Pound & Tirol
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„This I learned in the Tirol - Tirol im Leben Ezra Pounds; Zeugnisse, Erinnerungen & Brunneburg Chronik“ lautet der Titel eines dreihundert Seiten starken Bildbandes, den die gestern Abend krankheitsbedingt verhinderten Herausgeber Siegfried de Rachewiltz und Anastasia Cobet anlässlich des 50. Todestages (2022) zusammengetragen haben. „This I learned in the Tirol“ ist auch ein Vers, der sich im Cato LXXXIII (83 für Freunde der arabischen Zahlen) von Pounds Magnum Opus, den Cantos findet. Deutlich mehr als um die Spuren, welche „Tirol“ bei Pound hinterlassen hat, geht es um jene Spuren, die Pound und seine Tochter Mary de Rachewiltz hinterlassen (haben). Dritte „Protagonistin“ des Buches ist die Brunnenburg (besonders umfangreich fällt das Kapitel „Ankunft und Alltag auf der Brunnenburg“ aus, das den Jahren ’58 bis ’64 gewidmet ist) und jene Künstler:innen, die mit der Burg in Verbindung traten und zum Teil selbst ein Kapitel beisteuerten. Zu den Mitgliedern der Familie de Rechewiltz Mary, Boris, Patrizia und Siegfried gesellen sich Ralf Lüfter, Mauro Piccinini, Elfriede Prinegg Boccagni und Rosanna Pruccoli als Co-Autor:innen.
Das Buch nimmt seinen Ausgang in Gais, wo Mary als außereheliche Tochter Pounds mit der Stargeigerin Olga Rudge geboren und in die Obhut bäuerlicher Zieheltern übergeben wurde und schließt mit einem Zwischenbericht des Ezra Pound Forschungszentrums. Die Perspektive, die uns auf Pound geboten wird, ist dabei eine selten intime, womit nachvollziehbar ist, dass sich deutlich mehr zu den Ausschnitten mit Katzenbildern im Band findet, die von der Psychiatrischen Klinik St. Elizabeth in Washington aus die Brunnenburg erreichten, als zu den Vorwürfen des Antisemitismus und seine Nähe zum Italienischen Faschismus und der Republik von Salò.
Dies ist, wie gesagt, verständlich, da sich mehrheitlich beim Blättern (für eine ausführliche Lektüre war die Zeit zu knapp) das Gefühl einstellt, in einem Familienalbum zu blättern. Einige der aus halböffentlichen und privaten Archiven stammenden Bilder sind hier zum ersten Mal zu sehen. Wir lernen intimere Aspekte des modernistischen Poeten kennen. Da eine halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung klar wurde, dass auch eine videotelefonische Präsentation des Buches über Zoom unmöglich sein würde, vertagte man die Buchvorstellung auf ein noch zu fixierendes Datum.
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Die frühe Liebe Pounds
Das Konzert von Bariton John Sweeney und dem jungen Pianisten Yijun Shen stand ganz im Zeichen eines der ersten Berührungspunkte Pounds mit der Dichtkunst. Gerade die Troubadour-Tradition hatte es dem jungen Pound angetan, der auch diverse Übersetzungen ins Englische anfertigte und 1911, mit Mitte 20, Südfrankreich zu Fuß bereiste, um dort den „Spirit“ und „Mood“, in den sich diese höfischen Dichter eingliedern, zu erleben. Gerade Arnaut de Mareuil hatte es Pound in besonderer Weise angetan, nachdem dieser zuvor bereits von Dante im Purgatorio (26. Canto) als höchster Vertreter dieser Strömung geadelt wurde.
Vor dem Konzert gab es eine Einführung in die Tradition durch Roberta Capelli, die auf unumgängliche Schwierigkeiten bei Übersetzung und Aufführung der von Walter Morse Rummel übertragenen mittelalterlichen Lieder hinwies, die mit den Übersetzungen Pounds gesungen wurden. In den seltensten Fällen sind diese Lieder mit Noten erhalten. Dort, wo sie es sind, bedarf es für die Aufführung einer Übertragung in die moderne Notenschrift. Sweeney trug die Lieder mit gebührendem Pathos, der ja bereits in den Texten zu finden ist, die nur allzu oft von unerfüllter und unerfüllbarer Liebe handeln, vor. Er hatte dabei auch mit Grippesymptomen und einer belegten Stimme zu kämpfen, konnte aber Räuspern und Husten von seinem Bassbariton trennen und trat mit Freude am Auftritt vor sein Publikum, welches das kleine Zimmer bis in die letzte Reihe ausfüllte.
Shen, der mit markierendem Anschlag immer wieder den Einsatz für Sweeney gab, tat dies mit gebührender Kraft, da man sich am Klavier neben einer kraftvollen Singstimme im kleinen Raum nicht zu verstecken braucht. Auch durch den Vortrag hindurch war die Stimme Pounds zu hören, der gerade in seinen frühen Cantos häufig Bezüge zu den in den Langues d’oïl und d’oc schreibenden Dichtern fand.
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Pound aus anderen Blickwinkeln
Dass Pound in literarischen Kreisen besondere Wertschätzung und Schutz erfahren hat und noch immer erfährt, ist hinlänglich bekannt. Als junger Dichter des späten 19. oder frühen 20. Jahrhunderts nicht beeinflusst zu sein, so Hemingway, wäre, als würde man durch einen Schneesturm gehen und sich nicht kalt fühlen. Dass das historische Erbe Pounds gegen seinen literarischen Stellenwert und seine vermittelnde Tätigkeit ausgespielt und umgekehrt würden, ist auch nichts Neues. Vielleicht hätten James Joyce und T.S. Eliot heute tatsächlich nicht denselben Stellenwert, wenn es Ezra Pound nicht gegeben hätte, aber das eine vom anderen zu trennen, scheint schwierig.
Beim Abend mit von der Partie war im Publikum auch eine Übersetzerin, die gerade Pounds „Cantos“ ins Chinesische überträgt. Trotz umfangreicher Anmerkungen und einem akademischen Zielpublikum - wie sie eine solche Ausgabe wohl auch braucht - wolle sie das „Politische“ vom „Literarischen“ trennen und sieht in Pound auch ihre persönliche Einführung in den westlichen Literaturkanon. Die Aussicht auf eine Übersetzung ins Chinesische hätte Ezra Pound sicherlich geschmeichelt, veröffentlichte er mit „Chatay“ doch bereits 1915 Nachdichtungen (oder Übersetzungen, je nachdem, wen man fragt) 15 chinesischer Gedichte und blieb dem Kulturraum auch in weiterer Folge philosophisch verbunden.
Ob sich nun die antisemitischen Ansichten und die Kollaboration Ezra Pounds mit dem Faschismus „glatt“ von der literarischen Wirkung des Modernisten trennen lassen, bleibt fraglich und der Versuch wirkt ein wenig so, als würden wir ein Ei aufschlagen und trennen: Weder das Eiweiß noch das Gelbe vom Ei sind die ganze Wahrheit. Am Abend sind seitens der Veranstalter jedenfalls weder das Wort Antisemitismus noch Faschismus verwendet worden, in Vergessenheit gerät es deswegen jedoch kaum. Es bringt die Leute mehr noch zum Reden und sorgt dafür, dass gefährliches Halbwissen der allgemeine Wissensstand dieser Diskussionen ist. Schade.
Ezra Pound ist heute noch…
Ezra Pound ist heute noch eine SCHANDE für die Menschheit!