Gesellschaft | Geraubte Freiheit

Wir waren so frei

Die Freiheit des liberalen Marktes? Nein. Die Freiheit an das Märchen des unendlichen und unerschöpflichen Wachstums durch Schulden zu glauben!
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In diesen Tagen hört und liest man so einiges über Grundrechte, Freiheit der Individuen und wie diese auf dem Spiel stehen, beziehungsweise wie sie uns von Conte weggenommen werden.

Natürlich vergessen die meisten die von diesen Raub sprechen, das es auch ein Grundrecht auf Leben und eines auf Gesundheit gibt. Nur so zur Info, Regierung und Staat sind auch verpflichtet diese zu gewährleisten und vielleicht stufen sie das Grundrecht auf Leben jedes einzelnen höher ein, als das auf freie Bewegung, Bildung und Arbeit. Aber das blendet man selbstsicher aus, denn rhetorisch gesehen würde man mit dieser Einsicht den eigenen Standpunkt schwächen. Eins muss aber allen immer klar sein: Recht und Freiheit stehen per Definition in Widerspruch zueinander.

Aber auf diese grundlegende Diskussion will ich nicht mal eingehen, es gibt dazu tonnenweise Literatur die das ganze viel ausführlicher auf den Punkt bringt als ich es kann.

Es geht mir um einen andere Freiheit die meist durch andere Wörter definiert wird. Von Begriffen wie „Konjunktur“ und „Wachstum“ ist hier die Rede. In den letzten Tagen wird aber oft von einen anderen Ausdruck Gebrauch gemacht: „Normalität“. Die Freiheit des liberalen Marktes? Nein. Die Freiheit an das Märchen des unendlichen und unerschöpflichen Wachstums durch Schulden zu glauben!

Dieses Märchen ist derart in unser Leben verankert, dass wir es nicht mal mehr wahrnehmen. Viele schimpfen über das kaputt oder gar tot gesparte Gesundheitssystem, nur wenige über die kranke Wirtschaft welche in Ihrer Sucht nach Wachstum uns Schulden und immer mehr Schulden als vollkommen normal ansehen lässt. Unsere Sprache hat sich längst dem Märchen angepasst: im öffentlich Diskurs hat Das Wort „Sparen“ in den letzten Jahren komplett seine Bedeutung geändert. Es geht nicht mehr darum, in guten Zeiten Liquidität für schlechte Zeiten auf die hohe Kante zu legen, nein, „sparen“ bedeutet heute einfach weniger auszugeben, bzw. öffentliche Schulden von einem Etat zum anderen zu lenken.

Das Märchen ist aber auch echt, echt wie die schiefen Wände in den neuen, frisch renovierten, oder neu angebauten Teilen der Hotels die nun leer stehen und auf die wir direkt oder indirekt in Südtirol alle angewiesen sind. Schief weil sie nicht mehr in Monaten, sondern in Tagen aufgestellt werden und keine Zeit haben um gescheit zu trocknen. Aber das macht ja nichts, Gipser und Maler bessern 48 Stunden bevor die erste Gäste eintrudeln noch alles schön aus, sodass einem die Patzer nur bei näherer Betrachtung auffallen und in spätestens 8 Jahren bauen wir sowieso wieder um.

Aber wenn die Wände real sind, sind wir dann nicht vom Märchen in die Realität gewandert? Nur zum Teil, weil vom Beton abgesehen stützen diese Wände hauptsächlich auf was? Genau, auf Schulden!

So hat das Märchen Gebäude über Gebäude entstehen lassen, Touristen kamen, Handwerker konnten sich vor Aufträgen kaum wären und machten ihrerseits auch Schulden und so letztendlich auch viele private Haushalte. Will man es den Hoteliers, den Handwerkern und den Haushalten verübeln? Keinesfalls! Denn Sie können ja alle gar nicht anders, sie werden teils sogar regelrecht dazu gezwungen diesen Weg zu gehen! Wieso? Weil in der unfassbaren Absurdität dieses Märchens private Schulden billiger sind als Steuern. Steuern die doch eigentlich dazu da wären die öffentlichen Schulden, ja genau jene die uns zwingen alles kaputt zu sparen, zu tilgen!

Und wieso ist das alles ein Märchen? Weil wir alle gewusst haben, weil es uns spätestens nach der Wirtschaftskrise 2008 immer wieder gesagt wurde: unser Schuldensystem ist ein Märchen und umso mehr wir daran festhalten desto schlimmer wird das Erwachen sein.

Und was hat das alles mit Freiheit zu tun? Wir waren so frei und haben uns erlaubt uns vom Glauben hinreisen lassen, dass das Märchen kein Märchen war. Wir waren so frei nicht auf jene zu hören die uns gewarnt haben und so wie es aussieht können wir nicht auf diese Freiheit verzichten, bis sie uns nicht geraubt wird.

Und wie kommen wir aus dieser misslichen Lage wieder raus? Ja, ihr habt es erraten: wieder mit Schulden. Aber bitte hören wir in Zukunft mehr auf jene die uns warnen, weil Schulden können auch gesund sein.