste bestraft wird, scheint in Südtirol zunehmend salonfähig zu werden. Neonazis brüsten sich mit ihrem mehr als fragwürdigen Körperschmuck und posten ungeniert Fotos ihrer Tätowierungen, die zum Teil beachtliche Dimensionen aufweisen, in sozialen Netzwerken. Angst vor strafrechtlichen Folgen? Keine Spur. Muss auch nicht sein. Denn in Italien steht das Verbreiten rechtsradikaler Symbole – sei es in Form von Wandschmierereien, Parolen oder eben Tattoos – zwar unter Strafe, doch anders als in Deutschland und Österreich kommen die entsprechenden Gesetze kaum zur Anwendung.

Übrigens: Das Foto, das den jungen Mann mit vollständig entkleidetem Oberkörper und gut sichtbarer Tätowierung zeigte, war bis vor kurzem für jeden auf Facebook frei einsehbar – als Profilbild des jungen Mannes. Erst am Sonntag ist es dahingehend beschnitten worden, dass die SS-Lettern nun nicht mehr zu sehen sind. Das Foto endet unter dem Kinn des Soldaten.