Politik | Interview

„Passende Freunde für Arno Kompatscher“

David Röck ist das neue Gesicht der Bewegung „No Excuses“. Sie protestiert in Bozen morgen erneut gegen die geplante Regierungskoalition mit den Rechtsparteien.
David Röck
Foto: privat
  • SALTO: Herr Röck, kommen morgen überhaupt noch Menschen zu Ihrer Protestveranstaltung gegen die neue Landesregierung?

    David Röck: Wir sind optimistisch eingestellt und gehen davon aus, dass sich morgen, am Donnerstag, den 14. Dezember um 18 Uhr, viele beteiligen werden. Die letzten Tage haben gezeigt, dass viele Menschen unsere Botschaft teilen.

    „Damit öffnen sie drei ultrarechten Parteien leichtfertig die Tür.“

    Wer steckt hinter der Bewegung „No Excuses“?

    Wir verstehen uns als Bewegung der Zivilgesellschaft, ich beispielsweise gehöre keiner Partei und keiner politischen Organisation an. Es ist etwas Neues entstanden und in der Bewegung sind viele Menschen, die bisher noch nicht aktiv waren. Zudem unterstützen uns Organisationen wie Fridays For Future, Scientists For Future, Climate Action South Tyrol, Frauenmarsch und Omas gegen rechts. 

    Was kritisiert Ihre Bewegung an der neuen Regierungsbildung nach den Landtagswahlen?

    Wir setzen uns für die liberalen Werte einer offenen Gesellschaft ein, das bedeutet in Konsequenz, dass wir uns gegen den gesamten Rechtsruck stemmen wollen – nicht nur gegen die Fratelli d’Italia (FdI). Wenn homophobe, antifeministische und rassistische Aussagen fallen, dann ist das für uns immer zu verurteilen, egal von welcher Person oder Partei das kommt. Im Vergleich zu den anderen Rechtsparteien kommt bei FdI noch die nationalistische, post- und neofaschistische Ausrichtung dazu. 

  • Die Protestkundgebung: Vergangenen Donnerstag zogen einige Hundert Menschen mit Kerzenlichtern vom Bahnhofsplatz zum Sitz der SVP-Parteizentrale in die Brennerstraße. Foto: Seehauserfoto
  • „Arno Kompatscher und Hubert Messner haben ihnen die Stimmen geholt und die SVP vor einem Totalabsturz bewahrt.“ 

    Die SVP hat bereits vor fünf Jahren mit einer sehr rechten Partei eine Koalition geschlossen, nämlich mit der Lega. Wieso kommt Ihr Protest erst jetzt?

    Es hat sich im Vergleich zu vor fünf Jahren die ganze politische Landschaft geändert. Ich war auch nicht einverstanden, als die Lega in die Regierung kam. Auf italienischer Ebene regierten zu diesem Zeitpunkt die Cinque Stelle mit der Lega, es war noch keine vollkommen rechte Regierung wie heute. Auch auf europäischer Ebene war der Rechtsruck noch geringer. In den letzten Jahren wurden rechte Parteien in Regierungen aufgenommen, man hat sie legitimiert und salonfähig gemacht. Das hat dazu geführt, dass wir in Italien eine reine Rechtsregierung haben und viele europäische Staaten sind rechts abgerutscht. Auch in Südtirol war es vor fünf Jahren noch eine rechte Partei, die in die Regierung gelassen wurde, und heute sollen es drei rechte Parteien sein. 

  • Der Appell von David Röck

    Es scheint für die SVP der bequemste Weg zu sein, mit den Rechten zu koalieren. Es ist der Weg des geringsten Widerstands und der Weg des parteipolitischen Machterhalts. Jetzt ist aber nicht die richtige Zeit für politische Bequemlichkeit. Jetzt ist nicht die richtige Zeit für politischen Pragmatismus und Opportunismus. Jetzt ist nicht die Zeit für persönliche Fehden und Machterhalt. In einer Zeit, in der die Demokratien Europas von allen Seiten bedroht werden, in einer Zeit, in der der europäische Integrationsprozess und das europäische Friedensprojekt bedroht sind, in einer Zeit, in der die Welt durch die Klimakatastrophe bedroht wird – in solchen Zeiten ist das Gebot der Stunde politischer Mut. Politische Entscheidungsträger*innen sollten nun Größe zeigen, sie sollten Führungsstärke zeigen, sie sollten mutig hervortreten und die Bereitschaft zeigen, all das zu verteidigen, was in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg so mühevoll erarbeitet wurde. All das wurde aus den Schmerzen von zwei Weltkriegen und der Shoa erbaut und das gilt es jetzt nicht so leichtfertig aufs Spiel zu setzen. 

