Politik | Wahlen/Elezioni 23

Die Fake-Abstimmung

Die Abstimmungen bei den Wahlkampf-Veranstaltungen der Tageszeitung Dolomiten sind manipuliert. Der Zweck: Es geht darum Stimmung zu machen.
Dolomiten-Veranstaltung
Foto: STOL
  • Man kann ohne Neid sagen: Es ist ein großer Erfolg.
    Die Tageszeitung Dolomiten und das Athesia-Portal STOL organisieren in diesen Wochen Südtirol weit Podiumsdiskussionen zu den anstehenden Landtagswahlen. Unter dem Titel „Unsere Leser, reden mit“ treffen die Spitzenkandidaten in den verschiedenen Bezirken aufeinander. Solche Diskussionen gab es bereits in Brixen, Neumarkt, Meran und am Donnerstag in Bozen. Es folgen kommende Woche noch Schlanders und Bruneck.
    Die Diskussionen, die von Dolomiten-Chefredakteur Toni Ebner moderiert werden, sind professionell und gut gemacht. Vor allem aber sind die Säle überall voll besetzt.
    Sowohl auf STOL als auch in den Dolomiten wird den Politveranstaltungen breiter Raum eingeräumt, wobei man allen wahlwerbenden Parteien und Kandidatinnen fair, denselben Platz einräumt.

  • Die Abstimmung

    Der Clou jedes Abend aber ist eine Abstimmung. Denn die Besucher des Abends sollen zu Beginn der Veranstaltung für eine Partei bzw. eine der anwesenden Kandidatinnen stimmen. Das Ganze wird dann nach der Diskussion wiederholt. Die unterschiedlichen Ergebnisse werden dann groß publiziert.
    Der Zweck der Übung: Damit will man nachweisen, wie gut und überzeugend der Auftritt der einzelnen Kandidaten und Kandidatinnen an diesem Abend ist und welche Stimmverschiebungen sie im Publikum bzw. in der Wählerschaft damit geschafft haben. Im Fachjargon würde man von einer Art Wählerstrom-Analyse sprechen, die aufgrund der vorgetragenen Argumente erfolgt.
    Das Problem dabei: Die Abstimmungen sind ein Fake.

  • Mit acht Handys von Zuhause

    Athesia-Wahlforum: Volle Säle und manipulierbare Abstimmung. Foto: STOL

    Ich habe im Waltherhaus mit acht Handys abgestimmt“, sagt ein Teilnehmer der Dolomitenveranstaltung am Donnerstagabend in Bozen zu SALTO. Denn die Abstimmungen sind so gemacht, dass einer Manipulation Tür und Tor offenstehen. „Das Ganze ist ein absoluter Fake“, sagen gleich mehrere Teilnehmerinnen der Podiumsdiskussionen.
    Um an der Abstimmung teilzunehmen, braucht es nur einen Zugang zu STOL oder den Dolomiten. Abgestimmt wird dann über einen QR-Code.
    Diesen Code kann man per WhatsApp aber in Sekundenschnelle weiterschicken. Das heißt eine Person kann nicht nur im Saal mehrmals abstimmen, wenn man mehrere Handys mitnimmt, sondern auch außerhalb.

    "Ich habe im Waltherhaus mit acht Handys abgestimmt“

  • Tatsache ist, dass an den Abenden hunderte Menschen von zuhause mitstimmen, die weder im Saal sind noch die Diskussionsbeiträge hören oder verfolgen. Es gibt zwar einen STOL-Liveticker, doch diesen als objektiven Maßstab für eine seriöse, politische Abstimmung zu nehmen, wäre doch etwa zu viel verlangt.

  • Organisierte Strategie

    Fast alle wahlwerbenden Parteien haben sich inzwischen auf diese Situation eingestellt. Man organisiert sich und manipuliert die Abstimmung durch Mitstreiterinnen und Funktionäre im und außerhalb des Saals.
    Dabei haben manche eine besonders subtile Strategie entwickelt. Man wählt zu Beginn der Veranstaltung bewusst einen unliebsamen Konkurrenzkandidaten. Bei der Endabstimmung dann aber denjenigen, den man pushen will.
    Dadurch entsteht ein doppelter Vorteil. Der unliebsame Gegenkandidat stürzt in der Endabstimmung ordentlich ab, während der eigene Kandidat überproportional an Zuspruch gewinnt. Der Eindruck der Nichtwissenden: Der Mann oder die Frau haben die Menschen im Saal durch einen besonderen Auftritt beeindruckt.

  • Supersonic Widmann

    Kompatscher gegen Widmann: SVP runter, Widmann rauf. Foto: STOL

    Am Donnerstag saßen sich im Bozner Waltherhaus die sogenannten Big´s gegenüber. 
    Landeshauptmann und SVP-Spitzenkandidat Arno Kompatscher, Paul Köllensperger vom Team K, Otto Mahlknecht von den Freiheitlichen, Myriam Atz Tammerle von der Südtiroler Freiheit, Brigitte Foppa von den Grünen, Thomas Widmann von Für Südtirol mit Widmann, Marco Galateo von Fratelli d'Italia und Sabine Gruber vom Centro Destra.
    Die SVP hat bei der Abstimmung zu Beginn der Veranstaltung 39 Prozent und am Ende bei der zweiten Abstimmung nach der Diskussion nur mehr 38 Prozent. Arno Kompatscher hat mit seinem Auftritt anscheinend nicht überzeugen können. Einen deutlicheren Verluste mussten nur Myriam Atz Tammerle und die Südtiroler Freiheit hinnehmen: Vorher 6% nachher 3%. Die Grünen, die Freiheitlichen, das Centro Destra und die Fratelli d’Italia erreichten in beiden Abstimmungen dieselben Zustimmungswerte.

  • Doch ein Mann spielt auch an diesem Abend in einer anderen Liga: Thomas Widmann. 

    Zulegen konnte hingegen Team K-Chef Paul Köllensperger von anfänglich 13 Prozent auf 15 Prozent bei der Endabstimmung.
    Doch ein Mann spielt auch an diesem Abend in einer anderen Liga: Thomas Widmann. 
    Seine Liste „Für Südtirol mit Widmann“ startet den Abend mit 18 Prozent Zustimmung und beendete ihn mit 29 Prozent.
    Wenn man weiß, wie leicht die Abstimmung manipuliert werden kann, da muss man gar kein Schelm sein, um Bösen zu denken.