    Die Zivilgesellschaft ist bereit, sich für Demokratie, für Menschenrechte, für Europa, für Solidarität und Gleichheit, für die Bekämpfung der Klimakrise einzusetzen. Wenn Arno Kompatscher jetzt den Mut, politische Größe und Führungsstärke aufbringt, sich der Entscheidung des SVP-Parteiausschusses zu widersetzen, dann wird er nicht alleine dastehen. Er wird viele Menschen an seiner Seite stehen sehen, Menschen, die ihm den Rücken freihalten werden. Arno Kompatscher sollte sich jetzt Freunde suchen, die zu ihm passen. 

  • Ist die SVP nicht auch rechts?

    Die SVP hat sich immer als Partei der Mitte verstanden. Aber das Traurige ist, das genau das Personal von der Mitte und von Mitte-links jetzt nicht den Mut aufbringt, sich für die Identität der SVP als Partei der Mitte stark zu machen. Damit öffnen sie drei ultrarechten Parteien leichtfertig die Tür. 

    Kann die SVP damit noch den Anspruch erheben, eine Partei der Mitte zu sein?

    Bei den Landtagswahlen wurden vor allem Mitte- und Mitte-Links-Kandidat*innen der SVP gewählt, etwa Arno Kompatscher und der unabhängige Kandidat Hubert Messner. Sie haben ihnen die Stimmen geholt und die SVP vor einem Totalabsturz bewahrt. Dementsprechend sollte sich die SVP nach dem Willen ihrer Wähler*innen ausrichten und sich dementsprechend politische Partner suchen. Der rechte Flügel wurde bei den Wahlen geschwächt. Wenn man sich jetzt drei rechten Parteien zuwendet, dann stimmt das nicht mit dem Wunsch der Wähler*innen der SVP überein. 

    Der da wäre?

    Wenn man sich das Ergebnis sprachgruppenübergreifend ansieht, dann hat Mitte und Mitte-Links noch immer eine Mehrheit im neu gewählten Landtag, sprich die SVP, Civica, PD, Widmann, Team K und Grüne. Die Möglichkeit, Allianzen der Mitte oder Mitte-Links zu bilden, ist immer noch gegeben. Diese Möglichkeit muss genutzt werden, solange sie noch existiert.

  • Pro und Contra: Gestern lieferten sich David Röck und Neo-SVP-Landtagsabgeordneter Harald Stauder bei der Rai-Sendung mit dem Journalisten Christian Bassani einen Schlagabtausch. Foto: Rai Südtirol/Screenshot

    Sie studieren selbst in Innsbruck – welche Botschaft vermittelt die sich abzeichnende neue Regierungskoalition für junge Südtiroler*innen im Ausland?

    Viele gut ausgebildete Fachkräfte aus Südtirol kehren nach ihrer Ausbildung nicht mehr zurück, das war im Wahlkampf häufig Thema. Der Braindrain wurde auch bei einer Podiumsdiskussion in Innsbruck diskutiert, bei der ich dabei war. Dort wurden drei Faktoren analysiert, die dazu beitragen. Das waren die hohen Lebenshaltungskosten und der Wohnungsmarkt in Südtirol, die schwierige Anerkennung der Studientitel und die zu geringen Löhne. Diese Analyse finde ich nicht vollständig. 

    Was fehlt in der Analyse?

    Bei der Entscheidung, nach Südtirol zurückzukehren oder nicht, spielt auch die politische Repräsentation eine Rolle. Wenn man sich das Wahlergebnis der Briefwahl anschaut, dann haben 38 Prozent die SVP gewählt, 29 Prozent die Grünen und 10 Prozent Team K. Die Südtiroler*innen im Ausland haben mehrheitlich eindeutig nicht rechts gewählt. Südtirol macht sich nicht attraktiv für solche Menschen, wenn sich die SVP jetzt drei ultrarechte Parteien in die Regierung holt. Dann braucht sich die SVP nicht darüber wundern, wenn morgen in Südtirol noch immer zu wenig Lehrer*innen und Ärzt*innen zur Verfügung stehen. 

  • „Deshalb müssen wir schnell handeln.“

    Folgen Sie mit Ihrem Protest dem Beispiel der Bewegung in Österreich Anfang der 90er Jahre gegen die FPÖ in Österreich, die unter dem Namen „Lichtermeer“ bekannt wurde?

    Nein, meines Wissens ist das Zufall. 

    Wie lange soll der Protest weitergehen?

    Das hängt davon ab, was in der Politik entschieden wird. Wie Arno Kompatscher gestern angekündigt hat, soll bis zum nächsten Montag das Koalitionsprogramm und vor Weihnachten die neue Regierung stehen. Deshalb müssen wir schnell handeln. Sollte es zu dieser Regierung kommen, werden wir mit unserer Arbeit weitermachen, die Regierungsarbeit beobachten und Stellung beziehen. 

  • Der Protest

    Donnerstag, 14.12. 18 Uhr

    Magnagoplatz Bozen

    Die Bewegung bittet, Schilder und Freund*innen mitzunehmen.